Ein erstmals sinkender Rundfunkbeitrag und ein Thesenpapier von ver.di
Die Ministerpräsidenten der Länder haben ernst gemacht: 2015 soll der Rundfunkbeitrag erstmals in seiner Geschichte sinken – um monatlich 48 Cent. Zugleich aber verweigern die Länderchefs den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zum wiederholten Mal den Aufbau eines eigenen Jugendkanals. Mehr denn je steht die Frage im Raum, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft aufgestellt sein soll. Zur Beantwortung will auch der ver.di-Bundesvorstand beitragen – mit einem eigenen Thesenpapier.
Als die Ministerpräsidentenkonferenz am 13. März in Berlin endet, haben die Regierungschefs der Länder eine historisch einmalige Entscheidung im Gepäck: Ab 2015 soll der Rundfunkbeitrag erstmals gesenkt werden, von derzeit 17,98 Euro monatlich auf 17,50 Euro. Möglich machen es die Mehreinnahmen bei ARD, ZDF und Deutschlandradio aufgrund der Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag. Diese betragen nach Zahlen der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten) in der aktuellen Beitragsperiode 2013–2016 mehr als eine Milliarde Euro. Ein Teil dieses Geldes soll nun die Beitragszahler entlasten, während der Rest zurückgelegt werden soll. Denn weder ist die Beitragsperiode schon abgelaufen, die Zahlen der KEF sind damit eine Prognose, noch wurde bisher die Evaluation des neuen Systems durchgeführt, die möglicherweise zu Änderungen bei der Beitragserhebung und damit auch der Einnahmen führt.
Und noch eine weitere Entscheidung haben die Länderchefs verkündet – oder besser: erneut vertagt. Noch immer konnten sie sich nicht darauf verständigen, ARD und ZDF mit einem eigenen Jugendkanal zu beauftragen, obwohl die Sender ihr Konzept auf Wunsch der Ministerpräsidenten noch einmal nachgebessert und diverse Fragen beantwortet hatten. So harren die Anstalten weiter der Dinge und geben sich optimistisch wie SWR-Intendant Boudgoust. Sein Kommentar: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“
Kurzatmige und konzeptlose Entscheidungen
ver.di hat beide Entscheidungen kritisiert. ver.di-Vize Frank Werneke nannte die Beitragssenkung „kurzatmig und riskant“ und hält das Offenhalten der Jugendkanal-Frage bei den Ministerpräsidenten für einen „Ausdruck von Uneinigkeit und Konzeptlosigkeit in der Rundfunkpolitik“. Wichtige Zukunftsfragen würden auf die lange Bank geschoben.
Dazu muss man wissen, dass der ver.di-Bundesvorstand zeitgleich mit der Ministerpräsidentenkonferenz ein Thesenpapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk veröffentlicht und sich damit auch direkt an die Länderchefs gewandt hatte. Darin finden sich konkrete Vorstellungen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Systems. ver.di wolle mit dem Papier, so steht es in der Vorbemerkung, „ihren Beitrag zur Diskussion leisten“. Dabei bekennt sie sich ausdrücklich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, „der im weltweiten Vergleich einmalig ist und Beachtenswertes leistet“. Zugleich aber „bedarf es an vielen Stellen Verbesserungen“, damit das System im Sinne der Gesellschaft erhalten werden könne. Oder wie Frank Werneke sagt: „Im Internetzeitalter bedarf es aber nicht des Abbaus öffentlich-rechtlicher Inhalte, sondern vielmehr einer Stärkung.“
Fünf Zukunftsthesen
In fünf Thesen werden dabei die Themenfelder Finanzierung, Qualität, Arbeitsbedingungen, Verbreitung und Gremienkontrolle beleuchtet – mit konkreten und durchaus auch kontrovers diskutierten Forderungen. Der „Paukenschlag“ befindet sich für viele gleich in These 1, die sich der Finanzierung widmet. Darin heißt es, dass Werbung unbestritten Einfluss auf das Programm habe. Die formulierte Konsequenz: „ver.di hält deshalb grundsätzlich ein werbefreies öffentlich-rechtliches Fernsehen für ein wichtiges Ziel.“ Zugleich werden aber die damit verbundenen Schwierigkeiten benannt: freiwerdende Programmflächen müssten gefüllt, wegfallende Werbeeinnahmen finanziell durch den Rundfunkbeitrag kompensiert werden. Das heißt: ver.di wünscht sich zwar mittel- bis langfristig einen Werbeverzicht im TV, allerdings nur, wenn die damit entstehenden Mehrbelastungen ausgeglichen werden.
These 2 rügt die Quote als „schlagendes Argument vieler Programmmacher“. Denn was viele sehen wollen, müsse schon irgendwie gut sein. ver.di fordert deshalb von den Rundfunkanstalten mutigere Formate und vielfältigere Inhalte und gerade in der Unterhaltung eine breitere Themenpalette abseits der „ewig gleichen Gutshausidylle“. Wie man das schafft? Vorgeschlagen werden Testlabore, Kreativitätsfonds oder Experimentierfelder in Dritten Programmen und Spartenkanälen.
In These 3 beschäftigt sich die Gewerkschaft mit einem ihrer ureigensten Themenfelder: den Arbeitsbedingungen. Hier attestiert sie den Öffentlich-Rechtlichen eine Abwärtsspirale, die „in den letzten Jahren in vielen Fällen zu einem unerträglichen Kosten- und Arbeitsdruck geführt“ habe, „der Qualität sichtbar leiden lässt“. Für ver.di sei aber klar, dass ARD und ZDF als öffentliche Unternehmen eine besondere soziale Verantwortung für alle Beschäftigten im Produktionsprozess hätten. Deshalb fordert sie neben ausreichenden Produktionsbudgets, die Qualität ermöglichen, den Schutz von Urheberrechten und die gleichwertige Bezahlung aller Mitarbeitenden im Sinne des „Equal Pay“ – ob Festangestellte, Freie, Subunternehmer oder Leiharbeitnehmer.
Dass öffentlich-rechtliche Programmangebote auf allen relevanten Verbreitungswegen auffindbar sein müssen, wird in These 4 hervorgehoben. Dabei liegt laut ver.di ein besonderer Schwerpunkt auf den Onlineangeboten, die als eigenständige dritte Säule neben Hörfunk und Fernsehen anzuerkennen seien. Vor allem gelte es, die „künstliche Verknappung“ von öffentlich-rechtlichen Inhalten im Netz durch die Sieben-Tage-Frist und die Depublikationspflicht abzuschaffen. An dieser Stelle äußert sich ver.di auch zu einem Jugendkanal, der bei entsprechender finanzieller Ausstattung eine Möglichkeit sein könne, „junge Erwachsene zu gewinnen, denen das Hauptprogramm zu wenig anbietet“.
Last but not least beschäftigt sich These 5 mit der Kontrolle durch die Gremien, die „Begleiter und Kontrollorgan in einem“ seien und deren Arbeit kein Selbstzweck sei, sondern der Öffentlichkeit diene. Aus diesem Grund verlangt ver.di nicht nur eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch transparentere Gremien durch öffentliche Sitzungen sowie zugängliche Tagesordnungen und Protokolle. Zugleich sollten die Befugnisse der Gremien erweitert, z.B. neben der Wahl des Intendanten auch die der obersten Geschäftsführungsebene, und ihre Kompetenzen durch Weiterbildungen und Mentoringprogramme ausgebaut werden.