Rausschmiss nach dem Abspann

Aus für das Marmorhaus und seine Beschäftigten

Das Marmorhaus am Berliner Kudamm wurde geschlossen. Nach den letzten Vorstellungen am 24. Januar gab es für die Kinomitarbeiter blaue Briefe.Am Vormittag des 25. Januar teilte ein Anwalt der Geschäftsführung allen Mitarbeitern und dem Betriebsrat Marc-Oliver Renner mit, dass insgesamt 14 der 19 Beschäftigten betriebsbedingt gekündigt werden. Lediglich Schwangere, die Kinoleiter und der Betriebsrat werden davon ausgenommen. Dies war eine Überraschung, weil die Geschäftsführung für diesen Tag eigentlich den Beschäftigten und den ebenfalls in Berlin anwesenden Mitgliedern des Gesamtbetriebsrates der UFA Theater GmbH die Aufnahme von Sozialplan/Interessenausgleichsverhandlungen erläutern wollte. Doch statt darüber zu reden, wer in welches andere Berliner Kino des Unternehmens oder den im Frühjahr öffnenden Kinoneubau am Alex übernommen wird, droht den meisten langjährigen Kinomitarbeitern die Arbeitslosigkeit. Am 29. Januar haben Peter Völker und Manfred Moos vom Hauptvorstand der IG Medien bei der Geschäftsführung der UFA ihren scharfen Protest zum Ausdruck gebracht. Am gleichen Tage haben am Rande des Richtfestes für den Kinoneubau am Alex die Kollegen aus dem Marmorhaus unterstützt von weiteren Berliner Kinokollegen für ihre Weiterbeschäftigung demonstriert (siehe Foto S. 3). Unter dem Motto „Ungerechtigkeit Folgt Arbeitslosigkeit“ sollte die anwesende Geschäftsführung zu einem Überdenken ihrer bisherigen sozial unverantwortlichen Entscheidung bewegt werden.

Das Kino Marmorhaus galt als eines der traditionsreichsten der Stadt. Seit seiner Eröffnung 1913 hat dieses Haus sämtliche Entwicklungen der Film- und Kinogeschichte miterlebt und war für viele Bewohner West-Berlins eine lebendige Erinnerung an glamouröse Filmpremieren und Festivals. Aus diesem Grund steht das Kinogebäude Marmorhaus unter Denkmalschutz. Noch im Jahre 1997 wurden deshalb mit erheblichem finanziellen Aufwand sowohl der große Saal als auch die kleineren Säle sowie das Foyer von den Eigentümern renoviert. Danach bot das Haus eine Kombination aus traditionellem Kinocharme und moderner technischer Ausstattung, also beste Voraussetzungen, um den anspruchsvollen Kinoliebhaber anzuziehen. Doch statt sich gezielt um ein Filmprogramm für diese Zielgruppe zu bemühen, wurden zumeist nur abgelegte Filme aus anderen UFA-Kinos oder auch schon mal Kinderfilme in Spätvorstellungen gespielt. Bei den Mitarbeitern haben die Spielpläne ihres Kinos allwöchentlich zu Unverständnis geführt, und der Betriebsrat hat diesen Mangel auch offen gegenüber der Geschäftsleitung moniert. Doch der Erhalt des Kinos schien dadurch nicht bedroht, denn auch in anderen Großstädten ist zu beobachten, dass die traditionellen Kinos als sogenannte Nachspielstätten für Multiplexware herhalten müssen. So zeigte sich jetzt, als lediglich knapp zwei Wochen vor der endgültigen Schließung der Tag der letzten Vorstellung bekannt gegeben wurde, sogar der Bezirksbürgermeister Statzkowki überrascht; war ihm doch noch im Herbst 2000 vom Eigentümer der UFA Theater AG der Erhalt des Kinos im Marmorhaus „versprochen“ worden. Doch alle öffentlichen Proteste der Mitarbeiter, des Interessenverbandes Citywest, des Bezirks und auch die Unterschriften von Hunderten Besuchern konnten in dieser kurzen Zeit nicht mehr die Pläne des Eigentümers umstoßen. Doch dass dies zur Entlassung der Mitarbeiter führen soll, ist für die meisten Kenner der Szene eine entsetzliche Überraschung. Die Kollegen aus dem Marmorhaus werden weiterhin mit allen Mitteln gegen ihre drohende Arbeitslosigkeit kämpfen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »