Rechtepoker

Auf der Suche nach dem investigativen Journalismus im Sport

Formel 1 und Boxen gelten dem Fernsehen aufgrund der hohen Rechtekosten längst als Luxusprodukt. Dies trifft erst recht auf der Deutschen Lieblingssportart zu, den Fußball. Am runden Leder lassen sich besonders gut die fatalen Auswirkungen einer zunehmenden Kommerzialisierung des Sports auf die TV-Berichterstattung ablesen. Um das Verhältnis vonFußball und TV kreiste unlängst eine Tagung des Marler Grimme-Instituts.

Das Medium Fernsehen und der Sport verdanken sich gegenseitig sehr viel. Ohne die Investitionen der Sender beim Rechtepoker stünde der Profifußball längst nicht da, wo er jetzt steht – auch wenn die Bundesliga gern auf die noch paradiesischeren Verhältnisse in Südeuropa oder auch England verweist. Durch das Fernsehen, so der Medienwissenschaftler Dietrich Leder, sei der Fußball „von der Populärkultur zur Popkultur“ mutiert. Der Sport passe sich der eventmäßig aufgezogenen Inszenierungen an: mit Stars, die gern auch mal ihre Gattinnen auf der Tribüne präsentieren, mit Spielern, die nach geglücktem Torschuss nicht mehr zum Fanblock, sondern zur Eckfahne stürzen, dorthin, wo die Kameras warten.
Auch das Medium zeigt sich anpassungsfähig: Um das Produkt Fußball nicht zu beschädigen, wird alles Sperrige, Kritiklastige eliminiert. So finden Doping, Rassismus oder schlechter Fußball in den elektronischen Medien offiziell nicht oder zumindest äußerst selten statt. Zwar sei weder „ran“ damals, noch die „Sportschau“ heute, komplett unkritisch (gewesen). Doch im Aufmerksamkeitswettbewerb um den Zuschauer und im Interesse der Sponsoren verwandelt sich das soeben noch als „Gurkenspiel“ abqualifizierte Match spätestens in Trailer vor der Werbepause in den „heldenhaften Kampf gegen den Abstieg“. Was dazu führt, dass hohe Erwartungen der Zuschauer regelmäßig durch einen veritablen Gurken-Kick enttäuscht werden.
Der Fußball als Ware erfordert eine entsprechende Verpackung. Das kostbare Gut wird, so die gängige Kritik, im Fernsehen bis zum Exzess breit getreten und ausgelutscht: Durch Gewinnspiele, Werbeinseln, Kurznachrichten und manches mehr. Dazwischen gelegentlich ein paar Spurenelemente Sport. Auch die ARD sah sich vor einigen Monaten – kurz vor der Entscheidung in Sachen Bundesliga-TV-Rechte mit dem Vorwurf konfrontiert, der Ball rolle nicht genügend in der „Sportschau“. Auch wenn da ein paar Professoren mit fragwürdigem Zahlenmaterial jonglierten. Der gefühlte Anteil von wirklichem Fußball ist gering. Geringer jedenfalls, als die Summe aus Berichtschnipseln, Archivaufnahmen, „Tor des Monats“ und den unsäglichen „Mixed-Zone“-Interviews ergibt.

Wenn Skandale am Lack der Bundesliga kratzen

Manch einer denkt wehmütig an die Zeiten, in denen der Sport nicht nur als stundenlanges Live-Event plus Nachberichterstattung abgefeiert wurde. An Zeiten, da Sendungen wie der ZDF-„Sportspiegel“ oder das ARD-Magazin „Sport unter der Lupe“ Hintergründiges etwa zu Doping oder Korruption aufdeckten. Gibt es ihn heute überhaupt noch, den investigativen Journalismus im Sport? Immerhin hatten doch Kollegen vom Kicker und der Süddeutschen Zeitung die dunklen Finanzmachenschaften bei Borussia Dortmund aufgedeckt. Revier-Original Werner Hansch hat da so seine Zweifel. Er gehe nicht davon aus, das die beteiligten Reporter die brisanten Unterlagen „bei einem nächtlichen Einbruch in der Geschäftsstelle des BVB gefunden“ hätten. Vermutlich seien die beiden Kollegen von Beginn an „gezielt aus der innersten Führungsetage des Bundesligisten informiert“ worden.
Wie dem auch sei: ARD und ZDF geben sich bei den von ihnen promoteten Events jedenfalls äußerst zurückhaltend, wenn sich ein Schatten über den Sport legt. Das gilt für Drogenexzesse bei der Tour de France ebenso wie für die im Stil von Gladiatorenkämpfen inszenierten Faustkämpfe, deren Niveau gelegentlich den Beigeschmack von Kirmes-Preisboxen hat.
Wenn Bestechungs- und Wettskandale am Lack der Bundesliga kratzen, leidet darunter auch die Verkäuflichkeit der Ware Fußball. Sollte man meinen. Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, sieht das nicht so verkniffen. In Deutschland neige man dazu, nur die Kratzer zu sehen und darüber den intakten Lack zu vergessen. Nach dem Hoyzer-Skandal sei sogar prognostiziert worden, es werde zehn Jahre dauern, bis sich der Fußball wieder erholt habe. Nichts davon sei eingetroffen. „Die Bundesliga als Marke wird immer größer sein als ein einzelner Klub, als einzelne Akteure, als Manager, als Trainer oder was auch immer“, so Seifert. Kulturkritiker mögen angesichts der Vergesslichkeit fußballbegeisterter Massen verzagen.
So erscheint der Kampf gegen die Kommerzialisierung des Sports, namentlich des Fußballs und die entsprechende TV-Inszenierungspraxis als permanenter Ritt gegen Windmühlenflügel. Selbst ein Kritiker kommerzieller Auswüchse wie WDR-Radioreporter Manni Breuckmann sieht sich zu Zugeständnissen genötigt. Sponsorennamen, so wetterte er in Marl, kommen ihm nicht über die Lippen. Aber auch bei ihm hieß die kommende WM bis vor kurzem „FIFA WM“ – „weil uns die FIFA dazu gezwungen hat“.

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