Rechtzeitig betriebliche Vereinbarungen treffen

Gespräch mit Ryczard Podkalicki, Betriebsratsvorsitzender bei SAT.1, über Handlungsspielräume.
Ende August hat SAT.1 sein neues Medienzentrum in Berlin eröffnet, in dem bis Mitte 2000 Kernbereiche des Unternehmens konzentriert werden. Lief beim Umzug der verschiedenen Abteilungen alles glatt?

Podkalicki: Wenn mehrere über ganz Deutschland verstreute Standorte wie bei unserem Sender auf einen konzentriert werden, bringt das natürlich Härten für viele Hundert Beschäftigte mit sich. Zumal, wenn sich der Umzug über etliche Jahre hinzieht. Ohne Reibungen geht das nicht ab: Die Frage ist nur, was kann der Betriebsrat als Interessenvertretung aller Mitarbeiter zu allseits akzeptablen Lösungen beitragen.

Was haben denn Betriebsräte, der Konzern- und der Gesamtbetriebsrat im konkreten Fall von SAT.1 unternommen?

Podkalicki: Bereits vor vier Jahren ist der Nachrichtenbereich von Hamburg nach Berlin gezogen, da hat es leider eine ganze Reihe von Entlassungen vor allem bei Technik-Mitarbeitern gegeben. Etwas besser lief es bei den Umzügen einiger Abteilungen von Mainz, des Sportbereichs und des Bonner Büros nach Berlin. In jedem Fall wurden zwischen Geschäftsleitung und Betriebsräten vergleichsweise gute Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne abgeschlossen. Zugleich sind wir auch bei den Neueinstellungen von Personal in Berlin beteiligt, genau so wie bei den Auslagerungen von SAT.1-Abteilungen bzw. der Eingliederung von Tochterfirmen.

Welche Erfahrungen haben die SAT.1-Betriebsräte dabei gemacht und was kann man Interessenvertretungen anderer Unternehmen in dieser Lage raten?

Podkalicki: Auf alle Fälle rechtzeitig reagieren und die rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Wichtig ist auch die Konsultation von Experten bei den Gewerkschaften. Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben wir dann mit der Geschäftsleitung sehr gute Lösungen gefunden, die im Interesse von SAT.1 wie auch der Beschäftigten sind. Für jeden aufgelösten Standort gab es spezifische Vereinbarungen, die von den materiellen Bedingungen sehr gut und sozial ausgewogen waren. Sind sehr viele Mitarbeiter mit umgezogen, haben wir den Schwerpunkt auf Umzugsleistungen gelegt, im anderen Fall standen Abfindungen im Mittelpunkt.

Sind alle Probleme für die SAT.1-Betriebsräte inzwischen gelöst?

Podkalicki: Noch nicht alle, denn der Zuzug ins Medienzentrum wird erst Mitte 2000 abgeschlossen sein. Stieg die Zahl der Beschäftigten in Berlin von früher 250 auf derzeit über 650, werden wir am Ende fast 1000 Mitarbeiter sein. Da die Zentrale weiter ausgebaut und mit moderner Technik eingerichtet wird, geht es derzeit mehr um Alltagsprobleme wie Zugangskontrolle und Videoüberwachung, Arbeitsplatzergonomie und Arbeitszeitregeln. Bei der SAT.1 Berlin Produktion GmbH ist inzwischen ein Betriebsrats gewählt worden und in der ausgelagerten Verkaufsabteilung Sales & Services stehen Betriebsratswahlen an. Das Weitergelten der SAT.1-Tarifbedingungen bzw. der Betriebsvereinbarungen ist über den Betriebsübergang gesichert.

Im Zuge des Scheinselbständigengesetzes hat die Geschäftsleitung um die 30 Freien Arbeitsverträge als Feste angeboten. Da es auch weiter Außenstellen geben wird, ist es genau so wie für das Unternehmen auch für die verschiedenen Interessenvertretungen wichtig, daß wir uns auf der Ebene Konzern- und Gesamtbetriebsrat in neuen Strukturen zusammen finden.


  • Das Interview führte Holger Wenk
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »