Dass die klassisch-romantische Musik vor allem bei jungen Leuten immer weniger Anklang findet, ist nicht neu. Aber diese Entwicklung nimmt bedenkliche Ausmaße an. Denn während engagierte Autoritäten wie Simon Rattle mit seinen Education-Projekten („Rhythm is it!“) oder Daniel Barenboim mit seinem Berliner Musik-Kindergarten angestrengt gegen die Krise angehen, regen sich neuerdings kontraproduktive Kräfte im Kino: So rangiert unter den Nominierungen für den Deutschen Filmpreis ausgerechnet ein Film ganz oben, der mit seinem schlechten Geschmack geradezu eindrischt auf die deutsche Klassik: „Vier Minuten“, ein Kammerspiel zwischen einer altmodischen Pianistin, die in einem Frauengefängnis (!) – obendrein noch ausgerechnet im provinziellen brandenburgischen Luckau (!) – unterrichtet und einem jungen Talent, das sie dort entdeckt.
Schon die Geschichte selbst ist höchst unrealistisch und skurril. Schlimmer aber ist die Regie-Handschrift eines Banausen.
Am Ende hebt „eine fantastische Musik … an, gegen die Schumann wie Müll wirkt“: So diffamiert Chris Kraus im Presseheft Schumanns A-Moll-Konzert. Ausgewählt hat er es, „weil der Anfang ziemlich lächerlich klingt“. Im Film drückt sich das in den Äußerungen seiner jungen, musikalisch recht unbedarft wirkenden und ebenfalls für einen Filmpreis nominierten Hauptdarstellerin Hannah Herzsprung aus, der man anmerkt, dass sie sich allenfalls mit einem einwöchigen Klavier-Crashkurs auf die Dreharbeiten vorbereitet hat: „Ich dresch mir diesen Scheiß-Schumann rein, bis der mir aus den Ohren quillt. Jetzt bleiben sie cool, wenn ich mal was richtig Gutes spiele“. Richtige Hochbegabte wie der 12-jährige Jungpianist Teo Gheorghiu, der in dem ungleich besseren Film „Vitus“ von Fredi M. Murer ebenfalls das Schumann-Konzert interpretiert, lieben die deutsche Romantik.
In „Vier Minuten“ lässt Jenny das verhasste Stück – übrigens ohne Orchester (!) – nach ein paar Takten in ein scheußliches Geklimper aus Rock und Avantgarde explodieren. Der Riesenapplaus, den sie dafür erntet, ist ebenso beschämend wie das nahezu einhellige hohe Kritikerlob für das undefinierbare Gestümper, das im Los Angeles Journal gar als „phänomenale, radikale Schumann-Bearbeitung“ gewürdigt wurde. Auch in Medienkreisen ist es offenbar um die musische Bildung miserabel bestellt, was sich etwa auch auf einer Pressekonferenz der jüngsten Berlinale bestätigte, wo sich folgender Dialog um Christoph Petzolds „Yella“ entspann: „Warum haben Sie Beethovens abgeleierte Mondscheinsonate eingesetzt?“ Petzold: „Solch banale Stücke sind halt Bestandteil unserer Hotelkultur“. Wenn denn wenigstens der neue Beethovenfilm „Klang der Stille“ Hand und Fuß hätte. Der aber verfälscht die Musikgeschichte, strotzt nur so vor simplen Dialogen, lässt kein Klischee aus und macht zu guter Letzt Beethoven unbeabsichtigt zur Karikatur. Damit sind wir kulturell im Keller angelangt. Von wegen „Freude schöner Götterfunken“ …