Politischer Streit um die Zukunft des SWR-Jugendradios
Nachdem die CDU/FDP-Landesregierung in Baden-Württemberg am 3. Mai den Gesetzentwurf zur Novellierung des Landesmediengesetzes verabschiedet hat, mit dem ein landesweites kommerzielles Jugendradio eingeführt werden soll, verschärft sich gleichzeitig der politische Streit um die Zukunft des digitalen Jugendradios DasDing des Südwestrundfunks (SWR).
Der SWR möchte die bisher nur per Satellit und im Internet empfangbare Jugendwelle in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auch über terrestrisch empfangbare UKW-Frequenzen verbreiten. Für eine flächendeckende Ausstrahlung müßte aber der SWR-Staatsvertrag durch beide Vertragsländer geändert werden, da er dem SWR nur vier Hörfunkwellen erlaubt. Bisher gibt es mit dem Kulturprogramm SWR 2 und der Pop-Welle SWR 3 zwei gemeinsame Programme für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Dazu kommen noch mit SWR 4 und SWR 1 jeweils zwei, für beide Länder getrennt veranstaltete Regionalprogramme und Informationswellen.
Der CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs, Erwin Teufel, lehnt aber eine weitere SWR-Welle ab. Am 4. Mai erklärte er in Stuttgart vor der Presse: „Der SWR kann eine solche Jugendwelle gerne machen. Aber er soll sie im Rahmen der vorhandenen vier Programme realisieren.“ Dazu müsse der Sender nur seine vorhandenen „Ressourcen besser nutzen“ – sprich – die Programme verjüngen. Teufel nutzte seinen Auftritt in Stuttgart auch zu einem generellen Angriff gegen die öffentlich-rechtliche Hörfunkstruktur in Deutschland. Bei insgesamt 54 öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogrammen im Bundesgebiet frage er sich: „Wie weit wollen die das noch treiben. (…) Die Sache wird langsam pervers.“
Umgehend nahm sein CDU-Parteifreund und SWR-Intendant, Peter Voß diese Kampfansage auf. In einer Presseerklärung am 5. Mai wetterte er: Ausgerechnet ein erklärter Wertkonservativer wie Erwin Teufel rede jetzt faktisch nur noch kommerziellen Interessen das Wort. Außerdem verschweige der CDU-Ministerpräsident, daß den 54 ARD-Radiowellen insgesamt 200 kommerzielle Programme in der Bundesrepublik gegenüberstünden. Voß warnte die Landesregierung, daß jetzt eine juristische Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über Das Ding „kaum noch vermieden werden“ könne.
Der Konflikt bahnte sich schon seit längerem an, denn bereits nach der Unterzeichnung des SWR-Staatsvertrages am 15. April 1998 in Mannheim durch die Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Erwin Teufel (CDU) und Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD) hatte man beim SWR Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der festgelegten Programmzahl geäußert. Der SWR-Intendant wollte damals aber vor einer Klage erst einmal die Entwicklung abwarten. Als dann die CDU-FDP-Regierung in Stuttgart Anfang Februar ihre Novellierung zum Landesmediengesetz vorlegte, fand sich im Begründungsteil eine Passage, die die SWR-Verantwortlichen auf die Barrikaden trieb. Dort hieß es zum privaten Jugendradio: „Damit soll erstmals in Baden-Württemberg die genannte Zielgruppe mit einem speziellen Programm angesprochen werden können, das in dieser Form mangels Grundversorgungsqualität vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht veranstaltet wird“ – auf Deutsch gesagt: eine Jugendwelle gehört nicht zum öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrag.
Provokation im Gesetzentwurf
Im Gegenzug verabschiedete der SWR-Rundfunkrat am 5. März einstimmig eine Resolution: „Der Rundfunkrat des SWR hält ein öffentlich-rechtliches ,Jugendradio‘ im Sendegebiet des SWR (…) für erforderlich.“ Dadurch fühlte sich Intendant Voß gestärkt, trugen doch immerhin auch die CDU- und FDP-Vertreter aus Baden-Württemberg diesen Beschluß mit.
Um dem SWR-Chef zu zeigen, wie stark man sich in der Staatskanzlei fühlt, hat man in der vom Kabinett verabschiedeten Novellierung zum Landesmediengesetz die vom SWR kritisierte Passage über den Grundversorgungsauftrag bei der Jugendwelle beibehalten. Dabei hatte der Leiter des Medienreferats der Staatskanzlei Baden-Württembergs, Rudolf Kühner, noch am 23. April erklärt, daß dieser Teil der Begründung ersatzlos gestrichen werde.
Ob es nun zum Showdown in Karlsruhe kommt, muß abgewartet werden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck hat sich mittlerweile für eine terrestrische Verbreitung von DasDing ausgesprochen, er hält dies auch ohne eine Änderung des Staatsvertrages für möglich. Man könnte einfach das SWR-Jugendradio zum im Staatsvertrag erlaubten „Multimedia-Zusatzangebot“ deklarieren und dazu die Nutzung einiger UKW-Frequenzen in wichtigen Ballungsräumen beider Bundesländer zulassen. Dies würde wohl auch vom SWR akzeptiert werden.
Andererseits bekommt SWR-Intendant Voß jetzt anscheinend Unterstützung für eine verfassungsrechtliche Klärung durch seine ARD-Kollegen. Auf ihrer Intendantensitzung am 19. und 20. April in Berlin sollen sie Voß jedenfalls zum Gang nach Karlsruhe ermuntert haben. Die Frage, ob Staatsverträge die Zahl der öffentlich-rechtlichen Programmangebote begrenzen dürfen, ist nämlich auch in einem anderen Zusammenhang interessant. Die Ministerpräsidenten haben auf ihrer Frühjahrssitzung in Bonn am 15. April auch über die Verteilung der Kabelkanäle im digitalen Fernsehen entschieden. Dabei müssen öffentlich-rechtliche Programmangebote im digitalen TV-Bouquet, die über das bisherige Programmangebot hinausgehen, ebenfalls staatsvertraglich geregelt werden.
Aber vielleicht kommt es nicht zum Äußersten, denn immerhin verschickte die SWR-Pressestelle am 5. Mai zusammen mit der Erklärung des Intendanten zu Teufel eine weitere Pressemitteilung: Peter Voß bleibt Mitglied des CDU-Medienrats …