Spaß an der Erotik des Machens

Medienfrauen trafen sich beim Bayerischen Rundfunk

Zum 29. Mal trafen sich Medienfrauen aus allen ARD-Sendern, dem ZDF und dem Österreichischen Rundfunk (ORF) Mitte Oktober, um über Arbeitsbedingungen und Karrierechancen von Frauen im Rundfunk zu diskutieren. „Macht und Vorurteil“, so das Thema im Haus des Bayerischen Rundfunks (BR) in München.

Dass Frauen defizitäre Wesen sind, war in der Frühzeit des Rundfunks vorherrschende Männermeinung. Im Radio zum Beispiel durften sie nicht mal ihre eigenen Texte selbst sprechen. Frauenstimmen galten als unseriös, dem Publikum nicht zumutbar, wie BR-Hörfunk-Chefredakteurin Mercedes Riederer in ihrer Grußansprache an die rund 300 versammelten Medienfrauen aus eigener Erfahrung zu berichten wusste.
„Macht und Vorurteil“ kommen heute zwar weniger plump daher, aber wirksam sind sie weiterhin, wie das Treffen sehr deutlich machte. ‚Macht‘ allerdings wollen die Medienfrauen mit Blick auf die Zukunft keineswegs nur männlich definiert sehen, denn „Macht“, so die frühere Ministerpräsidentin Heide Simonis bei einer Diskussion zum Thema „ist nichts Unanständiges, sie ist schlicht die Voraussetzung dafür, etwas zu ändern!“
Nicht nur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude „Männerreser­vate mit vielen weiblichen Aushängeschildern.“ In seiner Begrüßung warnte er vor „Überdruss am lästigen Thema Geschlechtergerechtigkeit“, dessen „angebliche Erledigung von vielen Männern und manchen erfolgreichen Frauen“ gepredigt werde. Die „Spanne weiblicher Macht“; so merkte die Gleichstellungsbeauftragte des BR, Edith Fuchs-Leier, zur Eröffnung kritisch an, „liegt heute zwischen Merkel und Herman“. Angesichts des von der ehemaligen ARD-Sprecherin proklamierten rück­wärtsgewandten Frauenbildes fügte sie hinzu, dass das seit nunmehr 20 Jahren aktive Frauennetzwerk des Senders von jungen Kolleginnen oft als „Netzwerk der Machtlosen“ kritisiert werde, trotz nachweislicher gleich­stellungspolitischer Erfolge. Allerdings wusste der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Thomas Gruber beim traditionellen Empfang diese sehr wohl zu würdigen. Es bleibe aber, so Gruber, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch „viel zu tun, damit die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen beruflichen Bereichen und auf allen hierarchischen Ebenen Wirklichkeit wird.“
Wie recht der Intendant hat, bestätigten die Berichte der Frauen-Netzwerke aus den Sendern. Ganz oben ist die Luft immer noch dünn für Frauen: Ihr Anteil steigt zwar, aber die „Definitionshoheit haben weiterhin Männer“. „Eine Intendantin ist nicht genug“, meinten die Medienfrauen und forderten mit Blick auf die anstehenden Wahlen in mehreren Rundfunkanstalten deren Rundfunkrätinnen und -räte auf, für „mehr Intendantinnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ zu sorgen, denn „profilierte Anwärterinnen gibt es genug!“

Kinderbetreuung in den Sendern

Sorgen bereiten den Medienfrauen vor allem die rundfunkstaatsvertraglich verordneten Gebührenausfälle, die den Sendern massive Sparmaßnahmen aufzwingen. Die Folgen: Einstellungsstopp, Personalabbau und „dramatische Einschnitte im Programm“, Umstrukturierungen, Produktionsausgliederung, Arbeitsverdichtung und Angst um den Arbeitsplatz, „bedrohliche Entwicklungen“, die „nicht gut für die Gleichstellung sind“.
Nicht zuletzt deshalb setzen sich die Frauennetzwerke mit Nachdruck für Maßnahmen zur Vereinbarung von Beruf und Familie ein. In mehreren Sendern gibt es inzwischen Kinderbetreuung, nach jahrelangem Drängen ab Frühjahr 2007 endlich auch für das BR-Funkhaus. Und beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) werden sogar „Veranstaltungen zur Vereinbarkeitsthematik aus Vätersicht“ angeboten.
Immer eindringlicher fordern die Netzwerk-Frauen Maßnahmen zur Verwirk­lichung von Geschlechtergerechtigkeit: „Ab sofort muss der gender-Gedanke in alle das Unternehmen betreffenden Projekte einbezogen werden, er muss sys­tematisch verinnerlicht werden.“ Gender und diversity sollen in den Leitlinien der Sender berücksichtigt und schon während der Ausbildung thematisiert werden. Ein „Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache“ wurde bereits erarbeitet. Und Mentoring-Programme sollen helfen, mehr „Frauen in Führung“ zu bringen.
Aber nicht nur die Organisation ‚öffentlich-rechtlicher Rundfunk‘ soll sich geschlechterdemokratisch ausrichten, son­dern auch ihr Programm. Sinnbild dieses Anliegens ist die „Saure Gurke“ , die jährlich für ein prägnantes Beispiel frauenfeindlichen Fernsehens verliehen wird. In diesem Jahr gewann die im Ersten ausgestrahlte „Große Show der Naturwunder“. Die Zuschauerin, so die Jury, „registriert beglückt, was sich an Frauenkörpern alles erklären lässt, wenn sie spärlich bekleidet sind oder in der Badewanne sitzen“.
„Als Journalistinnen haben wir die Chance auf das Bild von Frauen in den Medien einzuwirken“, deshalb dürfe der, „wichtige Bereich des Machens“ nicht den Männern überlassen bleiben“, empfahl Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer. „Fin­den Sie Spaß an der Erotik des Machens!“ rief sie den Medienfrauen zu. Wie das geht? Sich nicht „bei jeder Kritik umfassend in Frage stellen“, auf „anstrengendes Rivalisieren“ verzichten, Kritik unterei­nander pflegen, sich gegen Einschüchterung und Ausgrenzung zur Wehr setzen, „alle bisher an Männer delegierten Frei­heiten nutzen und dabei die anderen Frauen nicht vergessen“, sich fragen „Wer bin ich, was kann ich? Und in diesem Rahmen maximal agieren!“

Informationen: www.medienfrauentreffen.de

 

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