Tagesschau App war 2011 „presseähnlich“ und deshalb unzulässig

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Im jahrelangen Rechtsstreit um die Tageschau App hat das Oberlandesgericht Köln am 30. September zugunsten der Zeitungsverlage gegen die ARD entschieden. Die Richter haben die vom NDR verantwortete App als „presseähnlich“ und damit als nicht zulässig eingestuft. Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender, bedauert diese Entscheidung: „Mit dem Urteil wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk dafür bestraft, dass er seinen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern ein angemessenes Angebot im Internet zur Verfügung stellt. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags nicht mehr zeitgemäß sind und überarbeitet werden müssen.“

Mit dem Urteil verbietet das Oberlandesgericht Köln den ARD-Sendern, die App in dieser Form zu verbreiten. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Damit hatte die Klage von elf deutschen Zeitungsverlagen, darunter Axel Springer, die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH und die Funke Mediengruppe, weitgehend Erfolg. Das OLG hatte die Klage zunächst abgewiesen und die App für rechtmäßig erklärt. Daraufhin folgte der Bundesgerichtshof einer Beschwerde der Verlage gegen das OLG und verwies den Fall an das Gericht zurück.

Die klagenden Zeitungsverlage sahen in der kostenlosen – durch den Rundfunkbeitrag finanzierten – Tagesschau App eine Wettbewerbsverzerrung. Sie bemängelten vor allem die Textanteile in der App, die zusätzlich zu Videos und Audiobeiträgen angeboten würden. Sie machten den Online-Angeboten der Verlage und den gedruckten Zeitungen Konkurrenz. Der NDR, der innerhalb der ARD für alle Angebote der Tagesschau zuständig ist, hatte argumentiert, die Tagesschau müsse auf allen relevanten Endgeräten präsent sein. Zudem sei die App kein eigenständiges Angebot, sondern nur ein Ausspielweg für Inhalte, die ohnehin auf tagesschau.de zu sehen sind. tagesschau.de sei nach entsprechender Prüfung genehmigt worden, was damit auch für die App gelte. Außerdem sei die App aufgrund der zahlreichen Video- und Audio-Inhalte nicht presseähnlich.

„Das nun gefällte Urteil hat aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf die aktuelle Tagesschau App die zwischenzeitlich überarbeitet worden war“, sagt Michael Kühn, Justitiar des NDR. „Der an einigen Stellen bemängelte, fehlende Bezug der Texte auf Sendungen der ARD ist inzwischen vorhanden.“

ver.di fordert, den Sendungsbezug, den ein öffentlich-rechtliches Telemedienangebot aufweisen muss, durch einen weiter gefassten Programmauftragsbezug zu ersetzen. Man könne in einem Medium wie dem Internet, das sich aus Text, Video und Audio zusammensetze, den Öffentlich-Rechtlichen nicht einfach Textangebote streitig machen, erklärte ver.di-Vize Frank Werneke. „Außerdem wird die Verbreitung von Informationen auf Mobilgeräten weiter zunehmen. Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen auch hier ihren journalistischen, kulturellen und unterhaltenden Auftrag erfüllen. Das wird ohne Text nicht gehen. Daher wird es höchste Zeit, den Rundfunkstaatsvertrag an die reale Mediennutzung anzupassen“, so Werneke.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »