Tariferhöhung und Mindestlohn

Schweden: Kompromiss in Fragen Urheberrecht

Schwedische Journalistinnen und Journalisten haben eine deftige Lohnerhöhung von 10 Prozent und einen Mindestlohn erstritten. „Ein großer Erfolg“, meint der Journalistenverband SJF. Aber es gibt auch kritische Stimmen.

Ende August einigte sich der Verband Schwedischer Zeitungsverleger und der SJF über einen neuen Tarifvertrag. Betroffen sind 6.000 Journalistinnen und Journalisten bei Tageszeitungen. Sie werden ab September über mehrere Stufen in den nächsten drei Jahren eine Lohnerhöhung von insgesamt 10,2 Prozent bekommen. Neu ist, dass jeder mit mindestens 15 Berufsjahren bis 2008 einen Mindestlohn von 2.700 Euro erhalten soll.
„Ich bin sehr stolz, dass wir es geschafft haben, den Kolleginnen und Kollegen mit den niedrigsten Löhnen zu helfen“, sagt Agneta Lindblom-Hulthén, Vorsitzende der SJF. „Die mächtige IG Metall Schwedens und andere Gewerkschaften schafften das bisher so nicht“.

Vielfältige Streikaktionen

Allerdings haben die anderen Verbände den Arbeitgebern während der Tarif-Verhandlungen auch nicht mit so umfassenden „Guerilla-Aktionen“ gedroht wie die Journalistengewerkschaft. Mitte August schienen die laufenden Tarifverhandlungen für rund 5.500 Tageszeitungs- und Onlinejournalisten in Schweden zu scheitern. Daraufhin hatte der SJF zu Streikaktionen ausgerufen: Keine Arbeit nach 18 Uhr in vielen Redaktionen, überhaupt keine Arbeit in den Webredaktionen und keinerlei Befassung mit Anzeigen. Auch beim Layout sollte die Produktion der Zeitungen kräftig gestört werden. Die Arbeitgeber drohten ihrerseits mit Aussperrung der Journalisten in über 60 Zeitungsbetrieben. So weit kam es jedoch nicht. Nur wenige Stunden vor dem Inkrafttreten der Maßnahmen gab es am 30. August den neuen Tarifvertrag.

Abschlüsse vor Ort

„Der Vertrag bringt unsere Mitgliedsbetriebe in eine finanziell angespannte Lage“, sagt der Arbeitgebervertreter Björn Svensson in einer Pressemitteilung. „Wir mussten jedoch Schäden des Konfliktes vermeiden“.
In einer Frage waren die Parteien in dieser Tarifrunde besonders weit von einander entfernt: Wie soll die Bezahlung für die weitere Nutzung Texte, Bilder, Videos und Tonaufnahmen von Redakteurinnen und Redakteuren erfolgen? Die Arbeitgeber wollten nur eine Pauschale von 180 bis 200 Euro pro Jahr für die gesamte Werke-Nutzung im Internet bieten, aber sonst nichts. Dagegen wehrte sich die Gewerkschaft. Fast in letzter Minute kam es zum Kompromiss. „Wir überlassen es nun den einzelnen Betriebsleitungen mit der Gewerkschaft vor Ort einen Abschluss auf lokaler Ebene zu schließen. Dabei gibt es die Möglichkeit, sich auf einen höheren Betrag zu einigen“, sagt Agneta Lindblom-Hulthén.
Dazu gibt es natürlich kritische Stimmen in der Gewerkschaftsbasis. So besteht die Meinung, dass ein Erfolg in den Unternehmen nur dort erreicht werden kann, wo die Gewerkschaft sehr stark ist. Bei einer schwachen Gewerkschaftsvertretung haben die Arbeitgeber das Sagen. Am radikalsten sieht das der Journalist Christer Lövkvist vom „Göteborgs-Posten“. Er meint, es wäre besser die Nutzungsrechte gleich vollständig zu verkaufen, aber dafür sehr hohe Löhne einzufordern. „In der Praxis haben wir ja bereits schon jetzt unser Uhrheberrecht verloren“, schreibt er in der SJF-Zeitung „Journalisten“. Lövkvist ist verärgert, weil den Journalisten in der Regel nur eine symbolische Summe bezahlt wird. Als Protest kündigt er sogar seinen Austritt aus der Gewerkschaft an.
„Ich sehe dass ganz anders“, meint Agneta Lindblom-Hulthén. „Die Arbeitgeber wollten uns am liebsten keinen extra Cent geben. Deshalb bedeutet die Lösung mit lokalen Abschlüssen nicht nur eine gute Chance doch etwas rauszuholen, sondern auch die Erhaltung eines wichtigen Prinzips: extra Bezahlung für extra Nutzung. Insofern könnte der Abschluss sogar ein Signal setzen für die Tarifverhandlungen in anderen europäischen Ländern“.
Allerdings macht sich auch die Gewerkschaftsführerin Sorgen um zukünftige Tarifverträge. Der Grund: Der Arbeitsmarkt in Schweden stehe vor einer „Proletarisierung des Berufes“. Jedes Jahr verlassen etwa 1000 neuausgebildete Journalisten die Schwedischen Universitäten und Hochschulen. Der Arbeitsmarkt kann aber höchstens die Hälfte verkraften. Die Schwedische Hochschulbehörde (HSV) gibt ihr Recht: „Der Zugang von Medienausbildenden ist deutlich überdimensioniert“, heißt es in einer Auswertung der Journalistenausbildungen von 2006. „Die Zahl der Ausbildungsplätze müsse verringert werden“.
Die einzelnen Hochschulen tun sich dabei schwer. Wie zuvor stehen junge Menschen Schlange vor den Unis mit dem Wunsch „Irgendwas mit Medien“ zu werden. Die entsprechenden Ausbildungsgelder sind wichtige Einkommensquellen der Unis.

Hoher Organisationsgrad

„Wenn dass so weiter geht, ist fraglich, ob wir zukünftig noch so gute Abschlüsse haben werden wie 2007“, meint Agneta Lindblom-Hulthén. „Die Proletarisierung wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass junge Kollegen sich für den niedrigsten Lohn verkaufen, um überhaupt einen Job in den Medien zu bekommen“. Dabei baut die Journalistengewerkschaft auf den derzeitigen Organisationsgrad von fast 90 Prozent bei den derzeit tätigen Journalisten. Wer weiß, ob das bei den vielen Neulingen ebenso gelingen werde. „Der hohe Organisationsgrad ist jedoch eine absolute Voraussetzung für gute Tarifabschlüsse“, meint die Gewerkschaftschefin.

nach oben