Tiefe Einschnitte bei Radio Bremen

Wegen des gekürzten Finanzausgleichs ist ein Drittel der RB-Planstellen bedroht

Als sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer im November in Bremen trafen, um die Halbierung des ARD-Finanzausgleichs bis Ende 2005 zu beschließen, da postierte sich vor der Tür eine IG-Medien-Mahnwache mit dem Transparent „Politiker vernichten Arbeitsplätze“ (siehe M 12/99). Die Befürchtung war nicht übertrieben: Wegen des schrittweise schrumpfenden Geldtransfers wird Radio Bremen (RB) bis zu 200 seiner über 600 Planstellen streichen. Außerdem entfallen unzählige Aufträge für Freie.

Das sieht jedenfalls ein Sparkonzept vor, das der neue RB-Intendant Heinz Glässgen jetzt in Grundzügen vorgelegt hat – in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Roland Berger und nach wochenlangen hausinternen Diskussionen.

Laut Konzept reduziert RB sein selbst produziertes Programmangebot und seine Zulieferungen zum Ersten Fernsehprogramm und zu N 3. 3sat wird womöglich gar nicht mehr aus Bremen beliefert. Als unverzichtbar gelten dagegen Sendungen wie „3 nach 9“, „Tatort“ oder „Unter deutschen Dächern“ – und das erfolgreiche Regionalprogramm „buten & binnen“.

Im Hörfunk erwägt Intendant Glässgen, dass die angesehene Kulturwelle „RB 2“, die schon mit dem WDR-„Funkhaus Europa“ kooperiert, zeitweise Sendungen vom DeutschlandRadio übernimmt. Die Pop- und Schlagerprogramme „Hansawelle“ und „RB 3 Melodie“ könnten zur „Hansa-Melodie“ fusionieren. Die eine Frequenz, die dadurch frei wird, ist für ein gemeinsames „Nordwest-Radio“ mit dem NDR gedacht. Je nach Finanzentwicklung würde die Jugendwelle „RB 4“ entweder zu „Bremen Live“ umfirmieren oder durch eine Übernahme der SWR-Welle „Das Ding“ mit Bremer Fenster abgelöst.

Das zu erwartende 50-Millionen-Defizit (bei einem Jahresetat von 190 Millionen) soll laut Glässgen zur Hälfte durch solche Programm- und Honorareinsparungen und zur Hälfte durch Stellenabbau ausgeglichen werden. Betriebsbedingte Kündigungen will er „so weit wie möglich“ vermeiden. Neben Abfindungen, Frühpensionierungen und vermehrter Teilzeitarbeit erwägt der Intendant auch Umschulungen, Existenzgründungshilfen und die Aufgabenverlagerung auf künftige Tochterfirmen.

Die Kürzung des Finanzausgleichs hat den Sender laut Glässgen in die „dramatischste Lage seiner 50-jährigen Geschichte“ versetzt. Allerdings sieht er auch hausgemachte Probleme. Bei seinem Amtsantritt im Herbst 1999 habe er sich wie ein Fahrer ohne Lenkrad gefühlt, weil wichtige Kontroll- und Steuerungsinstrumente gefehlt hätten. Außerdem beanstandete er Führungsmängel, uneffektiven Personaleinsatz und in Teilbereichen Überkapazitäten.

Bei den Beschäftigten herrscht nach Aussage eines Gewerkschafters eine gemischte Stimmung. Die einen sagen: „Endlich passiert was!“, während die anderen befürchten: „Uns kann sowieso keiner mehr helfen!“

Der IG-Medien-Betriebsverband sieht die Finanzmisere und trägt den geplanten Stellenabbau mit, wenn er denn sozialverträglich abläuft. „Vorurteilsfrei und tabulos“ müsse jetzt über intelligente Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden, findet der Verbandsvorstand. Falls es zur Gründung von Tochterfirmen käme, müssten die bisherigen RB-Tarifverträge gelten. „Gehaltsdumping darf es auf keinen Fall geben.“ Sein Wort in Glässgens Ohr!

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