Der Wahlkampf: Was macht Sinn? Was kommt an? Wissenschaftler der Uni Hohenheim beobachten das Zusammenspiel von Parteien, Kandidaten und Wählern. Frank Brettschneider beleuchtet für M bis zum Wahltag am 24. September fünf Themen. Heute: TV-Duell. Am 3. September werden sich Angela Merkel und Martin Schulz zum „TV-Duell“ treffen. Viel Überraschendes ist nicht zu erwarten.
TV-Duelle sind eines der wichtigsten Ereignisse in modernen Medienwahlkämpfen. Vor Bundestagswahlen haben sie sich zwischen den Spitzenkandidaten inzwischen fest etabliert. Sie erreichen zahlreiche Wahlberechtigte. Beim letzten TV-Duell zur Bundestagswahl 2013 waren es über alle vier Sender hinweg insgesamt 17,6 Millionen Zuschauer. Neben den politisch Interessierten und den Parteianhängern werden TV-Duelle auch von denjenigen Wählerinnen und Wählern wahrgenommen, die über geringeres politisches Interesse und Wissen verfügen und die sich seltener über Politik informieren. Oft setzen sie sich durch das TV-Duell zum ersten Mal intensiver mit den Positionen der Parteien auseinander.
In TV-Duellen findet der Wahlkampf wie unter einem Brennglas statt. Kein anderes einzelnes Ereignis im Wahlkampf erreicht so viele Menschen wie das TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten. Und keine andere Plattform bietet den Spitzenkandidaten eine solch herausragende Kommunikations-Chance. Sie können auf diesem Weg Anhänger mobilisieren und Unentschiedene von sich überzeugen.
TV-Duelle können sich auf das Wissen, die Einstellungen und unter Umständen auch auf die Wahlabsicht der Wählerinnen und Wähler auswirken. Die Wirkung des TV-Duells hängt von seinem Verlauf und von den Voreinstellungen der Zuschauer ab. Diejenigen Zuschauer, die parteipolitisch weitgehend festgelegt sind, ändern ihre Meinung aufgrund des TV-Duells in der Regel nicht. Im Gegenteil: Sie nehmen das Geschehen durch ihre „parteipolitische Brille“ wahr und werden in ihren Auffassungen sogar noch bestärkt. Die unentschiedenen Wählerinnen und Wähler hingegen können durch TV-Duelle leichter beeinflusst werden. Sie orientieren sich dann an der wahrgenommenen Problemlösekompetenz der Kandidaten sowie an deren Führungsstärke und an ihrer Vertrauenswürdigkeit.
Den Spitzenkandidaten kommt als Gesicht und Stimme ihrer Parteien eine besondere Bedeutung bei der Vermittlung von Themen und politischen Positionen zu. Die stärksten Effekte des TV-Duells zeigen sich bei den Kandidatenimages und bei der Bewertung der Kandidaten. Die Partei-Bewertungen werden hingegen vom Debattenverlauf weniger beeinflusst. Das Gleiche gilt für die Wahlabsicht. Aber bei einem knappen Wahlausgang kann ein TV-Duell durchaus die Wahl entscheiden – wie vielen andere Faktoren auch.
Unsere Forschungen zu TV-Duellen zeigen: Allgemeine, wertbezogene Aussagen sowie emotionale Appelle der Debatten-Teilnehmer lösen bei den Zuschauern über die Parteigrenzen hinweg die größte Zustimmung aus. Auch Allgemeinplätze kommen gut an: „Leistung muss sich lohnen.“ oder „Bildung darf nicht von der Herkunft abhängen.“. Angriffe auf den politischen Gegner polarisieren hingegen meistens. Die Angriffsstrategie kann sich aber auch gegen den Angreifenden selbst wenden – wenn er überzieht.
Martin Schulz ist in einer schwierigen Lage. Er muss versuchen, Angela Merkel unter Druck zu setzen. Eine alles andere als leichte Aufgabe. Denn er kann die Politik der Großen Koalition nicht wirklich hart kritisieren, weil seine eigene Partei daran mitgewirkt hat. Schulz hat somit kaum Ansatzpunkte. Er wird deutlich machen müssen, dass sich aus seiner Sicht in Deutschland etwas ändern muss. Viele Menschen wollen aber gar nicht, dass sich etwas Grundlegendes ändert. Wir können also eine Neuauflage von Merkels „Sie kennen mich“ aus dem letzten TV-Duell erwarten. Wahrscheinlich wird eher Schulz unter Druck geraten. Nämlich dann, wenn es darum geht, mit welchen Koalitionspartnern er seine Positionen nach der Wahl umsetzen will – Stichwort rot-rot-grün.
Prof. Dr. Frank Brettschneider ist Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim
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