„Unverhüllter Machtanspruch“

CDU-Geheimpapier zur Fusion ORB-SFB – kein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen

Die Fusion von ORB und SFB rückt näher. Nach dem ursprünglichen Zeitplan soll bis zum Sommer der seit Jahresbeginn diskutierte Staatsvertrag unter Dach und Fach gebracht werden. Doch der regionalen CDU passt das nicht. Sie beschwört die Gefahr eines SPD-dominierten „Rotfunks“ in der Region. Peinlich für die Konservativen: Ein kürzlich an die Öffentlichkeit gelangtes Geheimpapier belegt, dass die Schwarzen selbst mit einer ausgeklügelten Strategie Macht und Einfluss im fusionierten Sender sichern wollen.

In dem Positionspapier werden detaillierte Empfehlungen gegeben, Führungspositionen im Fusionssender mit Christdemokraten zu besetzen und den amtierenden ORB-Intendanten Hans-Jürgen Rosenbauer als künftigen Anstaltschef zu verhindern. Autor des Papiers ist Thomas Gross, Medienberater des CDU-Landesvorsitzenden und Innenministers Jörg Schönbohm.

Einleitend heißt es in dem Papier: „Da die Fusion ohnehin nicht mehr von der CDU verhindert werden kann und auch sollte, scheint die Konzentration auf die Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten der CDU grundsätzlich weiterführender.“ Als Instrument einer solchen Einflussnahme wird die Forderung nach einem Gründungsbeauftragten erhoben „um über den Zeitbedarf den ORB-Intendanten als ersten Fusionsintendanten zu verhindern“. Damit nicht genug. Es gehe darum, „dass die CDU bei Direktoren (z.B Programmdirektor TV, Verwaltungsdirektor) wie leitenden Angestellten (z.B. Chefredakteur TV, Hörfunkchef Regionales, Hörfunkchef Kultur) angemessen zum Zuge kommt“. Für die Wahl des Intendanten schlägt die CDU eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor. Dafür sei ein „breiter gesellschaftlicher Konsens“ notwendig. Will sagen: Ohne die CDU liefe nichts. Zugleich eröffne es der CDU die „Möglichkeit, ein Personaltableau für die Direktoren und leitenden Mitarbeiter auszuhandeln (Paketlösung)“. Ein personeller Neuanfang solle „ohne Rückgriff auf das vorhandene Personal“ erfolgen. Etwaige Bedenken werden schon mal prophylaktisch entkräftet: Gegen das Kostenargument sind die Vorteile eines Neuanfangs zu führen (kein Erbhofdenken, keine alten Identitäten, etc.).“

Für politische Dominanz

Unzufrieden ist die CDU auch mit der im Staatsvertragsentwuf vorgesehenen Struktur des Rundfunkrats der gemeinsamen Anstalt. Hier drohe die „Gefahr parteipolitischer Dominanz“. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum Berlin mehr Parlamentarier entsenden soll als Brandenburg. Der Staatsvertragsentwurf sieht hier ein Verhältnis von 4:3 vor, entsprechend der Bevölkerungszahl beider Länder. Das Strategiepapier fordert einen „Masterplan“ für eine „effektive Ein-Länder-Anstalt“. Aus gewerkschaftlicher Sicht besonders interessant der folgende Passus. Durch eine Vorgabe von Personalobergrenzen könne mehr Wirtschaftlichkeit erzwungen werden, heißt es da. Ziel sei eine Obergrenze von 1.400 Mitarbeitern „bis 2008“. Auf fusionsbedingte Kündigungen dürfe – entgegen den Versicherungen der Geschäftsleitungen von ORB und SFB – nicht verzichtet werden. Derzeit sind in beiden Anstalten insgesamt rund 1.800 Mitarbeiter beschäftigt.

Details dieses Papiers waren in abgeschwächter Form bereits nach der Sitzung des Koalitionsausschusses von CDU und SPD bekannt geworden und auf heftige Kritik gestoßen. In einer Pressemitteilung des ORB vom 3. Mai sagte ORB-Rundfunkratsvorsitzender Bertram Althausen, es sei „unerträglich, dass die CDU die Gründungsphase dazu missbrauchen will, Einfluss auf Personal, Strukturen und Programm des neuen Senders zu nehmen“. Wenn etwa der Fusionsbeauftragte nach den Vorstellungen der CDU die Kompetenzen eines Übergangsintendanten haben solle, so würden damit die gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben und Rechte des Rundfunkrates ignoriert. Dies sei „ein inakzeptabler Angriff auf die Kompetenzen der Gremien und die Autonomie der beiden Rundfunkanstalten ORB und SFB, der von einem abenteuerlichen Demokratieverständnis zeugt“. Ein solches Vorgehen wäre „eindeutig rechtswidrig“. Althausen: „Das vorbildliche ORB-Gesetz soll nach dem Willen der CDU offensichtlich durch einen Staatsvertrag ersetzt werden, der die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschränkt.“

ORB-Intendant Hans-Jürgen Rosenbauer hatte bereits in der Hauszeitschrift „ORB-Telegramm“ die Medienpolitik der brandenburgischen CDU scharf kritisiert. Vertreter der CDU im Potsdamer Landtag träten „inzwischen immer stärker auf die Bremse“. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Fusion den Konservativen zum jetzigen Zeitpunkt nicht ins Konzept passe. Laut Rosenbauer möchte die CDU „die Personalpolitik in ihrem Sinne beeinflussen. Sie möchte direkten Einfluss auf die neue Anstalt und ihre Geschäftsleitung nehmen“. Dabei habe sich gerade bei der Wahl des ZDF-Intendanten gezeigt, „wie schädlich Parteipolitik – ganz gleich von welcher Seite – für eine an Sachkunde orientierte Berufung leitender Mitarbeiter und die Gestaltung eines Unternehmens sein kann“.

Wesentlich härter geht die Brandenburger SPD mit dem Gross-Papier ins Gericht. Unter der Überschrift „Senderfusion: CDU lässt die Maske fallen“ teilt der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Klein mit, es gehe der CDU „um die Durchsetzung knallharter konservativer Interessen in der Medien- und Personalpolitik und um die konservative Umgestaltung der Medienlandschaft in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“. Dabei schrecke sie auch vor einer „direkten Parteipolitisierung“ des Senders nicht zurück. Der „unverhüllte Machtanspruch der CDU“ bedeute eine „Gefahr für die Unabhängigkeit und journalistische Eigenverantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Weiter heißt es: „Die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll ganz offen im Würgegriff eines konservativen Machtanspruchs eingeschränkt werden – ein ungeheuerlicher und beispielloser Vorgang!“

SPD Heuchelei unterstellt

Demgegenüber versuchte die CDU, die Bedeutung des Vorgangs zu relativieren. Das umstrittene Papier sei „auf partisanenhaftem Wege in die Medien gelangt“, trat Thomas Lunacek, Generalsekretär der brandenburgischen CDU, die Flucht nach vorn an. Es handle sich dabei „weder um einen Beschluss der CDU noch der Fraktion“ und werde in der öffentlichen Debatte „überbewertet“. Die Kritik des Koalitionspartners SPD bezeichnete Lunacek als „Heuchelei“. Es könne nicht angehen, dass „zwei SPD-dominierte Staatskanzleien in Form einer geheimen Kommandosache einen Staatsvertragsentwurf auskungeln“. Dieser sei tendenziell ein „Konzentrat von SPD-Interessen“. Wenn die CDU jetzt dafür gescholten werde, dass sie „ihre Position einbringt“, werde „mit zweierlei Maß gemessen“. Der SPD-Zeitplan für die Fusion sei „zugeschnitten auf eine Person für den Intendanten“, die „bereits in Lauerstellung“ liege. Demgegenüber plädiere die CDU für eine Ausschreibung des Intendantenpostens. Auch die Zusammensetzung des Rundfunkrates müsse „die reale Gewichtung in unserer Gesellschaft spiegeln“. Die CDU wolle „einen starken, wirklich unabhängigen Sender und keinen, der von einer Seite dominiert wird“. Lunacek: „Falls das mit unserem Koalitionspartner nicht machbar sein sollte, dann lassen wir die Fusion besser sein.“

 

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