Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
Die 47. Auflage war ein echtes Fest – nicht nur für die Branche, sondern auch und vor allem für das Publikum: 24.000 Menschen strömten vom 19. bis 24. Oktober in die zwei Leipziger Festivalkinos, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor und neuer Nachwende-Rekord.
Das Programm bot 354 Dokumentar- und Animationsfilme aus rund 60 Ländern. Neben den internationalen Wettbewerben Dokumentarfilm (18 Beiträge) und Animation (46) gab es erstmals einen deutschen Wettbewerb, in dem 23 Filme um die goldenen und silbernen Tauben konkurrierten. Dazu die entsprechenden Programme außerhalb der Wettbewerbe, eine Humor-Reihe, Retrospektiven, Streifen von lokalen Nachwuchsfilmern … Aber nicht nur die nie gewesene Quantität – auch die Qualität des Festivalprogramms bestach Fachwelt und Laien. „Es war ein sehr guter Jahrgang“, so das einhellige Resümee.
Das ist mehr als ein Kompliment für den neuen Festivaldirektor Claas Danielsen. Waren doch die Fußstapfen riesig, in die er treten musste: Zehn Jahre lang hatte Fred Gehler, in der Branche liebevoll „die graue Eminenz des Dokumentarfilms“ genannt, dem Festival sein Profil gegeben, es nach der Wende trotz aller finanziellen Probleme stabilisiert und mit Mut, Eigensinn und Erfahrung zu dem gemacht, was es heute ist. Der erst 38jährige Danielsen, ebenfalls Cineast und Filmemacher aus Leidenschaft, nahm die Herausforderung an. Und es gelang ihm mehr, als seine Premiere pannenfrei über die Bühne zu bringen: Mit emotionalem, fachlichem und künstlerischem Gespür drückte er dem 47. Jahrgang seinen Stempel auf. Und der lässt sich am einfachsten mit dem neuen Untertitel des Festivals umreißen: „the (he)art of documentary“. Die überwältigende Resonanz eines interessierten Publikums, die lockere Atmosphäre, die Mischung der Filme ließen die Herzen der Dokumentarfilmmacher und -freunde höher schlagen.
Schwerer als nie zuvor hatte es die fünfköpfige ver.di-Jury, die ihren Preisträger aus dem internationalen Wettbewerb zu küren hatte. Am Ende blieben vier Streifen: „The Ritchie-Boys“ – ein Film über die nie erzählte Geschichte junger deutscher Juden, die aus Nazideutschland fliehen mussten und als Soldaten in US-Uniform nach Europa zurückkehrten; „Blue Collar White Christmas“, in dem Arbeiter in einer dänischen Fabrik um ihre Arbeitsplätze fürchten; „And Thereafter“, die bewegende Geschichte einer Koreanerin, die einen amerikanischen GI geheiratet und in den USA nie heimisch geworden ist. Am Ende entschied sich die Jury jedoch für „Bei Tempi“ (Good Times, Foto). Im Fokus der italienischen Regisseure Alessandro Cassigoli und Dalia Castel stehen die Menschen auf beiden Seiten einer von der israelischen Regierung errichteten Mauer im arabischen Dorf Abu Dis nahe Jerusalem. „Hinter den verkürzenden Schlagzeilen über einen Welt bewegenden Brennpunkt ist es den Autoren gelungen, die menschliche Dimension in ihrer Absurdität beeindruckend und mit starker emotionaler Wirkung in eine überzeugende filmische Sprache zu bringen“, so die Begründung.
Informationen
Das 48. Leipziger Festival findet vom 17. bis 23. Oktober 2005 statt. Alle Preisträger des 47. Jahrgangs in der Rubrik PREISE (Seite 38).
www.dokfestival-leipzig.de