Wer wacht über die „Medienwächter“?

Initiativen für eine Reform der Medienregulierung in Deutschland

Die SPD-Medienkommission fordert sie, der rheinland-pfälzische Staatsminister Stadelmaier (SPD) schlägt sie vor: eine „Medienanstalt der Länder“ als ersten Ansatz einer umfassenden Reform der Medienregulierung und Medienaufsicht. Dagegen wird zwar, wie zu erwarten, Widerspruch laut. Doch ist die Unterstützung für bundeseinheitliche Regelungen größer als noch vor wenigen Jahren.


Dass eine Reform der Medienregulierung und Medienaufsicht überfällig ist, wird allseits beteuert und beklagt. In welche Richtung eine solche Reform zielen sollte, bleibt freilich umstritten. Wundern kann man sich darüber nicht, schließlich haben wir es in der Medienpolitik immer mit mindestens zwei grundsätzlich verschiedenen Ansätzen zu tun. Zum einen Medienpolitik als reine Medienwirtschafts­politik – bislang vorrangig auf regionale Standorte bezogen, neuerdings aber auch auf den „Standort Deutschland“; zum anderen Medienpolitik als Gestaltungsauftrag im Sinne demokratischer Bürgerrechte. Setzt sich die rein medienwirtschaftspolitische Sichtweise durch, dann droht wahr zu werden, was der Chef einer Landesmedienanstalt erst kürzlich öffentlich erklärte: dass man sich in Zukunft von Artikel 5 Grundgesetz „verabschieden“ müsse.
Das System der Medienregulierung und Medienaufsicht hat bislang der regionalen Standortpolitik nur Vorteile geboten. Was formal als Medienföderalismus daher kam, war und ist in Wahrheit genau das Gegenteil dessen, was das Bundesstaatsprinzip und damit der Föderalismus herstellen soll: Nähe der Bürgerinnen und Bürger zu politischen Entscheidungen, also Transparenz und Beteiligungsrechte. Tatsächlich findet Medienpolitik auch auf Länderebene kaum im parlamentarischen Raum statt. Sie ist Angelegenheit von Ministerpräsidenten und Staatskanzleien. Entscheidungen grundlegender Art finden also zwischen den Regierungschefs statt. Parallel dazu ist das System der föderalen, aber eigentlich doch bundesweiten Medienaufsicht – durch die Landesmedienanstalten und deren Zusammenarbeit – derart überwuchert, dass auch hier von Transparenz kaum die Rede sein kann. Zumindest hier sind Bürgerinteressen und Investoreninteressen deckungsgleich: Transparenz benötigen beide. Im Geflecht von Entscheidungsinstanzen (Medienanstalten, Kartellamt, Bundesnetzagentur) kommt es nicht darauf an, die Kompetenzen der Einen durch die der Anderen zu ersetzen, sondern so zu bündeln, dass Kriterien und Gründe von Entscheidungen für alle nachvollziehbar werden.
Wenn nun der Ruf nach einer Reform der Medienregulierung auch aus Kreisen der Politik stärker wird, so ist dies zunächst einmal zu begrüßen. Der Widerstreit von Motiven und Interessen ist freilich damit nicht beendet, er wird nur auf neuer Ebene fortgesetzt. Denn hinter dem Vorschlag einer verstärkt bundeseinheitlichen Medienregulierung stecken auch – teils verborgen, teils offen ausgesprochen – rein medienwirtschaftspolitische Motive. Schließlich haben die letzten medienpolitischen Schlachten (um die Pressefusionskontrolle und das Investment in Berlin, um den gescheiterten Springer-ProSiebenSat.1-Deal und zuletzt das Szenario „Berlusconi ante portas“) gerade die nationalen Standortpolitiker aufmarschieren lassen: Medienunternehmen sollen in deutscher Hand bleiben, die Medienwirtschaft in Deutschland müsse durch Deregulierung der – kartell- und medienrechtlichen – Konzentrationskontrolle „wettbewerbsfähig“ gemacht werden.

Sachverstand einbringen

Man darf also nicht abwarten, was aus Vorschlägen wie dem des Staatsministers Stadelmaier (Rheinland-Pfalz) für eine Medienanstalt der Länder wird. Statt abzuwarten und das allgemeine Lamento nur zu verstärken, müssen sich gerade jene, die einer bürgerrechtlichen Grundlegung von Medienpolitik verpflichtet sind, einmischen. Solche Reformprozesse werden nicht nur, sie müssen sogar höchst konfliktreich sein. Insofern lohnt es sich durchaus, sich erneut mit früher entwickel­ten Vorschlägen, etwa eines Medien- und Kommunikationsrates, zu beschäftigen. Anders als es die bisher vorgetragenen Vorstellungen einer Medienanstalt der Länder vorsehen, war seinerzeit mit der Idee eines Medien- und Kommunikationsrates vor allem die Einbeziehung und Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen sowie unabhängiger Fachleute verbunden. Dass man dies aus technokratischem und medienwirtschaftspolitischem Blickwinkel nicht gerade attraktiv findet, liegt in der Natur des Streits um die Richtung einer Reform von Medienordnung und Medienregulierung.
Mindestens drei Aspekte sind in der Reformdiskussion vorrangig: Erstens muss mit der Überwindung rein regionaler Standortinteressen im Weiteren auch ein größeres Maß an Staats- und Politikferne als bislang gewährleistet werden. Zweitens ist der Verbund von gesellschaftlichen Gruppen und unabhängigem Sachverstand herzustellen und einzubringen. Und drittens bedarf schon das gesetzgebende Verfahren selber – in Richtung eines Medienstaatsvertrages – mindestens soviel an Öffentlichkeit, wie sie sonst bei Bundes- und Landesgesetzen geboten und auch üblich ist. Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass gerade in jenem Politikbereich, der es mit dem „Öffentlichen“ zu tun hat, Öffentlichkeit hergestellt werden muss.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »