Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin: „Recht auf angemessene Vergütung im Gesetz verankern“
Mit der rasanten Entwicklung und Verbreitung der neuen Medien hat das deutsche Urheberrecht nicht Schritt gehalten. Das beginnt sich seit dem Amtsantritt von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) zu ändern. Sie hat gleich mehrere Gesetzesnovellierungen angeschoben. Während Urheber und ihre Verbände zufrieden sind, dass endlich die gesetzlichen Voraussetzungen für den Schutz ihrer Rechte im digitalen Zeitalter getroffen werden, versuchen die Interessenverbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sowie der Informationstechnologie-Hersteller die Reformvorhaben zu torpedieren (siehe Artikel „Und wieder einmal droht der Untergang des Abendlandes“). Wie schätzt die Ministerin deren massive öffentliche Kritik ein? Für „M“ sprach Rüdiger Lühr mit Herta Däubler-Gmelin.
Frau Ministerin, Sie haben sich vorgenommen, das Urheberrecht den Erfordernissen der modernen Medienwelt anzupassen und gleichzeitig die Rechte der Urheber zu sichern.
Däubler-Gmelin: Ja, denn beides gehört zusammen. Wir müssen die Kreativen, seien es Künstler oder Journalisten, stärken, weil sie ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft sind – kulturell ebenso wie wirtschaftlich. Gleichzeitig müssen wir den Urheberrechtsschutz den Bedingungen des digitalen Zeitalters anpassen. Das betrifft eine Menge wichtiger Fragen, die heute – eben wegen der Globalität des Mediums – allerdings insgesamt mit internationalen und europäischen Regelungen abgestimmt sein müssen.
Was planen Sie konkret? Welche Schritte haben Sie vor oder schon eingeleitet?
Däubler-Gmelin: Zunächst haben wir einen Bericht über den Stand der Urheberrechtsvergütungen vorgelegt. Der zeigt, dass die Abgaben auf Geräte und Kassetten nicht auf solche beschränkt sein dürfen, die mit der analogen Technik arbeiten. Selbstverständlich müssen auch jene einbezogen werden, die mit der neuen digitalen Technik verbreiten und vervielfältigen. Deshalb verhandeln die Verwertungsgesellschaften, die ja die Rechte der Urheber wahrnehmen, beispielsweise mit den Branchen, die CD-Brenner und -Rohlinge, DVD und Geräte wie PCs herstellen und vertreiben.
Der zweite Schritt betrifft die europa-einheitliche Umsetzung der globalen WIPO-Verträge und ihre Übernahme in nationales Recht. In diesem Zusammenhang wird etwa die Frage der elektronischen Pressespiegel ebenso geregelt werden müssen wie das Recht der privaten Kopie für den persönlichen Gebrauch.
Zum Dritten wollen wir für jeden Kreativen sein Recht auf angemessene Vergütung im Gesetz verankern, also ein Urhebervertragsrecht. Da gibt es natürlich erheblichen Widerstand von Interessengruppen. Wir haben einen guten – von führenden Urheberrechtsexperten erarbeiteten – Gesetzentwurf vorliegen, der neben dem angemessen Vergütungsanspruch einen gesetzlichen Mechanismus für Gesamtvereinbarungen nach dem Vorbild der hervorragenden Gesamtverträge vorsieht, wie wir sie heute schon im Verlagsrecht oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben.
Gerade dagegen gibt es große Widerstände der Verlegerverbände. Sie sprechen von Bedrohung der Pressefreiheit und Enteignung. Werden Sie trotzdem an Ihrem Vorhaben festhalten?
Däubler-Gmelin: Was Sie über Widerstände sagen, ist zu pauschal. Die vernünftigen Unternehmerverbände sehen, dass wir ihre guten Regelungen zum Vorbild nehmen, wohl aber in jenen Bereichen verbessern wollen, in denen heute eine Art von Wild-West-Mentalität zu Lasten von Künstlern, Autoren oder Journalisten herrscht. Es geht ganz grundsätzlich um Fairness und um vergleichbare Stärke als Voraussetzung für Vertragsfreiheit. Das kann im Grundsatz wirklich niemand ernsthaft bestreiten, der auf sich hält.
Übrigens sehe ich das auch bei den Zeitungsverlegern so, die ja selbst dort, wo sie die Schwächeren sind, zum Beispiel wenn es um Konzentration oder Wettbewerb geht, Schutzregelungen zu ihren Gunsten beanspruchen. Für inhaltliche Anregungen im Detail sind wir jedoch sehr offen – gerade auch in den kommenden Gesprächen.
Ähnlich große Widerstände gibt es seitens der Computerindustrie gegen eine PC-Abgabe. Es wird behauptet, PCs würden 30 Prozent teurer werden.
Däubler-Gmelin: Das sind irrwitzige Zahlen und ganz offensichtlich von jemand erfunden, der keine Ahnung hat. Oder der will, dass PCs, mit denen künftig zum Beispiel Musikstücke heruntergeladen, verbreitet und vervielfältigt werden, aus dem heutigen System der Abgaben für die Künstlerinnen und Künstler ausgenommen werden. Ich hielte das für ausgesprochen unfair, weil ja die Kreativen auch leben müssen und außerdem nicht einzusehen ist, warum Kassettenrecorder oder Videokassetten abgabepflichtig sind, nicht aber die modernen digitalen Geräte.
Diese Abgabe geht an die Verwertungsgesellschaften, die sie an die Künstler verteilen. Die Verwertungsgesellschaften verhandeln gerade mit der Geräteindustrie – und wie ich höre, geht es da um Beträge unter 50 Mark für die teueren PCs. Dadurch hätte die Computerindustrie mit Sicherheit weder in Deutschland noch in Europa oder weltweit irgendeine Einbuße.