Zeitzeugen berichten über die Deutsche Film AG (DEFA)

Buchrezension: „Spur der Filme“

Vor 60 Jahren, 17. Mai 1946, wurde in Potsdam-Babelsberg als erste deutsche Filmproduktion nach dem Ende des Krieges die Deutsche Film AG – DEFA genannt – gegründet. In ihren Studios entstanden über 700 Filme für das Kino und rund 540 für das Fernsehen der DDR. Unter diesen Filmen waren Kunstwerke, die noch heute Bestand in der Filmgeschichte haben. Darunter sind auch Produktionen, die politisch benutzt wurden, inzwischen aber als Zeitdokumente gelten.

Umfangreich war die Recherche der Herausgeber Ingrid Poss und Peter Warnecke zu ihrem Sachbuch. Damit wurde die Geschichte der DEFA bis zu ihrem bitteren „Aus“ 1992 aus der Sicht der Filmschaffenden der DEFA aufgearbeitet. Poss und Warnecke haben über 70 Regisseure, Autoren, Dramaturgen, Kameraleute, Szenen- und Kostümbildner, Komponisten, Produktionsleiter und Schauspieler befragt. Im Rahmen der DEFA-Stiftung und des Filmmuseums Potsdam entstanden mehr als 400 Stunden Interviews, die zur „Spur der Filme“ führten und sich in dem Buch wieder finden. Den Autoren gelang eine ungeschminkte wie authentische Innenansicht zu den Produktionen der DEFA und der Zeit, in denen die Spielfilme entstanden. Ein Teil dieser Produktionen kann heute für das Heimkino auf DVD erworben werden. Auch sind DEFA-Filme bereits Teil der Cinemathek der Süddeutschen Zeitung wie Frank Beyers Film „Spur der Steine“. Bei seiner Premiere am 30. Juni 1966 kam es zum inszenierten Skandal. Der Film wurde von organisierten Störern niedergeschrieen und verschwand danach für 23 Jahre von der Leinwand. Im Nachhinein sagt Frank Beyer über den Film: „Ich habe den Film seit 1966 nicht wieder gesehen, spreche also aus der Erinnerung. Möglicherweise enthielt er manche politische Zuspitzung, und sicher gibt es in diesem Film bittere Szenen menschlichen Versagens. Das hat mich während der Arbeit schlaflose Nächte gekostet.“
Dabei gab es auch DEFA-Filme, die beim Publikum nur auf wenig Interesse stießen. Andere Filme aus dem Babelsberger Studio holten Hunderttausende, sogar ein paar Millionen Menschen vor die Leinwand. Immer befanden sich ihre Macher bei ihrer Arbeit in einem Spannungsverhältnis von politischen Erwartungen und eigenem künstlerischen Anspruch. Regisseur Egon Günther erinnert sich: „Diese Leute (gemeint ist hier die Parteiführung) hatten Filme im Kopf, die ihnen nur die Bravsten drehten. Sie wollten Filme, die ihnen helfen sollten zu regieren und die deutlich machten, dass wir in der besten aller möglichen Welten lebten. Sie haben nicht begriffen, dass das nicht geht, dass Kunst subversiv sein muss.“
Noch treffender formuliert es Lothar Warnecke: „ Für mich war diese Wende nicht nur ein zeitlicher Ablauf, sondern eine viel größere, einschneidende – in meine Geschichte und meine Individualität einschneidende – Situation, weil ich verbunden war mit der Gesellschaftsutopie DDR und ich geglaubt habe, dass sich da etwas entwickelt, entwickeln kann. Und als das plötzlich über Nacht zu Ende war, hatte es für mich seelische Folgen, mit denen ich erst einmal zurecht kommen musste.“

Ingrid Poss / Peter Warnecke (Herausgeber)
Spur der Filme
570 Seiten
Ch.Links Verlag Berlin 2006
ISBN 3-86153-401-0
EURO 24,90

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