Zu welchem Preis?

«M» sprach mit Hans Hege über den Stand und die Folgen der Rundfunkdigitalisierung. Hege ist Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und Vorsitzender der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang bei der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten der BRD.

«M»: Wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung in Deutschland?

HANS HEGE: Wir haben jetzt knapp 20 Prozent Haushalte, die Digitalfernsehen empfangen. Der eigentliche Durchbruch steht aber erst noch bevor, auf unterschiedlichen Übertragungswegen. Die Umwälzung der Medienlandschaft wird mindestens so bedeutsam wie die Einführung von Kabel- und Satellitenfernsehen in den 80er Jahren.

«M»: Wo liegen die Haupthindernisse?

HANS HEGE: Die entscheidende Frage ist die Finanzierung. Die Einnahmen der TV-Veranstalter sind deutlich zurückgegangen. Die Gebühreneinnahmen steigen auch nicht mehr so wie in den letzten 20 Jahren. Daher müssen Programme anders finanziert werden, etwa durch Pay-TV. Aber anders als etwa in Großbritannien sind in Deutschland fast die Hälfte der Haushalte nach wie vor Free-TV-Haushalte. Die privaten Veranstalter stehen vor großen Herausforderungen, ebenso die Kabelgesellschaften. Deren bisheriges Transportmodell lebt davon, dass ein Einheitsangebot zum Einheitspreis gemacht wurde. Jetzt müssen sie zur differenzierten Vermarktung von Paketen übergehen.

«M»: Differenzierte Vermarktung setzt differenzierte inhaltliche Angebote voraus?

HANS HEGE: Es gibt einen Trend zur Spezialisierung. Das sehen sie sogar beim Digital-Bouquet der ARD oder beim Theaterkanal des ZDF. Der Erfolg von DVB-T zeigt andererseits, dass ein übersichtliches Programmangebot für viele ausreicht. Dann haben wir bei der Digitalisierung auch eine Differenzierung der Empfangssituation. Es gibt Zweitgeräte, mobile Geräte, personalisierte TV-Geräte und den Hauptbildschirm. Die Digitalisierung fällt also mit vielen anderen Entwicklungen zusammen. Digitale Videorekorder erleichtern das Speichern, auch das hoch auflösende Fernsehen HDTV wird langsam für mehr Haushalte bezahlbarer.

«M»: Wie teuer kommt den Verbraucher die Digitalisierung zu stehen?

HANS HEGE: Mehr Programm bedeutet höhere Kosten für den Konsumenten – das ist eine einfache Gleichung. Die Einheitsgebühr hat ausgedient, auch hier wird mehr differenziert. Im Kabel nimmt der eine das Paket, der andere nicht.

«M»: Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um die differenzierten Angebote digital zu empfangen?

HANS HEGE: Die Schlüsselfrage sind die Geräte beim Verbraucher. Aus Rücksichtnahme auf die analogen Haushalte müssen Sie zunächst noch beide Übertragungswege nutzen. Digital heißt auch: Jeder braucht ein neues Gerät. Das Gerät kauft er nur, wenn es Mehrnutzen bringt.

Bei DVB-T oder Satellit lautet die Regel: Ich kauf mir einmal ein Gerät und zahle keine Gebühren. Das kann jeder abwägen, der Satellit hat mehr Programme, ich brauche eine Schüssel, DVB-T gibt’s nicht überall. Das muss dann der Konsument entscheiden.

«M»: Die Digitalisierung des Kabels gilt als schwierigster, zugleich aber auch wichtigster Schritt. Warum?

HANS HEGE: Das ist so, weil es schon ziemlich viele Programme gibt und der Mehrnutzen schwieriger zu begründen ist. Außerdem nimmt dabei für die Kunden die Höhe der Kabelentgelte weiter zu. Die erforderlichen Settopboxen kosten zwar nicht so viel, aber RTL ist zum Beispiel digital im Kabel gar nicht zu sehen. Andererseits ist Kabel die Schlüsselressource für die Programmentwicklung. Wenn etwa 60 Prozent der Haushalte am Kabel hängen und die Attraktivität von zusätzlichen Programmen abhängt, dann ist die Reichweite sehr wichtig. Wenn ich nur 20 Prozent der Haushalte habe wie derzeit, dann ist es eben weniger leicht, dafür attraktive Programme zu finanzieren als wenn man 40, 50 oder 60 Prozent hat.

«M»: Wie finanzieren sich die neuen digitalen Angebote?

HANS HEGE: Es gibt eine gewisse Grauzone aus Werbung und Programm. Was da im Moment noch gut funktioniert, ist alles, was mit Telefon zusammenhängt, also Zusatzeinnahmen durch Call Ins, SMS, usw., womit ich zusätzliche Umsätze mache. Dagegen ist die klassische Werbefinanzierung mit Spots ausgelutscht. Die Crux ist: Es gibt nirgends so viel Fernsehen für so wenig Geld wie in Deutschland. Und der Zuschauer ist zufrieden. Daher ist der Anreiz, was anderes zu machen, nicht sehr groß.

«M»: Viele Konsumenten wollen nicht unbedingt mehr TV, sondern setzen aufs digitale „triple play“, also eine Kombination aus schnellem Internet, Telefonie und TV. Müssen hiesige Kabelbetreiber DSL fürchten?

HANS HEGE: Es gibt Weiterentwicklungen von DSL, die Fernsehen durchaus möglich machen. Die Digitalisierung hat auch sehr viel mit Abrechnungs- und Finanzierungsmodellen zu tun. Bei den anderen Rundfunkwegen wurde bisher monatlich pauschal bezahlt. Sie brauchen eine Extra-Adressierbarkeit, um für einen einzelnen Inhalt bezahlen zu können. Das geht über Telefonnetze sehr viel einfacher. Italien ist da ganz gut aufgestellt, da gibt es die Möglichkeit, Fußballspiele einzeln über digitales TV zu sehen. Das halte ich für eine sehr kundenfreundliche Alternative. Sie kaufen eine SmartCard und sind mit drei Euro dabei.

«M»: Wie sieht die digitale Welt im Jahr 2010 aus?

HANS HEGE: Dass sich bis dahin radikal was ändern wird, bezweifle ich. Kabel und DSL werden sicher an Bedeutung gewonnen haben. Kabel ist wahrscheinlich für viele noch der wichtigste Weg zum Fernsehen, und der Satellit in ländlichen Gebieten. Das freie Programmangebot, wird vermutlich schlechter sein – in der Menge, teilweise auch in der Qualität, weil einfach weniger Geld da ist.

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