Zügige Novellierung des Auftrags von ARD und ZDF im Blick

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland - eine Säule der Demokratie
Fotos: ARD /Grafik: Petra Dreßler

In der deutschen Rundfunkpolitik fallen demnächst wichtige Entscheidungen. Seit Mitte November 2021 liegt der „Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ vor. Am 14. Januar 2022 endet die öffentliche Konsultationsphase. Schon im Frühjahr könnten die Ministerpräsidenten beschließen, wohin die Reise für ARD, ZDF und Deutschlandradio künftig geht.

Nachdem im Dezember 2020 die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zunächst an der Blockadepolitik Sachsen-Anhalts gescheitert war, hatten die Länder eine zügige Novellierung des Auftrags angekündigt. Um weitere Verzögerungen von Seiten reformunwilliger Kräfte zu vermeiden, beschloss man, die Diskussion von Auftrag und Finanzierung zu entkoppeln und in zwei getrennten Phasen zu führen.

In der ersten Phase geht es nun zunächst um eine Novelle des Medienstaatsvertrags, die bis zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Mit dieser Novellierung verfolgen die Länder hauptsächlich zwei Ziele:  die „Erhaltung der publizistischen Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit“ der Öffentlich-Rechtlichen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Auch soll ihre Akzeptanz als wichtige Säule für Medienvielfalt, Pluralismus und Demokratie gestärkt werden.

Kernpunkt der geplanten Reform ist die weitgehende „Flexibilisierung“ des Auftrags. Dieser wird im Fernsehen reduziert auf das Erste, das ZDF, die Dritten, ARTE und 3sat. Die übrigen bisher linear ausgestrahlten digitalen Zusatzprogramme – Tagesschau 24, One, ARD-alpha, ZDFneo, ZDFinfo, Phoenix und Kinderkanal – fallen künftig unter den sogenannten Flexibilisierungs-Mechanismus. Sie

können nach Ermessen der Anstalten weiter betrieben, komplett in den Online-Bereich verlagert oder auch ganz eingestellt werden. Zusätzliche TV-Programme dürfen die Sender nicht entwickeln.

In die entsprechenden Beratungen und Entscheidungen werden die Rundfunkgremien und von ihnen beauftragte unabhängige Sachverständige einbezogen. Alles zwei Jahre sollen ARD, ZDF und Deutschlandradio Berichte über die Erfüllung des Auftrags sowie über Qualität und Quantität der Angebote vorlegen. Auch sollen sich die Sender im Rahmen eines „kontinuierlichen Dialogs mit der Bevölkerung“ über die Angebote austauschen.

Der aktuell noch gültige Medienstaatsvertrag verpflichtet die Anstalten zu Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung sowie zur Berücksichtigung von Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Angebote. Der jetzt diskutierte Novellierungsvorschlag enthält eine Reihe zusätzlicher Forderungen: etwa die nach „hohen journalistischen Standards“, der „Gewährleistung einer unabhängigen, sachlichen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Information und Berichterstattung“ sowie auch nach „Schutz von Persönlichkeitsrechten“. Eigentlich Selbstverständlichkeiten, vergleichbar den Bestimmungen des Pressekodex. Für den Deutschen Kulturrat damit auch ein klarer Fall von „Überregulierung“.

Ein deutlich anderes Angebot als bei den Privaten

Interessant erscheinen einige Präzisierungen des Auftrags. „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben die Aufgabe, ein Gesamtangebot für alle zu unterbreiten.“ Dabei nutzen sie die „Möglichkeiten, die ihnen aus der Beitragsfinanzierung erwachsen und tragen dabei durch eigene Impulse und Perspektiven zur medialen Angebotsvielfalt bei“. Das heißt: Die Medienpolitik erwartet von den Anstalten ein Angebot, das sie von den Privatsendern unterscheidet. Und zwar nicht nur in den klassischen Sparten Kultur, Bildung, Information und Beratung. Ausdrücklich heißt es: „Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht, ist Teil des Auftrags.“

Dieses Profil soll „in besonderem Maße dort wahrnehmbar sein, wo die Nutzung dieser Angebote üblicherweise besonders hoch ist“. Damit dürften Programme gemeint sein, die in der Prime Time ausgestrahlt werden oder auf der Startseite einer Mediathek erscheinen. Auch sollen sich ARD, ZDF und Deutschlandradio für ihre Telemedienangebote eine gemeinsame Plattformstrategie zulegen, deren mögliche Konditionen allerdings nicht definiert werden. Die Empfehlungssysteme in den Telemedienangeboten sollen allerdings „einen offenen Meinungsbildungsprozess und breiten inhaltlichen Diskurs ermöglichen“. Europäische und – das ist neu – auch nicht-europäische Spielfilme und TV-Serien, die keine Auftragsproduktionen sind, dürften künftig in Mediatheken auch schon vor der linearen Ausstrahlung zum Abruf online angeboten werden.

Bisherige Stellungnahmen zum Diskussionsentwurf kreisen vor allem um den darin markierten Unterhaltungsbegriff. Dass Entertainment auf ein „öffentlich-rechtliches Angebotsprofil“ verpflichtet werden soll, kommt vielfach nicht gut an. WDR-Intendant Tom Buhrow, dessen Amt als ARD-Vorsitzender am 1. Januar von RBB-Intendantin Patricia Schlesinger übernommen wurde, findet es fragwürdig, Unterhaltung künftig an Bedingungen zu knüpfen. Ob denn demnächst Gerichte entscheiden sollen, was im Zweifelsfall öffentlich-rechtliche Unterhaltung sei, wandte er im Interview mit der „FAZ“ ein. ZDF-Intendant Thomas Bellut eskortierte: „Quizshows vermitteln Wissen, TV-Filme thematisieren gesellschaftspolitische Fragen, Comedy und Satire vermitteln Informationen.“ Unterhaltung müsse deshalb ein elementarer Baustein des öffentlich-rechtlichen Auftrags bleiben.

Der Deutsche Kulturrat konstatierte, der Ausbau der nicht-linearen Angebote dürfe nicht dazu führen, weniger quotentaugliche Programme oder Sendungen im linearen Programm abzubauen und in die Mediatheken zu verschieben. „Gerade Kunst und Kultur aller Sparten“, so die Forderung, „muss im linearen Programm zu attraktiven Sendezeiten präsent sein“.

Nach den Plänen der Rundfunkkommission soll der Staatsvertrag zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Voraussetzung ist ein Beschluss der Ministerpräsidenten und die Ratifizierung durch die 16 Landtage bis Ende 2022. Auf diese erste Phase der Auftrags- und Strukturreform folgt eine zweite, in der es um die Finanzierung und die „Sicherung von größtmöglicher Beitragsstabilität und Beitragsakzeptanz“ geht. Klappt alles wie geplant, wird diese Phase bis zum Beginn der nächsten Rundfunkbeitragsperiode im Januar 2025 abgeschlossen.

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