„Der Reichtum der Mogule geht einher mit publizistischer Armut“

Australiens Erfahrungen mit Rupert Murdoch

„Ihr könnt mich dämonisieren damit, dass Ihr das Wort Macht benutzt. Aber das bringt doch erst den Spaß, oder? Dieses kleine Stück der Macht zu besitzen.“ Nein, es gehe nicht ums Geld sicher nicht im Sinne von Mega-Money. Viel mehr genieße er diesen Einfluss, der mit einer Zeitung komme. So oder ähnlich hat sich Rupert Murdoch immer wieder zu seiner Passion geäußert, die Medienwelt erobern zu wollen. Zumindest beschreibt ihn so sein bisher wohl bedeutendster Biograph William Shawcross, der ihn den „Direktor im Informationszirkus“ (1993) nennt.

Die ihn kennen, betonen, dass er eine Spielernatur ist, dass er es gern bis aufs Äußerste treibt in seinem globalen Medienpoker. Folgerichtig war seine News Corporation um 1990 schon einmal nahe dem sicheren Bankrott, ist gerade noch einmal vorbeigeschrammt. Immer wieder ergreife ihn eine gewisse Madness, so wie Don Giovanni, der auch nie genug bekommen konnte, sagt Shawcross. Ständig müsse Murdoch hinzukaufen, zumal er der Meinung sei, dass er das Handwerk besser als irgendjemand sonst beherrsche. Andere Dinge interessieren ihn eh nicht, er liest keine Bücher, hört keine Musik – schaut sich die eigenen Produkte nicht an. Biograph Shawcross hatte vorab Gespräche mit Murdoch geführt, nach der Veröffentlichung schlug ihm blanker Hass der Familie entgegen.

Offensichtlich genießt Murdoch den Schrecken, den er verbreitet. Sichert er doch, dass ihm Türen weit offen stehen, besonders von Politikern, die er gern an ihrer schwächsten Stelle erwischt – ihrer Popularität. Er demonstriert ihnen, dass er sie machen und auch wieder verschwinden lassen kann. Seiner Spielernatur ist wohl auch geschuldet, dass er, der als junger Heißsporn ein politischer Radikaler Linker war, später als eiserner Rechter galt, die britischen Konservativen wie eine heiße Kartoffel fallen ließ. Mit den von ihm kontrollierten Boulevard-Blättern hob er 1997 Tony Blair auf den Schild und sicherte nebenher sein Insel-Imperium vor ungemütlichen Kartell-Ermittlungen.

Die Kolonie schlägt zurück

Man übersieht häufig, dass Murdoch aus der Peripherie, man könnte sagen, aus dem Outback der modernen Zeitungswelt kommt. Ausgerechnet vom fünften Kontinent, auf dem sich die australischen Pioniere hundertfünfzig Jahre vom britischen Mutterland und seinen Elite-Medien bevormundet fühlten. Nun schlägt der Emporkömmling aus der ehemaligen Kolonie in die Metropole zurück. Alles begann ganz klein in der australischen Provinz, in Adelaide. Von seinem Vater übernahm er dort 1953 zwei Zeitungen, quasi als Startkapital – oder als Pokerkapital. Das war zu einer Zeit, als es in den Metropolen Australiens noch 15 Zeitungen mit zehn Eignern gab. Noch idyllischer sah es 1923 aus, als sein Vater ins Geschäft einstieg. Damals kontrollierten 21 Eigner noch 26 Zeitungen.

Heute rangiert Australien unter allen vergleichbaren OECD-Ländern auf Rang Eins, was den Grad der Medienkonzentration anbetrifft. Kaum zu glauben: Murdochs News Corporation kontrolliert Zweidrittel der metropolen Tagespresse Australiens und gemeinsam mit dem zweiten Mogul Kerry Packer etwa Vierfünftel aller Zeitschriften. Nur aus dem Network-Fernsehen musste sich Murdoch zurückziehen – mit Gewinn, wie wir sehen werden.

Besagter Packer, in Australien eine ähnlich sagenumwobene Person wie Murdoch, erbte gleichfalls Zeitungen aus Familienbesitz. Er nennt das erfolgreichste TV-Network Nine sein Eigen. Im Pay-TV dominiert wiederum Murdoch mit seiner Foxtel, benannt nach Murdochs Fox-Network in den USA, das wiederum nach seinem Twentieth Century Fox-Studio in Hollywood schlägt. Murdoch und Packer gelten als die beiden reichsten Australier – wenn man übersieht, dass Murdoch zur Sicherung seiner US-Schätze den amerikanischen Pass erwarb. Der Reichtum der Mogule geht einher mit publizistischer Armut. Die Auswahl an Zeitungen ist für Leser nurmehr minimal, in der 3,3-Millionen-Stadt Melbourne, grob mit Berlin vergleichbar, gibt es gerade drei Tageszeitungen zur Auswahl (davon zwei von Murdoch), in Brisbane, mit 1,4 Mio nur wenig kleiner als Hamburg, gehört Murdoch das Monopolblatt. Anderswo sieht es nicht besser aus.

Warum gerade Australien?

Warum gerade Australien? Das Land schaut eigentlich auf eine ruhmvolle Zeitungsgeschichte zurück, die bis in die frühen Tage der europäischen Besiedlung reicht. In den Nachkriegsjahrzehnten wurde vieles verspielt. Auf die längste Tradition etwa konnte sich das Haus Fairfax berufen. 149 Jahre Unternehmensgeschichte waren vergangen, als Filius Warwick 1987 meinte, mit einer Art feindlichen Übernahme seiner eigenen Familie das Zeitungsimperium entreißen zu müssen. Er geriet mit seinem tollkühnen Spiel in einen Börsencrash, er und die Fairfax Family verloren alles. Dazu kauften in den 80er Jahren betrügerische Investoren wie Allan Bond oder Christopher Skase ganze TV-Networks auf. Heute stecken sie in Gefängnissen oder sind flüchtig.

In all diesen Turbulenzen gewannen nur zwei: Murdoch und sein alter ego Packer. Dabei ist die australische TV-Lizenzpolitik eigentlich so angelegt, dass Geld drucken kann, wer immer eine Sendeerlaubnis ergattert. Denn der Markt wird künstlich eingeschränkt. Als die von Finanzbetrügern ausgelaugten TV-Gesellschaften saniert wurden und Schuldendienst leisteten, siegten wiederum Packer und Murdoch. Obwohl sie glänzend dastanden, rationalisierten sie kräftig mit. Murdoch legte Zeitungen auf den von ihm beherrschten Märkten Sydney und Melbourne zusammen, das senkte Kosten und erhöhte den Gewinn. Konsequenz: Die australische Medienlandschaft ist heute beispiellos verödet. Wer z.B. ein politisches Magazin sucht, hat zwei Möglichkeiten, die beide keine sind: der „Bulletin“, der seine internationalen Beiträge von „Newsweek“ bezieht oder die örtliche Ausgabe des amerikanischen „Time-Magazins“.

Die Dominanz des Duos Murdoch und Packer setzt sich in den Neuen Medien fort, gemeinsam mit den Telekomm-Unternehmen erschließen sie den Markt für Kabel- und Pay-TV. Als sichere Investition in die Zukunft kaufte Murdoch schon vor Jahren die entscheidenden Sportrechte auf, ihm gehören die Bilder von der ersten Rugby-Liga, dem populärsten Sport in Australien. tm3 lässt grüßen.

Die Politik: Hilflos oder abhängig

Bedrückend daran ist, dass es in Australien seit Jahrzehnten eine aktive Politik zur Bekämpfung von Medienkonzentration gibt. Besitzer einer TV-Kette müssen sich z.B. bei Tageszeitungen zurückhalten. Oder: Den TV-Anbietern sind australische Inhaltsquoten vorgeschrieben, um nicht in US-Material unterzugehen. Die Medienindustriellen lehnen diese Auflagen verständlicherweise ab und revanchieren sich dadurch, dass sie ihnen nicht genehme Politiker bekämpfen. Schon Murdochs Vater, Sir Keith Murdoch, attackierte Labor-Regierungen und half einem konservativen Premier ins Amt. Sein Kommentar: „I put him there and IÕll put him out“ – was er später auch realisierte, als sein Günstling in Ungnade fiel.

Natürlich tat sich Australiens Arbeiterpartei lange Zeit schwer mit den Mediengewaltigen, zumindest bis der Premier Bob Hawke kam. Mit sicherem politischen Instinkt stellte er sich von Anbeginn mit Murdoch und Packer gut, umwarb sie als „Great Australians“ und suchte demonstrativ ihre Nähe. Als während seiner Amtszeit 1987 neue Konzentrationsregeln erarbeitet wurden, waren sie ausgerechnet mit Murdoch und Packer abgestimmt worden. So trafen sie vor allem deren Konkurrenten und schwächten sie weiter. Derweil bezeichnete Hawke die Mogule launig als seine „Media Mates“.

Hawke genoss als Gegenleistung eine für einen Labor-Premier einzigartige Unterstützung der Presse. Er hielt sich länger als alle Vorgänger an der Macht. Aber letztlich verlor er sie, die Medienmächtigen waren dagegen am Ende seiner Dienstzeit gestärkt. Der seit 1996 amtierende liberal-konservative Premier John Howard zeigt aus gutem Grund keinerlei Neigung, sich mit ihnen anzulegen.

Globaler Eroberungszug

Mit dem australischen Markt voll im Griff, fiel es Murdoch leicht, seinen globalen Eroberungszug zu beginnen. Die heimischen Medien dienten ihm dabei als ständige und verlässliche Finanzquelle. So errichtete er sein Fox-Imperium in den USA, erwarb Boulevardzeitungen und etablierte BSkyB in Großbritannien, beglückte Asien mit Star TV. Nun hat er sich an Kirchs Verlustträger Premiere World beteiligt; wie man hört, mit harten Verträgen, die ihm vielleicht gar eine Übernahme ermöglichen. Murdochs Engagement bei der unsäglichen Ost-Postille Super! ist längst vergessen. Außer bei Miteigner Hubert Burda, der beklagt, dass er über einseitige Verträge von Murdoch hereingelegt worden war und die Schulden allein zu tragen habe.

Im Juli 1998 allerdings erklärte Murdochs zweite Frau Anna, sie wolle sich von ihm scheiden lassen. Murdoch hatte sich in Jahrzehnte jüngere Mitarbeiterin verguckt. Die brisante Neuigkeit wurde der hauseigenen New Yorker Society-Reporterin gesteckt. Im Prinzip ziehen Murdochs Boulevardgazetten genüsslich über die Ehepannen der ganz Großen her. Für das eigene Haus gelten dagegen die leisen Töne. Aber auch so sanken die Aktien seiner News Corporation, denn im Board saß Miteignerin Anna Murdoch. Familienzwist unter Mogulen vermag globale Erschütterungen auszulösen. Zur Schadensbegrenzung meldeten Murdochs Zeitungen neue Erfolge der News Corporation.

Medienmärkte sind keine Pokertische. Medien sind für demokratische Kommunikation von unverzichtbarer Bedeutung. Es ist unverantwortlich, sie zur Mehrung des eigenen Einflusses einzusetzen. Dazu kommt: Es sind Journalisten, die als Erstes wegrationalisiert werden, wenn Monopole entstehen. Ebenso leiden die Mediennutzer, denen Mogule nurmehr eine Scheinwelt von Vielfalt präsentieren. Medien sind Bestandteil unserer Zivilisation. Sie dürfen nicht zur Kulisse verkommen, vor der machthungrige Mogule agieren.


 

Professor Dr. Hans J. Kleinsteuber lehrt Politikwissenschaft an der Universität Hamburg und ist (u.a.) Mitglied der Kommission Medienpolitik beim Hauptvorstand der IG Medien.

 

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