Katastrophaler Kahlschlag

DuMont Schauberg und sein „Neuausrichtungsprogramm“

Bei DuMont Schauberg in Berlin und Köln wird massiv gekürzt und ausgelagert. Im Kölner Verlag sind ein Viertel der Beschäftigten von Kündigungen und Tarifflucht betroffen. Der Haustarifvertrag der Berliner Zeitung wurde gekündigt.

Proteste vor dem Verlagshaus am Berliner Alexanderplatz gegen die Kündigung des Haustarifvertrags. Foto: Christian von Polentz / transitfoto.de
Proteste vor dem Verlagshaus
am Berliner Alexanderplatz
gegen die Kündigung des
Haustarifvertrags.
Foto: Christian von Polentz / transitfoto.de

Mit Köpfen wirbt die Berliner Zeitung seit kurzem. Das „Besondere“ seien „die Menschen, die sie machen“. Journalistische Kernkompetenzen beschwört Chefredakteurin Birgit Fehrle, um das Blatt fit für die Zukunft zu machen. Die Werbekampagne mit den Porträts von Redakteurinnen und Redakteuren startet, nachdem in den vergangen Monaten mehr als 30 Journalisten ihren Hut nehmen mussten sowie Verlagsbereiche geschlossen oder in tariffreie Gesellschaften ausgelagert wurden. Zudem erklärte die Geschäftsführung am 27. September die Kündigung des Haustarifvertrages im Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Berliner Kurier) zum Jahresende. Ein erstes Gespräch zwischen Gewerkschaften und Geschäftsleitung am 23. Oktober brachte lediglich Sondierungen. Der Berliner Verlag gehört mehrheitlich zum Medienkonzern M. DuMont Schauberg (MDS).

Tariflose Gesellschaften. Die in der Hauptstadt getestete Spar-Strategie ist nun auch im Kölner Stammhaus (Kölner StadtAnzeiger, Kölner Kurier, Express) angekommen: Am 25. September 2013 verkündete die Geschäftsführung der geschockten Belegschaft ein „Neuausrichtungsprogramm“. Erstmals seit Jahrzehnten sind betriebsbedingte Kündigungen vorgesehen. Dass die konfliktfreien Zeiten endgültig vorbei sind, wurde in ersten Gesprächen zwischen Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaften noch klarer. ver.di-Vize Frank Werneke protestierte gegen den „katastrophalen Kahlschlag“. Die „Zerschlagung des Verlags M. DuMont Schauberg mittels Kündigungen und Tarifflucht“ sei der falsche Weg. Der Plan sieht vor: Mindestens 84 Vollzeitstellen, davon 34 aus dem Druckzentrum, sollen 2014 betriebsbedingt abgebaut, über 160 Beschäftigte in tariflose Gesellschaften ausgelagert werden. In einem ersten Schritt betrifft das 92 Beschäftigte aus Anzeigenabteilung, Verlagswerbung, Zeitungsverkauf und Kundenservice, die in die bereits existierende tariflose Tochtergesellschaft MVR Media Vermarktung Rheinland GmbH ausgegliedert werden sollen. Danach sei der Übergang von weiteren 70 Kölner Beschäftigten aus Finanzbuchhaltung, Personalabteilung und Einkauf in die ausgegründete MDS-Medienholding vorgesehen. Gleiches ist für die entsprechenden Verlagsteile bei der Mitteldeutschen Zeitung in Halle und im Berliner Verlag geplant. Bekannt war bereits, dass neun Kolleginnen und Kollegen aus den bisherigen Online-Redaktionen von Kölner StadtAnzeiger und Express in die tariflose Digital Redaktion von DuMont Net wechseln sollen. Das Abbauszenario betreffe etwa ein Viertel der jetzt noch 860 Beschäftigten, erklärt der stellv. Betriebsratsvorsitzende Heinrich Plaßmann. Dass Sozialplanverhandlungen geführt werden müssen, sei „unstrittig“. Auch die Schaffung einer Transfergesellschaft habe die Geschäftsführung bereits angedeutet. Allerdings wolle die Interessenvertretung zunächst über Alternativen debattieren und eigene Vorschläge einbringen, um Kündigungen zu verhindern. Ein erstes Gespräch Mitte Oktober verlief nicht sehr ermutigend: „Man machte uns klar, dass die Entscheidungen eigentlich gefallen sind“, so Plaßmann. Doch habe der Betriebsrat in Abstimmung mit ver.di ein Vorschlagspaket erarbeitet, das am 12. November übergeben werden soll. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen seien enthalten, selbst der Verzicht auf Tarifbestandteile nicht tabu, um auch über Abfindungs- und Altersteilzeitmodelle verhandeln zu können. Die „Kampfansage“ werde angenommen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

ARD-Krimis werden barrierefrei

Untertitelung, Audiodeskription, Gebärdensprache – das sind die so genannten barrierefreien Angebote, die gehörlosen oder extrem schwerhörige Fernsehzuschauer*innen gemacht werden. Die ARD sendet fast alle neu produzierten Folgen ihrer Krimireihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ auch mit Gebärdensprache. Beide Reihen seien „die ersten und aktuell die einzigen regelmäßigen fiktionalen Angebote mit Gebärdensprache in der deutschen Fernsehlandschaft“, erklärte die ARD.
mehr »

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »