Die DEFA: Keine Wende ohne Ende

Spur der Steine © Progress Klaus D. Schwarz
Bauarbeiter im Konflikt mit realitätsferner Bürokratie: „Spur der Steine“ und die von Manfred Krug geführte Baubrigade Balla verschwanden 1966 wenige Tage nach der Premiere aus den Kinos.

„Die Geschichte ist ein Drehbuch von miserabler Qualität“, sagte einst Regisseur Norman Mailer. Auf keine Geschichte trifft dieser Satz wohl so wenig zu wie auf die des Studios Babelsberg in Potsdam. Vor 30 Jahren stand man dort nicht zum ersten Mal an einem Wendepunkt. Er markierte das Ende der ostdeutschen DEFA und zugleich den Beginn von etwas Neuem. Doch der Weg zu alter Größe war beschwerlich. Auf der Strecke blieben wie nicht selten: die Menschen.

Eröffnungsfeier zur DEFA-Gründung 1946
Foto: Abraham Pisarek/Deutsche Fotothek‎ [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)]
Etwa 750 Spielfilme, darunter circa 150 Kinderfilme, rund 600 Spielfilme für das Fernsehen, 750 Animationsfilme, 2250 Dokumentar- und Kurzfilme sowie 2006 Folgen der DEFA-Wochenschau „Der Augenzeuge“. Das ist die Bilanz in Zahlen der Deutschen Film AG, kurz DEFA, gegründet am 17. Mai 1946 in den Althoff-Ateliers in Potsdam-Babelsberg. Dahinter stehen weitere Zahlen: 2.400. So viele Menschen beschäftigte die DEFA in den 80er Jahren allein beim Spielfilmstudio in Potsdam-Babelsberg. Dazu kamen etwa 250 Beschäftigte beim 1955 gegründeten DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden und weitere fast 900 in den DEFA-Studios für Wochenschau- und Dokumentarfilme in Berlin und Potsdam-Babelsberg. Alle fest angestellt – dank staatlicher Subventionierung der Monopol-Filmgesellschaft DEFA.

Kreativitätsschub nach dem Mauerfall

Doch mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 zerbrach auch das Fundament der sicheren Alimentierung. Filme wurden dennoch weitergedreht, noch bis 1993. Auch nachdem das DEFA-Spielfilmstudio im Sommer 1990 an die Treuhandanstalt übergeben worden war, um es marktwirtschaftstauglich zu machen. Dafür hatte die nun vom Volkseigenen Betrieb (VEB) in eine Kapitalgesellschaft umgewandelte DEFA Studio Babelsberg GmbH 18 Millionen DM vom letzten DDR-Kulturministerium erhalten. In dieser Zeit entstanden viele der rückblickend künstlerisch wertvolleren und natürlich gesellschaftskritischsten Filme der DEFA-Geschichte: „Die Architekten“ von Peter Kahane, „Das Land hinter dem Regenbogen von Herwig Kipping, „Stein“ von Egon Günther oder „Die Verfehlung“ von Heiner Carow. Publikumserfolge seien diese Filme jedoch nicht geworden, schrieb Filmhistoriker und Vorstand der DEFA-Stiftung Ralf Schenk für einen Jubiläumsband zum 100. Geburtstag des Studios Babelsberg. „Erst nach und nach entwickelte sich ein Bewusstsein für ihren Wert als Zeitdokumente und Schlüsselwerke eines gesellschaftlichen Umbruchs ungeahnten Ausmaßes.“

Die DEFA-Spielfilmstudios Babelsberg in Potsdam 1952
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-14732-0017 / CC-BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Massenentlassungen des künstlerischen Personals

Wie fast immer bedeutet eine Wende jedoch auch ein Ende. In diesem Fall zunächst das Ende der Beschäftigung eines Großteils des künstlerischen Personals der DEFA. Die meisten der 2.400 Festangestellten im Spielfilmstudio Babelsberg werden zum Jahreswechsel 1990/91 entlassen. So wie der Kameramann Peter Badel. Oder die Drehbuchautorin Regine Sylvester. Als eine „Geisterstadt“ beschreibt diese das Studiogelände Babelsberg Anfang 1991:


„Die künstlerischen Mitarbeiter des DEFA-Spielfilmstudios in Potsdam-Babelsberg erledigen letzte Wege vor der Abmeldung in die Arbeitslosigkeit. […] Es ist die Stunde ernster, einzelner Zivilisten, die die Stationen eines absurden Laufzettels abarbeiten. […] Fast überall Alkoholgeruch, verbrauchte Luft in überheizten Räumen, eine verfahrene, ziellose Kumpanei in Untergangsstimmung, krähendes Auflachen eines Häufleins Menschen, das die letzten Tage im Warmen sitzt. […] Jetzt knirscht der Reif unter den Füßen und es kommt von der Kälte, daß die Laufzettel und die Atemwolken hinter jedem herflattern wie weiße Fahnen.“ (Regine Sylvester in „Publizistik und Kunst“ 3/1991)


Ralf Schenk/Sabine Scholze (Hg.): Die Trick-Fabrik. DEFA-Animationsfilme 1955–1990. Berlin: Bertz 2003. 544 Seiten, 48 Farbtafeln, 343 Abbildungen, 83 Farbfotos. ISBN: 3-929470-27-6.

Einige hatten auch Glück. Die damalige Filmgeschäftsführerin Marlies Deponte habe bereits den blauen Brief in der Hand gehabt, als sie gefragt worden sei, ob sie kaufmännische Leiterin des neuen Ausstattungszentrums mit Kulissenbau und Requisitenfundus werden wolle, erzählte sie vor einigen Jahren den Potsdamer Neuesten Nachrichten. Da habe sie ihre Abfindung wieder eingezahlt und die Arbeit ohne Unterbrechung aufgenommen.

Für die künstlerischen Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter dagegen gab es auch in den anderen DEFA-Studios wenig Hoffnung auf Weiterbeschäftigung als Festangestellte. Im Dresdner Trickfilmstudio wurden alle kreativ Arbeitenden der 248 Beschäftigten entlassen. Das Studio wurde 1992 an den MDR verkauft und in die DREFA Filmatelier GmbH umgewandelt. Das DEFA-Animationsfilm-Erbe wird heute vom Deutschen Institut für Animationsfilm (DIAF) in Dresden und der DEFA-Stiftung in Berlin verwahrt.

Drama in unzähligen Akten: die Abwicklung der DEFA-Dokumentarfilmstudios

Für die Öffentlichkeit ähnlich geräuschlos vollzog sich auch die Abwicklung des DEFA-Dokumentarfilmstudios in der Berliner Otto-Nuschke-Straße (heute Jägerstraße) sowie der Dokumentarfilmabteilung in Potsdam-Babelsberg. Tatsächlich jedoch glich das „Ende der DEFA-Dokumentaristen“ einem veritablen „Todeskampf“, befand der preisgekrönte Dokumentarfilmregisseur und, gemeinsam mit seiner Frau Barbara, Macher der Langzeitdokumentation „Die Kinder von Golzow“ Winfried Junge Anfang 1991 in der „Publizistik und Kunst“:


Ein aussichtsreiches marktwirtschaftliches Konzept der Geschäftsführung zur Weiterführung des Betriebes liegt nach Meinung der Belegschaft nicht vor. Es beschränkt sich noch mehr oder weniger auf deren Abbau. Und kapitalkräftige Gesellschafter mit Bereitschaft zu Investitionen haben sich bisher nicht gefunden.“ (Winfried Junge in „Publizistik und Kunst“ 3/1991)


Zum 1. Mai 1950 hat auch die DEFA-Dokumentarfilm in der Otto-Nuschke-Straße ihr Gebäude zum 60. Weltfeiertag der Arbeit festlich geschmückt.
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-S96024 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)]
Bis März 1991 wurden 370 der rund 600 Beschäftigten im Berliner Betriebsteil entlassen, bis zum Sommer 1991 waren in den Dokumentarfilmstudios in Berlin und Potsdam-Babelsberg von ursprünglich 860 noch 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übrig. Gekündigt wurde zunächst überwiegend das künstlerische Personal. Ende April 1992 hat die Treuhand dann den Verkauf des Berliner Studios an die Kirch-Gruppe beschlossen, die Babelsberger Dokumentarfilm-Abteilung war von diesem Geschäft abgetrennt worden. Als letzte Bastion musste das Archiv die Räume in der Jägerstraße 32 in Berlin-Mitte bis Ende August 92 verlassen. Das Dokfilm-Archiv zog im September in die Berliner Burgstraße in die Räumlichkeiten der PROGRESS Film Verleih AG, des DEFA-Monopol-Verleihs, der noch nicht privatisiert war.

Die verbliebenen Berliner Archivmitarbeiter*innen wurden bei der Dokfilm Gesellschaft für Film-, Video- und TV-Produktion mbh i.G., dem noch übriggebliebenen Babelsberger Betriebsteil, angestellt. Dort war bei den damals noch rund 60 Beschäftigten Ende 1993/Anfang 1994 erneut Hoffnung aufgekeimt. Der Verkaufsdeal mit der Münchner Filmhaus GmbH war geplatzt, weder der Kaufpreis war bezahlt noch die vereinbarten Investitionen waren geleistet worden, sodass die Treuhand die Babelsberger Dokfilm im Juli 1993 zurückfordern musste. Diese habe daraufhin signalisiert, so der damalige Betriebsratsvorsitzende Axel Otten Anfang 1994 gegenüber „Publizistik und Kunst“, die Dokfilm sanieren und weitere Investitionen zur Verfügung stellen zu wollen.

Das ehemalige DEFA-Dokumentarfilmstudio ist heute ein Geschäftshaus in der Jägerstraße 32 in Berlin-Mitte. Bis 2009 gehörte es zum Sat1-Hauptstadtstudio.
Foto: Jörg Zägel [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]
Doch das bittere Ende ließ nicht lange auf sich warten. Im Dezember 1994 wurde entgegen aller Absichtserklärungen die endgültige Abwicklung des ehemaligen DEFA-Studios für Dokumentarfilm in Potsdam-Babelsberg bekannt. Der Geschäftsbetrieb wurde zum 1. Januar 1995 an die neugegründete Dokfilm Fernsehproduktion GmbH veräußert, an der der Ostdeutsche Rundfunk Bandenburg (ORB) und die Studio Babelsberg GmbH zu je 35 Prozent sowie der Filmwirtschafter Rudolf Steiner mit 30 Prozent beteiligt waren. Lediglich 17 der etwa 60 übriggebliebenen Mitarbeiter*innen wurden übernommen.

Babelsberger Spielfilmstudios verkauft und eingedampft

Nicht besser, aber wegen der bedeutenderen Größenordnung deutlich schneller vollzog sich dagegen die Privatisierung der Babelsberger Spielfilmstudios. Über Wasser gehalten hatten die sich nach dem Mauerfall zunächst durch Auftragsproduktionen und die Einnahmen aus dem 1991 gegründeten Babelsberg Film- und TV-Erlebnispark, der von 150 ABM-Kräften betrieben wurde, darunter arbeitslose Chemie-Laborantinnen und Sportlehrer.

Der Filmpark Babelsberg mit den Hallen im „Gewerbe im Park“ im Jahr 2008.
Foto: Studio Babelsberg AG

Im Sommer 1992 veräußerte die Treuhand die DEFA Studio Babelsberg GmbH dann an den französischen Konzern Compagnie Générale des Eaux (CGE, seit 1998 der größte französische Medienkonzern Vivendi). Kaufpreis waren rund 130 Millionen Mark. Alle übrigen 740 der ursprünglich 2.400 Beschäftigten wolle man behalten und bis zum Jahr 2000 auf 3500 aufstocken, so die vollmundige Ankündigung des Konzerns bei der Übernahme. Geschäftsführer des Unternehmens, das nun Studio Babelsberg GmbH heißt, wird Regisseur Volker Schlöndorff, der sich in seiner Biographie erinnert, wie es vor allem die ehemaligen DEFA-Mitarbeiter*innen gewesen seien, die ihm die Kraft gegeben hätten, sich dieser schwierigen Herausforderung zu stellen:


„Angesichts der desolaten Zustände vor Ort war ich zunächst geneigt, mich von dem ganzen Unternehmen zurückzuziehen. Aber dann traf ich die Menschen auf dem Gelände, die Fahrer, die Kunstmaler, die Stuckateure, die Tonleute, die Putzmacherinnen, die Tischlermeister, Beleuchter und Bühnenarbeiter – die meisten von ihnen in der zweiten oder dritten Generation beim Film. Im Umgang mit ihnen spürte ich sofort eine Art zunftmäßige Gemeinsamkeit. […] Ich begriff, dass uns hier durch einen Unfall der Geschichte ein klassisches Filmstudio der Zwanziger Jahre auf dem Präsentierteller dargeboten wurde, komplett mit Technikern, Handwerkern und ungebrochenen Traditionen, die zurückreichen bis zu den Anfängen des Kinos. (Volker Schlöndorff in seiner Autobiographie „Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme.“)


Die flexible Außenkulisse „Metropolitan Backlot / Neue Berliner Straße“ ist eine der größten Außenkulissen Europas und wurde 1998 für den Film „Sonnenallee“ gebaut. Seitdem wurden hier zahlreiche nationale und internationale Filme und Serien gedreht, zuletzte etwa die ARD Degeto/Sky-Serie „Babylon Berlin“
Foto: Studio Babelsberg AG

Fünf Jahre später – kurz vor dem Wechsel Schlöndorffs von der Geschäftsführung in den Aufsichtsrat – arbeiten für die Studio Babelsberg GmbH noch 325 Beschäftigte! Und die müssen nun erneut um ihren Arbeitsplatz bangen. Hätte man die Gehälter nicht ständig erhöht, klagte Manager Pierre Couveinhe auf einer Betriebsversammlung Ende 1996, würde das Unternehmen keine Verluste einfahren. Entweder man würde 135 Beschäftigte entlassen oder die Belegschaft verzichte auf die in den nächsten beiden Jahren anstehenden Tariferhöhungen, dann müssten nur noch 95 Mitarbeiter*innen gehen. Und Schlöndorff kündigte an: Der Strukturwandel der Babelsberger Studios vom Filmstudio zu einem Dienstleister erfordere weniger feste und noch mehr freie Mitarbeiter*innen. Deutlich weniger als angekündigt – dank des Widerspruchs des Betriebsrats –, aber immerhin noch 50 Kündigungen wurden dann im Sommer 1997 ausgesprochen, betroffen waren vor allem die Kostümabteilung und die Ausstattung.

Großproduktionen und schwarze Zahlen

Luftaufnahme der flexiblen Außenkulisse „Neue Berliner Straße“
Foto: Studio Babelsberg AG

So war das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten bis zuletzt von Auseinandersetzungen und Misstrauen geprägt. Auch geschäftlich blieb der Investor ohne Fortune. Einzelne Erfolge und Errungenschaften wie der Aufbau der Medienstadt Babelsberg, der erfolgreiche Ausbau des Erlebnisparks mit Studiotour oder der erfolgte Umbau zum Komplettdienstleister mit dem seit 2001 modernsten Tonstudio Europas können das wirtschaftliche Scheitern nicht verhindern. 2004 verkauft Vivendi die Studio Babelsberg GmbH für einen symbolischen Preis von einem Euro an die Filmproduzenten Dr. Carl L. Woebcken und Christoph Fisser. Die Medienmanager brachten das Unternehmen an die Börse und profitierten von der Einführung des Deutschen Filmförderfonds im Jahr 2007. So gelang es unter ihrer Führung, verstärkt internationale Großproduktionen nach Babelsberg zu holen und die Studios langfristig profitabel zu machen. Heute ist die Studio Babelsberg AG das größte Filmstudio Europas und schreibt schwarze Zahlen. Das Jahr 2018 hat man laut Geschäftsbericht mit einem Gewinn von fast 2,5 Millionen Euro abgeschlossen. 89 Festangestellte beschäftigt der Konzern noch, dazu kommen 170 filmprojektbezogene befristete Mitarbeiter*innen. Einen Tarifvertrag gibt es allerdings nicht.

Christoph Fisser, Ulrich Junghanns (Minister für Wirtschaft Land Brandenburg), Ulrich Kling (Leiter Studio- und Atelierbetrieb in der Studio Babelsberg AG), Dr. Carl L. Woebcken (v.l.n.r.) bei einer Pressefahrt 2006 vor den neuen Filmhallen und Außenkulissen für die Magnolia-Produktion „Der Fälscher“
Foto: Chr. v. Polentz/transitfoto.de

Erbe gut verwahrt – Filmemacher gehen leer aus

Das materielle Erbe der DEFA – nicht die Immobilien, sondern die Filme – verwaltet heute die im Dezember 1998 gegründete DEFA-Stiftung mit Sitz in Berlin. Sie besitzt die unveräußerlichen Leistungsschutz- und Nutzungsrechte am Filmbestand der DEFA, der auch heute noch vom einstigen DDR-Monopol-Verleih Progress Film-Verleih ausgewertet wird.

An den Einnahmen, die die DEFA-Stiftung aus der Verwertung des Filmerbes erzielt, partizipieren die ehemaligen DEFA-Künstler*innen nicht. Denn, so heißt es auf Anfrage aus der Stiftung: Da die Filmschaffenden früher festangestellt gewesen seien, seien sie für ihre(n) Film(e) auch bereits von der DEFA vergütet worden. Die Stiftung kümmere sich „jedoch um den Erhalt und die Pflege des filmischen Erbes der Künstlerinnen und Künstler“ und beteilige sie an den eigenen Projekten, wie etwa die digitale Restaurierung der Filme oder die Durchführung und Vermittlung von Film- und Zeitzeugengesprächen.

Auch Peter Badel, der einstige Kameramann bei der DEFA, der zu den Gekündigten des Jahreswechsels 1990/91 gehörte, wurde von der DEFA-Stiftung bereits gefördert und sieht in ihr nicht nur deshalb eine gute Partnerin, wie er betont. „Das Aus einer finanziellen Abgeltung von neuen Nutzungsformen, die zur Wende noch gar nicht bekannt waren, das ist natürlich dennoch nicht schön“, räumt Badel allerdings ein. „Und es ist auf Dauer garantiert falsch, so gut wie nichts bezahlt zu bekommen, während die Filme massenhaft ausgestrahlt werden.“ Dennoch sehe er das relativ gelassen, denn „vielleicht ist da auch das letzte Wort noch nicht gesprochen“, meint Badel in Anspielung auf die rund eine halbe Million Euro Nachhonorierung, die der Kamerachef von „Das Boot“ Jost Vacano 2017 gerichtlich erstritten hat. Dass auch ehemalige DEFA-Kreative irgendwann einmal auf Nachvergütung klagen, könne er sich durchaus vorstellen – zumindest sei das „eine Hoffnung am fernen Horizont“.

Das seitens der DEFA-Stiftung vorgebrachte Argument, das künstlerische DEFA-Personal sei schließlich festangestellt gewesen, lässt Kameramann Badel nur zum Teil gelten. Denn eines findet er schlichtweg „monströs vereinfacht“: „Die Festanstellung beinhaltete zwei Zahlungen. Die erste Zahlung war das monatliche Minimalhonorar – das entsprach bei mir in etwa dem einer Verkäuferin. Die zweite Zahlung war die kriterienabhängige Erfolgsprämie entsprechend der Honorarordnung Film.“ Doch da dieser zweite, ungleich größere Teil der Vergütung erst bei Ausstrahlung des Films auch tatsächlich fällig wurde, gingen die künstlerischen Mitarbeiter*innen leer aus, deren Filme verboten oder aus politischen Gründen gar nicht erst fertiggestellt wurden.

Spur der Steine © Progress Klaus D. Schwarz
Bauarbeiter im Konflikt mit realitätsferner Bürokratie: „Spur der Steine“ und die von Manfred Krug geführte Baubrigade Balla verschwanden 1966 wenige Tage nach der Premiere aus den Kinos.

Diese Erfahrung habe Badel selbst beim Spielfilm „Der Schnauzer“ (1984, Regie: Maxim Dessau) oder bei den Dokumentarfilmen „Das Haus“ (1984) und „Volkspolizei“ (1985), beide Regie von Thomas Heise, gemacht. So seien letztere zu DDR-Zeiten niemals ausgestrahlt worden und „sind laut Protokoll eigentlich vernichtet worden. Heute laufen sie aber andauernd“, stellt Badel fest. Als beteiligter Kameramann sieht er dafür keinen Cent – weder damals noch heute. Das sei „unglücklich“.

Für dieses „Ungerechtigkeitsgefühl bei den DEFA-Filmemachern“ habe man natürlich grundsätzlich Verständnis, heißt es aus der DEFA-Stiftung. Tatsächlich stehe den Filmschaffenden aber leider aus rechtlicher Sicht kein Vergütungsanspruch zu: „Dieser kann auch nicht auf § 36 UrhG gestützt werden. Das hat der BGH mit ‚Barfuß ins Bett‘ (ZR 283/98)  bestätigt“. Darüber hinaus sei es der gemeinnützigen Stiftung aus rechtlichen und finanziellen Gründen ohnehin nicht gegeben, andere Vergütungsregeln festzulegen. Über kuratierte Festivals, DVD-Publikationen und andere Projekte versuche man dennoch, das Ansehen der Filmemacher zu stärken.

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