Erster Sozialplan in einem Internet-Unternehmen abgeschlossen

Nach der ersten Kündigungswelle hatten die Mitarbeiter des Münchner Internet-Unternehmens Junior-Web genug davon, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Nachdem sie tatenlos zusehen mussten, wie die Kollegen auf Geheiß des damaligen Mutterunternehmens EM.TV von einem Tag auf den anderen wahllos entlassen wurden, gaben sich die Verbliebenen mit Hilfe von connexx.av eine eigene Interessenvertretung. Vorgemacht hatten es die Kollegen der Konzernmutter bereits wenige Wochen zuvor.

Der Betriebsrat von Junior-Web war gerade erst kurze Zeit im Amt, als die nächsten dunklen Wolken aufzogen: Der bisherige Mehrheitsgesellschafter EM.TV verkaufte seinen Internetableger an den bisherigen Minderheitsgesellschafter Victory Media, nachdem sämtliche Rechte an die Konzernmutter zurückgegeben werden mussten, für den symbolischen Preis von einer Mark (Seitdem heißt es auch in der Branche „Haste mal ne Mark – haste mal nen Start-up“).

Mit der Umfirmierung zu „Broadcast Corporation Company“ und der Einsetzung eines neuen Geschäftsführers war klar, dass das Unternehmen erheblich verkleinert werden würde. Wenigstens werden diesmal die Kündigungen in einem geordneten Verfahren durchgeführt. Der Betriebsrat verhandelte wochenlang gemeinsam mit connexx.av einen Sozialplan, der angesichts der schwierigen Situation des Unternehmens die Kündigungen der Mitarbeiter wenigstens sozial abfedert.

Neben einem Sockelbetrag von 2000 DM und einem weiteren Steigerungsbetrag von einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr konnte ein Zuschuss für jedes Mitarbeiterkind in Höhe von 2500 DM, für jedes alleinerzogene Kind gar von 4000 DM erzielt werden. Auch für die Volontäre des Unternehmens konnte in dem ersten Sozialplan in einem Internet-Start-Up eine sinnvolle Lösung gefunden werden.

Mit dem 30. September war aber dennoch für die meisten Mitarbeiter Schluss. Für diejenigen, die einen anderen Arbeitsplatz in der Zwischenzeit fanden, bestand die Möglichkeit, sich vorzeitig unwiderruflich freistellen zu lassen. Für die anderen bleibt zu hoffen, dass sie trotz der gegenwärtig schwierigen Situation in der Branche bald einen neuen, vielleicht stabileren Arbeitsplatz finden.

Viele werden aber in ihr nächstes Unternehmen wohl die Erfahrung mitnehmen, wofür ein Betriebsrat und die Gewerkschaft gut ist.

;

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »

Media Hub Riga: Ein sicherer Ort

Wer den Media Hub Riga besuchen will, bekommt vorab von Leiterin Sabīne Sīle die Anweisung, die Adresse nicht weiterzugeben und keine Fotos zu machen, die seine Lage preisgeben. Drinnen wartet die alltägliche Atmosphäre eines Büros. Der Media Hub wirkt wie ein gewöhnlicher Co Working-Space – nur freundlicher. An den Wänden hängen Fotos von lächelnden Menschen am Strand, eine Girlande aus Orangenscheiben schmückt den Flur. Luftballons, auf denen „Happy Birthday“ steht, zeugen von einer Geburtstagsparty.
mehr »

Das Trauma der anderen

Damit musst du halt klar kommen.“ So oder so ähnlich. Eine Antwort, die viele Journalist*innen lange als Reaktion kannten, wenn sie zum Ausdruck brachten, dass sie mit einem Gegenstand in der Berichterstattung nicht zurechtkamen. Oder wenn der Stress des Produktionsdrucks in der Redaktion ihnen Probleme bereitete. Wenn sich der berufliche Kontakt mit Menschen, die Gewalterfahrungen machen mussten, auf die eigene Psyche auswirkte. Aber auch, wenn sich innerhalb strikter Hierarchien in den Medienhäusern wenig Raum fand, akute Belastung oder Mobbing zu thematisieren, es an Ansprechpartner*innen unter den ebenfalls gestressten Kolleg*innen mangelt.
mehr »