Die Fernseh- und Filmproduktion ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu einem ökonomisch gewichtigen Faktor gewachsen. Der Kenntnisstand über die Branche ist aber immer noch relativ gering. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vergibt auch aus eigenem medienökonomischen Interesse seit Jahren einen Forschungsauftrag. Die darauf basierenden Studien zeigen eine über die Jahre gewachsene Nachfrage nach Auftragsproduktionen für das Fernsehen. Die Nachfrage lag in den letzten Jahren kontinuierlich bei über 700.000 Minuten pro Jahr. Gewachsen ist zudem das Produktionsvolumen von Kinofilmen. Die jüngste Studie für die Jahre 2013 und 2014 bestätigt diese Tendenzen erneut.
Erhalten geblieben ist über die Jahre trotz des Wachstums eine sehr kleinteilig strukturierte Branche. Sie besteht aus einer Vielzahl von, häufig sehr kleinen, Firmen. Bemerkenswert ist gerade wegen der Vielzahl dieser kleinen Betriebe der hohe Konzentrationsgrad der Branche zu Gunsten der führenden Gruppen. Dieser Konzentrationsgrad ist 2013 zwar leicht rückläufig gewesen, 2014 aber wieder gestiegen. Den hohen Konzentrationsgrad verdeutlicht der Marktanteil der zehn größten Produktionsgruppen: Sie haben 2014 fast die Hälfte der gesamten Auftragsproduktion für deutschsprachige Fernsehsender erstellt (49,3 %). Dieser Wert und auch jene für die drei bzw. für die fünf größten Gruppen ist allerdings immer noch niedriger als in den Jahren 2005 und 2006, den Jahren mit der höchsten Konzentration. Die fünf größten Gruppen haben 2014 einen Anteil von fast einem Drittel an der Gesamtproduktion.
Auch wenn man die Gruppe auf die zwanzig volumenstärksten Produzenten erweitert, zeigt das steigende Gesamtvolumen die wachsende Konzentration, wenngleich nur mit mäßiger Steigerung. 2012 hatte das Gesamtvolumen bei 435.000 Minuten gelegen. 2013 waren es 441.000 Minuten und 2014 453.000 Minuten. In der Rangfolge der führenden Gruppen hat es 2013 leichte Veränderungen gegeben. Studio Hamburg ist ein wenig auf, die Fernsehmacher sind gleichfalls in Hamburg ein wenig abgestiegen. Die drefa-Gruppe hat sich wieder unter den führenden etabliert. 2014 sind die Veränderungen noch geringer. Zumal es bei den drei führenden Gruppen keinerlei Veränderungen gegeben hat: Die MME-Gruppe auf Rang 1 profitiert von ihrer Stellung bei den Doku-Soaps. Ähnliches gilt für die drittplatzierte Gruppe, die Constantin Film. Die UFA/RTL-Gruppe verdankt ihre Zweitplatzierung dagegen ihrem hohen Output bei den Serien.
Steigende Anzahl an Produktionsbetrieben
Die Anzahl der Produktionsbetriebe in Deutschland ist im Jahr 2013 wieder gestiegen. Dieses Wachstum hält seit Jahren mit kurzen Unterbrechungen an. 2013 ist mit 897 aktiven Firmen ein Rekordwert erzielt worden, der um knapp 50 Firmen über dem Vorjahr liegt. Als aktive Produktionsbetriebe werden in dieser Studie Firmen bezeichnet, die in den einzelnen Untersuchungsjahren mindestens eine Produktion von 15 Minuten oder mehr hergestellt haben bzw. wenigstens als Koproduzent an einer solchen Produktion beteiligt waren. 2014 ist die Anzahl der Firmen zwar auf 864 gesunken, doch auch dieser Wert lag noch über jenem für 2012 (848), allerdings unter dem bisherigen Spitzenwert von 2011 (887).
Bezeichnend für die regionale Entwicklung der Branche ist, dass diese Veränderungen vor allem die führenden Produktionsländer Bayern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen betreffen: Der Zuwachs von 2012 auf 2013 wurde ausschließlich in diesen vier Produktionsländern erzielt. Der Verlust an aktiven Firmen war dann 2014 bei diesen Ländern auch besonders hoch. Die Konzentration der Gesamtbranche auf die vier Länder ist seit Jahren stabil und mit gut 75 Prozent sehr hoch. Daran haben in den letzten Jahren auch diverse Förderprogramme in einzelnen der anderen Länder nichts geändert. Gleichwohl werden diese Förderbemühungen auch mit neuen Instituten (zuletzt in Hessen und in Rheinland-Pfalz) fortgesetzt oder intensiviert.
Die größte Anzahl aktiver Produktionsfirmen weist nach wie vor Berlin auf. 2013 waren es 212, ein Jahr später 196 Firmen. Auf Rang 2 nach der Firmenanzahl liegt gleichfalls seit Jahren Nordrhein-Westfalen mit 191 Firmen 2013 und 182 Firmen 2014. Fast gleichauf ist die bayerische Branche mit 187 Firmen bzw. 181 platziert. Hamburg ist dagegen weit abgeschlagen. 103 aktive Firmen waren dort 2013 angesiedelt, 92 im Jahr darauf. Der Abstand zwischen Hamburg und den größten Branchen in den sonstigen Ländern ist allerdings nach wie vor deutlich. Die Anzahl aktiver Firmen z. B. in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen ist gegenüber 2012 nicht wesentlich verändert. In den übrigen Ländern sind von 2012 bis 2014 gleichfalls größere Veränderungen ausgeblieben.
Einen ersten Anhaltspunkt über den Zustand der Produktionsbranche zeigt das durchschnittliche Produktionsvolumen der Firmen. Da nicht nur die Anzahl der aktiven Firmen gestiegen ist, sondern insbesondere 2013 auch das gesamte Produktionsvolumen, hat sich die durchschnittliche Jahresproduktion praktisch nicht verändert. 2012 lag dieser Wert bei 866 Minuten je Firma, 2013 bei 864. 2014 ist der Wert dann leicht auf 855 Minuten gesunken. Im Langzeitvergleich wird deutlich, dass diese Werte für die aktuellen Untersuchungsjahre mit die geringsten während der gesamten Langzeituntersuchung seit 1999 sind. Das ist sicher kein Zeichen für ein auskömmliches Einkommen einer Branche, die schon zuvor sehr kleinstrukturiert war und dies nun noch ausgeprägter ist.
Dieser Befund gilt für die Branchen in einzelnen Bundesländern wegen sehr unterschiedlicher Strukturen nicht einheitlich. In Berlin und in den sonstigen Ländern wird der Durchschnittswert der Gesamtbranche nicht erreicht. Die Berliner Produzenten lagen mit 377 Minuten 2014 und 447 Minuten 2013 deutlich darunter. Dies ist insbesondere auf die Vielzahl von Kinofilmproduzenten und Firmen mit Schwerpunkt in den Informationsgenres zurückzuführen. Kinofilme werden nun mal weniger pro Jahr produziert als etwa Fernsehserien, gleiches gilt für Dokumentationen und Reportagen. Das ist auch im großen Teil der Branchen in den sonstigen Ländern so. Mit 590 Minuten 2014 und 702 Minuten 2013 erreichten sie ein nur dürftiges Niveau. In der Nähe der Gesamtdurchschnittswerte lagen die bayerischen Produzenten mit 982 Minuten 2014 und 885 Minuten 2013. Durchschnittlich etwas mehr produzierten die Betriebe in Hamburg. Der Jahresoutput betrug 1.026 Minuten 2014 und 927 Minuten 2013. Erneut mit deutlichem Abstand die besten Werte erreichte die Branche in Nordrhein-Westfalen. Die Betriebe weisen einen Output von 1.461 Minuten 2014 und 1.442 Minuten 2013 aus. Sie blieben damit auf hohem Niveau stabil.
Abhängige und unabhängige Firmen
Die Studie unterscheidet Firmen, an denen Sender oder deren Eigner beteiligt sind (abhängige Betriebe), und Firmen ohne Senderbeteiligung (unabhängige Betriebe). Die mit Sendern bzw. deren Eignern kapitalmäßig verflochtenen abhängigen Firmen haben seit Jahren einen Anteil von knapp über 10 Prozent an der Gesamtzahl der Betriebe. Das gilt auch für die beiden Untersuchungsjahre, in denen jeweils gut 90 abhängige Firmen aktiv waren (2013: 94; 2014: 92).
Abhängige Firmen
Abhängige Beteiligungsunternehmen im Sinne der Studie sind Firmen, an denen Sender oder die Eigner von Sendern maßgeblich beteiligt sind. Als maßgeblich gilt – wie im Kartellrecht – eine Beteiligung ab mindestens 25 Prozent. Solche über das Kapital verflochtenen Firmen werden zu Gruppen zusammengeführt. Dabei werden neben Tochterunternehmen auch deren Beteiligungsfirmen (Enkelstufe) berücksichtigt. Insbesondere bei Privatsendern kommt hinzu, dass diese nicht nur selbst Beteiligungen halten, sondern auch deren Eigner. Beispiel: Die RTL-Gruppe besitzt selbst mehrere Produktionsfirmen. Zudem ist auch der RTL-Eigner Bertelsmann an zahlreichen Produktionsfirmen beteiligt, u.a. an der UFA-Gruppe. Zusammen bilden diese Firmen die RTL/UFA-Gruppe, die gemessen am Produktionsvolumen zweitgrößte Gruppe in Deutschland. Bei der Berechnung des Produktionsvolumens einer Gruppe wird die Produktion nur in der Höhe der Beteiligung der Gruppe zugerechnet. Beispiel: Ist die Gruppe mit 50 Prozent an einer Firma beteiligt, wird nur die Hälfte von deren Produktionsvolumen der Gruppe zugerechnet (anteilige Zurechnung).
Das Produktionsvolumen der abhängigen Firmen ist gesunken: 2013 von 340.000 auf 300.000 Minuten und 2014 auf 233.000 Minuten. Der Anteil an der Gesamtproduktion lag 2013 bei 39 und 2014 bei nur noch 32 Prozent. In den beiden Vorjahren waren es noch rund 46 Prozent gewesen. Die abhängigen Betriebe erzielten 2013 eine durchschnittliche Jahresproduktion von 3.100 Minuten und 2014 von gut 2.500 Minuten. Der Durchschnittswert für 2013 reiht sich noch ohne Auffälligkeiten in die Werte der Vorjahre ein. Die Werte für 2014 weichen allerdings deutlich von den Vorjahren ab. Der Anteil der abhängigen Firmen fiel auf 32 Prozent, eine Größenordnung, die zuletzt 2003 erreicht wurde. Der Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die MME-Gruppe nicht mehr zu den abhängigen Betrieben zählt. Die Eigner der MME-Gruppe hatten ihre parallele Beteiligung an der Sendergruppe ProSiebenSat.1 verkauft.
Wichtig für die Branche ist aber der Vergleich mit den Produktionsvolumina der unabhängigen Firmen. Diese erreichten in 2014 durchschnittlich ein Produktionsvolumen von 654 Minuten. Das durchschnittliche Produktionsvolumen der abhängigen Betriebe war knapp viermal so groß wie jenes der unabhängigen. Diese in der Langzeitstudie immer wieder nachgewiesene Differenz deutet auf einen Wettbewerbsnachteil der unabhängigen gegenüber den abhängigen Firmen, der nach wie vor sehr groß ist.
Fernsehen und Kino
Der hohe Marktanteil der abhängigen Firmen dürfte auch deshalb Bestand haben, weil die zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten zählenden Produktionsgruppen Bavaria und Studio Hamburg weiterhin expansiv in der Produktionsbranche agieren und auch das ZDF hier investiert. Da sowohl bei den entsprechenden ARD-Anstalten als auch beim ZDF keine Umkehr in Bezug auf den Besitz von Produktionsunternehmen erkennbar ist, werden die Beteiligungsunternehmen der Anstalten die Anzahl und den Marktanteil der abhängigen Unternehmen auch künftig stabilisieren.
Die MME-Gruppe gehört der britischen All3Media-Gruppe. Auch andere ausländische Investoren haben in deutsche Produktionsfirmen investiert. So hat etwa die niederländische Talpa-Gruppe (Endemol) die Schwartzkopff Produktion von Springer übernommen. Die frühere Endemol-Gruppe wurde auf die Firma Shine Germany verschmolzen, die den US-Firmen 21 Century Fox und Apollo Global gehört. 2014 hat der Konzern Warner Bros. die Eyeworks Holding in Amsterdam übernommen und damit auch die Eyeworks-Firmen in Deutschland. Letztlich wird auch die BBC, bislang nur randständig in Deutschland tätig, das Engagement ausweiten. Das Gemeinschaftsunternehmen mit der MME-Gruppe, die Tower Productions, soll deutlich ausgebaut werden, indem die Aktivitäten der MME Entertainment auf sie übertragen werden. Die genannten ausländischen Akteure dürften zunächst mit der Restrukturierung und zum Teil auch mit der Integration ihrer Erwerbungen ausgelastet sein und kaum für weitere Zukäufe in Frage kommen. Die Lukrativität des deutschen Marktes ist aber offensichtlich groß genug, um weiterhin für ausländisches Kapital interessant zu bleiben.
Umgekehrt gilt allerdings auch weiterhin, dass deutsche Unternehmen in ausländische Produktionsbranchen investieren. Der Bertelsmann-Konzern ist längst global tätig. Der Produktionsarm Fremantle Media agiert aber ohne Bindung an die deutsche UFA/RTL-Gruppe. Die ProSiebenSAT.1-Gruppe hat ihren Auslandsbesitz planmäßig ausgebaut und strebt eine Erweiterung des Produktionsbereichs weiterhin an. Andere deutsche Unternehmen sind zurückhaltender, die Engagements deutlich kleiner. Die Bavaria-Gruppe ist auch in Italien und in Österreich aktiv. Auch Tele-München-Gruppe ist in Österreich engagiert. Zudem bestehen Auslandsbeteiligungen im Bereich der Kinofilmproduktion.
FORMATT-Studie
Das FORMATT-Institut in Dortmund untersucht seit 1998 im Auftrag der Staatskanzlei NRW die Auftragsproduktion von Firmen in Deutschland für deutschsprachige Fernsehprogramme sowie die Kinoproduktion (seit 1999). Die Studie misst das Produktionsvolumen in Minuten. Gegenstand sind sämtliche TV-Produktionen mit einer Mindestlänge von 15 Minuten sowie Kinofilme. Nicht berücksichtigt werden die Eigenproduktionen von Sendern sowie (tages-)aktuelle Magazine, deren Beiträge häufig von den Sendern selbst erstellt werden bzw. von einer Vielzahl von Firmen zugeliefert werden. Die im Juli vorgestellte Untersuchung betrifft die Produktionsjahre 2013 und 2014. Der nebenstehende Beitrag ist ein leicht veränderter Auszug aus dem Endbericht zur Studie. Der komplette Endbericht kann bei der Staatskanzlei NRW heruntergeladen werden. https://mbem.nrw/sites/default/files/asset/document/formatt_studie_2013-2014.pdf