Statt Diskussion gab es Abmahnungen im Berliner Verlag
Die Kündigungswelle, die bereits bei diversen DuMont-Titeln im Berliner Verlag wütete, macht vor dem Flaggschiff Berliner Zeitung nicht halt. Nachdem das freiwillige Abfindungsmodell schon zu beträchtlicher Ausdünnung der Redaktion geführt hatte, wurden Ende Juni elf Beschäftigte gekündigt.
Es gab keine vorherige Debatte von Alternativen, wie das der Tarifvertrag vorschreibt. Wegen dieses Verstoßes will der Betriebrat klagen und widersprach den Kündigungen. Auch sonst formierte sich energischer Widerstand. Der Redaktionsausschuss wandte sich schriftlich an Vorstand und Aufsichtsrat, Belegschaftsvertreter fuhren eigens nach Köln, um mit dem Aufsichtsrat zu sprechen, wurden aber nicht vorgelassen. Wegen einer langen Betriebsversammlung war die „Berliner“ am 28. Juni nur als reduzierte Ausgabe erschienen. Bisheriger Höhepunkt: Ein Flashmob von Redakteurinnen und Redakteuren am 18. Juli vor den Beratungsräumen des Verwaltungsrates im Verlagshaus am Alex. Der geforderten 5-Minuten-Anhörung stellte sich niemand, doch zehn Tage später flatterten den Aufwieglern Abmahnungen ins Haus. Die Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch und der Sprecher des Redaktionsausschusses Jan Thomsen wollen juristisch dagegen vorgehen.
Nach langer Verweigerung wird sich die Geschäftsführung Anfang August Vorschläge von Betriebsrat und Beschäftigten wenigstens anhören. Um die Kündigungen zu verhindern, wären Kolleginnen und Kollegen etwa durch – zumindest befristete – Teilzeitarbeit bereit, Stellenanteile in der Redaktion freizumachen. Betriebsratschefin Renate Gensch kritisiert, dass die absehbare Fluktuation durch Altersteilzeit sowie die Neuschaffung von acht Stellen im Online-Bereich den Kündigungen nicht gegengerechnet würden. Am 22. Juli tagte erstmals die Einigungsstelle, bei der es um einen Sozialplan für vom Personalabbau Betroffene geht.