„Giganten von der Ruhr“ machen Zusatzgewinne durch Sparkonzert

WAZ-Gruppe verordnet ohne Not flächendeckenden Einstellungsstopp

Eigentlich ist „Gleichschritt“ nicht gerade ihre bevorzugte Gangart. Doch in Zeiten lautstarken Wehklagens des bundesdeutschen Verleger-Chores über zum Teil tatsächlich massive Einbrüche im Anzeigengeschäft und daher bröckelnde Renditen passen sich auch die Chefs der nach wie vor hoch profitablen WAZ-Mediengruppe an: Sie verordneten ihren nordrhein-westfälischen Blättern ein knallhartes Sparkonzept. In den Redaktionen ist bereits von einem „bedrückenden Ausnahmezustand“ und von „herben Belastungen“ die Rede.

Und das hat gute Gründe. Seit eh und je hatten die Statthalter des Essener Konzerns – Erich Schumann und der mittlerweile aus dem operativen Geschäft ausgeschiedene Günter Grotkamp – die Redaktionen ihrer Tageszeitungen personell knapp gehalten. Wo andere Häuser angesichts jahrelanger Dumpingpreise beim Zeitungspapier und unter anderem Vodafon-bedingter Rekordgewinne im Überschwang der Gefühle personell „Speck“ ansetzten, ackern die Redakteurinnen und Redakteure der WAZ-Blätter trotz gewaltiger Mehrbelastungen durch zusätzliche Online-Beiträge, Beilagen, Sonderproduktionen und Ausweitungen redaktioneller Angebote ohne neue Stellen einfach noch ein bisschen mehr.

Längst sind die Redaktionen von WAZ, „Westfälischer Rundschau“, „Neue Ruhr / Rhein Zeitung“ und „Westfalenpost“ (Gesamtauflage 1,2 Millionen Exemplare) an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Und dann dies: Zunächst bis Mitte nächsten Jahres verordneten die Verlagsmanager ihren Blättern einen flächendeckenden Einstellungsstopp. Davon betroffen sind alle Stellen in den Redaktionen. Befristete Verträge laufen aus, Entfristungen werden nicht mehr vorgenommen. Darüber hinaus wurden personelle Vertretungen bei Urlaub, Krankheit, Mutterschaft, Erziehungsurlaub in Redaktionen und Sekretariaten gestrichen, gleichzeitig sollen frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden. Und auch die Zahl der beschäftigten Volontärinnen und Volontäre wird drastisch gekürzt.

Belegschaften und Betriebsräte reagieren empört: Die Rotstiftaktion werde nicht nur die ohnehin miserable personelle Situation in den Redaktionen weiter verschärfen, Ausbildung und berufliche Perspektiven der Volontäre beschädigen – die Sparmaßnahmen seien vor allem auch ein Frontalangriff auf die Qualität der journalistischen Arbeit. Für den Einstellungsstopp gebe es keinerlei wirtschaftliche Gründe – er werde daher kategorisch abgelehnt, so ein Betriebsrat kürzlich.

Quartett statt Doppelspitze

Eine Haltung, die umso verständlicher wird angesichts der Tatsache, dass in der Essener Konzernzentrale Geld ganz offenkundig beinahe im Überfluss vorhanden ist. So leisteten sich die Essener nach dem Ausscheiden von Günter Grotkamp – und dies ganz sicher nicht zum 0-Tarif – den Ausbau der Konzernführung von der ursprünglichen „Doppelspitze“ zum Quartett: Neben Dr. h.c. Erich Schumann residieren nun auch Lutz Glandt, Dr. Detlev Haaks und der ehemalige Kanzleramtschef und EU-Balkan-Sonderbeauftragter, Bodo Hombach, in der Schaltzentrale an der Friedrichstraße. Allein Hombach soll übrigens ein Jahresgehalt von 750.000 Euro erhalten.

Peanuts im Vergleich zu den Summen, die die WAZ-Gruppe ansonsten bewegt: Geschäftsführer Glandt kündigte dieser Tage kurzfristige Investitionen in Höhe von rund 400 Millionen Euro in neue Drucktechniken, Erich Schumann das nach wie vor ungebrochene Interesse am Kauf des 40-prozentigen Kirch-Anteils an Springer an. Nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ sei der 71-Jährige bereit, dafür sogar „deutlich mehr als 1,1 Milliarden Euro“ zu bezahlen. Und überhaupt: Unentwegt sind die WAZ-Männer im In- und Ausland auf der Jagd nach neuen Titeln – getreu der Philosophie, die Lutz Glandt kürzlich dem Berliner „Tagesspiegel“ verriet: Andere Verlage seien kreativ – „wir sehen uns um, wo es etwas zu kaufen gibt“. Und: Im Gegensatz zu anderen Verlagen gehe es der WAZ-Gruppe nicht um „verlegerische Visionen, sondern um gute Renditen“. Eine Strategie, die offenbar bestens funktioniert.

Traumgewinne auf Kosten der Beschäftigten

Sehr zur Freunde der Verlegerfamilien Brost und Funke, die nach Einschätzung der FAZ auch für das Krisenjahr 2001 mit einem Umsatz von „etwas unterhalb des Vorjahresergebnisses von 1,9 Milliarden Euro“ ausgehen dürfen. Doch was noch viel wichtiger ist: Während andere Verlage – unter ihnen auch Springer – tiefrote Zahlen schreiben, erwirtschaftet die WAZ-Mediengruppe mit ihren 519 Print-Titeln in Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Jugoslawien und Rumänen (Gesamtauflage: 4,3 Millionen Exemplare), einem Dutzend Druckereien im In- und Ausland, Internet- und Mediendienstleistungsfirmen, Beteiligungen unter anderem an RTL und dem Otto-Versand nach wie vor Umsatzrenditen von zwischen 15 und 20 Prozent.

Dass Schumann, Glandt, Haaks und Hombach die derzeit schwierige Lage mancher Zeitungshäuser im Lande nutzen und ihre NRW-Blätter ohne jede Not und Begründung mit einem drastischen Sparprogramm drangsalieren, um so – ganz unverhofft – zu einer zusätzlichen Verbesserung der ohnehin schon traumhaften Bilanzen zu gelangen, ist aus der Sicht der Beschäftigten skandalös. Das Vorgehen der Manager dokumentiert zudem auf eindrucksvolle Weise die Richtigkeit der Einschätzung vieler Experten, wonach sich die Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe mehr als Kaufleute denn als Verleger verstehen.

 

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