Social Media Week: Trend zur Professionalisierung und Kommerzialisierung
Zum fünften Mal fand in Berlin die Social Media Week statt. Doch dieses Mal war vieles anders. Professionalisierung und Kommerzialisierung prägten die einwöchige Veranstaltung. Die Arbeitswelt rückte ins Blickfeld – Arbeitsverhältnisse, Job-Möglichkeiten und Beschäftigungsformen waren die Themen.
Strategien für Online-Marketing und Kundengewinnung, wie die Konkurrenz durch Social Media Monitoring beobachtet werden kann, neue Marketing-Trends und Social Commerce bestimmten weite Teile des Programms. Die sozialen Netze werden zum wichtigen Instrument von Marketing-Abteilungen und PR-Agenturen. Sie nutzen den lockeren Umgangston und die direkte persönliche Ansprache geschickt für ihre Kampagnen. Der finanzielle Aufwand ist, verglichen mit anderen Werbemöglichkeiten, minimal. Sehr viele Facebook-Seiten und etliche Twitter-Kanäle werden von Profis bespielt, ohne dass dies immer erkennbar wäre.
Aus Social Media werde Social Marketing, fasste ein Mitarbeiter der Social Media Week den diesjährigen Trend pointiert zusammen. Daneben war jedoch noch ein anderer Effekt der Professionalisierung zu erkennen, denn viele Enthusiasten versuchen, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Wie lässt sich mit dem eigenen Blog Geld verdienen, fragten sich auch die Macher von „Notes of Berlin”. Sie sammeln und dokumentieren mehr oder weniger skurrile Zettel und Aushänge im öffentlichen Raum. Nun soll daraus ein Film werden.
Geld verdienen mit Social Media läuft jedoch für die meisten auf einen Job in Marketing und PR hinaus. Dennoch, mit dem kommerziellen Einsatz sozialer Netzwerke entstehen neue Berufe und der Bedarf nach sachkundigen Mitarbeitern. „Viele Unternehmen haben noch nicht erkannt, was durch den digitalen Wandel bevorsteht”, lautete die Einschätzung von Ralf Junge in einer Diskussionsrunde mit dem Titel „Leben und Arbeiten im Jahr 2020”. Jetzt fehle in vielen Betrieben Social-Media-Know-how, so Junge, der im Personalwesen tätig ist und unter anderem für ein Blog mit der seltsamen Bezeichnung „Mein Freund die Arbeitgebermarke” schreibt. Die Generation der Digital Natives habe ganz andere Job-Vorstellungen, als es noch vor zehn Jahren üblich gewesen sei. Daher sei es notwendig, neue Arbeitsmodelle zu entwickeln.
Ein Beispiel dafür bildet die Plattform Tandemploy. Die Gründer wollen Job-Sharing fördern und bringen Interessierte, die sich einen Job teilen wollen, zusammen und stellen den Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern her. „Arbeitgeber können sich auf der Plattform präsentieren; damit zeigen sie, dass sie offen für Teilzeitarbeit und Jobsharing sind”, erklärte die Mitgründerin Miriam Wilhelm. „Dadurch werden qualifizierte Stellen teilzeittauglich”, meinte Wilhelm. Arbeitgeber profitierten davon ungemein, denn vom Arbeitsergebnis her betrachtet, ergäben zwei 50-Prozentstellen zusammengenommen nicht 100 Prozent, sondern deutlich mehr. Aber sie kritisierte auch: „Der Arbeitgeber fordert von seinen Mitarbeitern viel Flexibilität, aber der Mitarbeiter bekommt vom Arbeitgeber selten Flexibilität zurück”. Arbeitgebern empfahl sie: „Wichtig ist es, dass man auf die verschiedenen Lebensphasen der Arbeitnehmer eingeht”.
Christina Quast ging einen anderen Weg. Sie hat sich ihren eigenen Beruf geschaffen: Hashtag-Hüterin lautet die neue Bezeichnung der ehemaligen Journalistin. Sie twittert im Auftrag von Unternehmen live von Veranstaltungen. Damit verdiene sie inzwischen mehr, als sie zuvor als Journalistin verdient habe. „Da hat man einen Expertenstatus und ein Alleinstellungsmerkmal”, beschrieb sie die Vorteile dieser Vorgehensweise. Die allerorts zu findende Jobbezeichnung Social Media Manager fasse oftmals alles, was mit neuen Plattformen zu tun habe, vom Webdesign, über die Gestaltung des Facebook-Auftritts, bis zum Umgang mit Social-Media-Nischen. Dazu würden unzählige Ausbildungen und Lehrgänge angeboten, jedoch seien die Inhalte oftmals nicht nachvollziehbar, beschrieb sie das Problem. „Es ist immer schwieriger, die komplette Social-Media-Welt abzudecken”, weil sie inzwischen zu vielfältig sei, warnte sie Freiberufler. „Als Freelancer lohnt es sich nicht, alle Kanäle zu bespielen.” So ein Bauchladen sei nicht zu bewältigen, weil beispielsweise „bei Facebook sich fast jeden Tag etwas ändert”. Sie empfahl daher die Spezialisierung auf ein einzelnes soziales Netz, in ihrem Fall sei das eben Twitter.
Neue und zeitgemäße Arbeitsformen waren auch das Thema einer Diskussionsrunde mit dem an einen Satz von Karl Marx angelehnten Titel „Wissensarbeiter aller Länder, verändert euch”. Wer jetzt Solidaritätsforderungen erwartet, liegt jedoch falsch. Unternehmerisches Denken, mehr Kreativität und sinnvolle Tätigkeitsinhalte sollen die schöne neue Arbeitswelt kennzeichnen. Die oftmals einseitige Debatte zeigt, dass hier breite Sachkompetenz weiterführen könnte. ver.di hätte beispielsweise mit einem Beitrag über den Umgang mit prekären Beschäftigungsverhältnissen gut ins Programm gepasst.
Links: www.notesofberlin.com, www.tandemploy.com, www.socialmediaweek.org/berlin