Mehrere soziale Netzwerke haben dieser Tage ihren seit Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verpflichtenden Transparenzbericht im Bundesanzeiger veröffentlicht: Facebook, Twitter, Instagram, Reddit, TikTok und Change.org. Danach wurden bei Twitter in tausenden Fällen Inhalte gesperrt, ohne dass Nutzer*innen zuvor die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und bei Facebook häufen sich Beschwerden wegen Volksverhetzung.
TikTok hat erstmalig einen Transparenzbericht veröffentlicht. Das chinesische Netzwerk geriet in jüngerer Zeit mehrfach in die Schlagzeilen – mal im Zusammenhang mit Zensurvorwürfen, mal wegen der Einschränkung von Kritik am Unternehmen oder wegen der Blockierung von Inhalten im Zusammenhang mit Homosexualität.
In seinem Transparenzbericht erklärt TikTok, dass die „NetzDG-bezogene Moderationstätigkeit“ des Netzwerks von einem einzigen „angestellten deutschen Syndikusrechtsanwalt“ und „einem Mitglied des Product Policy Teams unterstützt“ werde. „An diese beiden Mitarbeiter wurden komplexe NetzDG-Beschwerdefälle eskaliert. Wenn in solchen komplexen NetzDG-Beschwerdefällen zudem eine externe Beratung erforderlich war, berieten sie sich mit einer spezialisierten externen Rechtsanwaltskanzlei“, deren Name in dem Transparenzbericht nicht genannt wird. Zum Moderationsteam gehörten „Tausende von Menschen, die rund um die Uhr (24/7/365) und rund um den Globus in unterschiedlichen Zeitzonen (einschließlich Deutschland) Inhalte sorgfältig moderieren“.
In dem Bericht nennt TikTok auch konkrete Zahlen zu NetzDG-Beschwerden. Insgesamt gab es im Berichtszeitraum 1.050 Beschwerden, die meisten im Zusammenhang mit der Fälschung beweiserheblicher Daten (155), gefolgt von der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (144) sowie Gewaltdarstellungen (94).
Twitter informiert in seinem neuen Transparenzbericht darüber, dass man den 2016 geschaffenen Trust & Safety Council, dem rund 40 Experten und Organisationen angehören und der Twitter bei Produkten, Programmen und Twitter-Regeln berät, gestärkt habe. „Wir haben Rückmeldungen erhalten, dass wir die Mitgliedschaft erweitern müssen, um ein breiteres Spektrum an Stimmen einzubeziehen“, heißt es. Des Weiteren sei die Option, Antworten auf eigene Tweets auszublenden erst getestet und nun allen Nutzer*innen zugänglich gemacht worden. Außerdem habe man die „Regeln gegen Hass schürendes Verhalten erweitert, um Verhalten zu verbieten, das andere aufgrund ihrer Religion entmenschlicht“ und die „Werberichtlinien in Bezug auf staatliche Medien aktualisiert, um Werbung von staatlich kontrollierten Medienunternehmen nicht mehr zuzulassen“. Schließlich habe nach dem Terroranschlag in Halle das Global Internet Forum to Counter Terrorism erstmals sein neues Content Incident Protocol aktiviert. Mitglieder des von Twitter mitgeschaffenen Konsortiums entfernten „aktiv von den Tätern erstellte Inhalte“.
Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2019 gab es bei Twitter 798.161 NetzDG-Beschwerden von Nutzer*innen und 45.366 von Beschwerdestellen. Jedoch wurde in lediglich 17 beziehungsweise 7 Prozent dieser Fälle der gemeldete Inhalt „gänzlich von der Plattform entfernt“ oder „in Deutschland zurückgezogen“. Laut Twitter nahm „die Zahl der bei Twitter in beiden Jahreshälften 2019 eingegangenen NetzDG-Berichte gegenüber den vorhergehenden Berichtsperioden stark zu“. Dafür, so Twitter, könne es viele Gründe geben: „Wahlen in Deutschland und in anderen Teilen der Welt, politische Märsche und Demonstrationen sowie gewaltsame Zwischenfälle wie die Angriffe in Halle, Stuttgart und Frankfurt“.
Nach dem NetzDG müssen Netzwerke jeden rechtswidrigen Inhalt unverzüglich entfernen oder den Zugang dazu sperren. Die Frist darf überschritten werden, wenn die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung abhängt. Die Plattform kann in diesen Fällen dem Nutzer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde geben. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass lediglich in 0,1 Prozent der Fälle, in denen ein Inhalt entfernt oder gesperrt wurde, „dem Nutzer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde gegeben wurde“.
Aus dem neuesten Transparenzbericht von Instagram geht hervor, dass die Facebook-Tochter NetzDG-Beschwerden beim „Vertragspartnern Majorel (zuvor „Arvato“)“ in Berlin und Competence Call Center in Essen prüfen lässt. Die Bertelsmann-Firma Arvato hatte eigens für Facebook ein Löschzentrum in Berlin eingerichtet.
Facebook informiert in seinem Bericht darüber, dass dort im zweiten Halbjahr 2019 insgesamt 3.087 NetzDG-Beschwerden eingingen. Die meisten davon (880) entfielen auf den Volksverhetzungsparagrafen, was einem Anstieg von 450 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr entspricht. Das Team hierfür besteht aus 15 Personen, 9 davon arbeiten bei Partnerunternehmen und sprechen Deutsch. Gerade einmal drei Juristen sind bei Facebook mit der Bearbeitung der vielen NetzDG-Beschwerden befasst.