Fußball ist längst nicht mehr die von Sepp Herberger als „schönste Nebensache der Welt“ romantisierte Disziplin. Fußball ist Big Business. Für die kommende WM kassiert der Weltverband FIFA allein aus Europa gut 500 Millionen Euro der weltweit 1,1 Milliarden Euro Rechteeinnahmen. Bei der WM 2010 in Südafrika dürften diese Beträge sich abermals verdoppeln. Auch in der Fußball-Bundesliga liefern sich Sender, Klubs und Vermarkter regelmäßig einen heftigen Millionenpoker um die mittlerweile immer stärker fragmentierten Rechte.
Dass ein Newcomer in der Fußball-Bundesliga auf Anhieb die Meisterschaft erringt, kommt selten vor. Umso mehr staunte die Kicker-Branche, als kurz vor Weihnachten der Neuling Arena die Pay-TV-Rechte für die nächsten drei Liga-Spielzeiten ergatterte. Die erst kurz vor der Entscheidung gegründete Sportrechteagentur Arena ist eine Tochter des Kabelnetzbetreibers Unity. Unity wiederum ist der Zusammenschluss der Kabelnetzbetreiber Ish in Nordrhein-Westfalen, Iesy in Hessen und Tele Columbus in Niedersachsen. Eine ursprünglich geplante Fusion auch mit dem Branchenprimus KDG vereitelte das Bundeskartellamt. Hinter Unity stehen die Private Equity-Unternehmen Apollo, BC Partners und Golden Tree – im Volksmund besser bekannt als „Heuschrecken“.
Der Deal überraschte, weil er den bisherigen Big Player im Pay-Geschäft Premiere völlig unerwartet ins Abseits schickte. Premiere-Chef Georg Kofler hatte sich schlicht verzockt. Er wollte nur dann mehr Geld an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) berappen, wenn diese ihm im Gegenzug mehr Exklusivität garantierte. Mehr Exklusives – darunter verstand er vor allem eine Verschiebung der sonnabendlichen ARD-„Sportschau“ von derzeit 18:10 Uhr auf nach 22 Uhr. Darauf aber ließ sich die DFL nicht ein. Sie gab, laut Brancheninformationen für 220 bis 240 Millionen Euro pro Saison, die Pay-TV-Rechte bis zum Jahr 2009 an Arena, die eine Bundesliga-Zusammenfassung bei der ARD ab 18.30 Uhr angeboten hatte.
Dies geschah weniger „im Interesse der Zuschauer“, wie DFL-Verantwortliche treuherzig versicherten, als aus Rücksicht auf die Sponsoren der Bundesliga-Vereine. Für die ist das Massenpublikum der „Sportschau“ allemal wichtiger als die Fußball-Enthusiasten unter den 3,5 Millionen Premiere-Abonnenten. Außerdem hatten auch diverse Politiker der populistischen Neigung nicht widerstanden, den zeitnahen freien Zugang zur Wochenend-Bundesliga-Berichterstattung als eine Art Menschenrecht einzuklagen.
Premiere mit Partner Telekom
Georg Kofler wetterte über die von ihm als „Wettbewerbsverzerrung“ gebrandmarkte neue Situation. Das reine Pay-TV gerate ins Abseits, wenn Plattformbetreiber und Netzebesitzer wie Unity Pakete bündelten. Die Inhalte – sprich: der Erwerb der Bundesligarechte – seien doch für Arena nur ein „Nebenprodukt“. In Wahrheit gehe es darum, dem Mutterkonzern Unity frische Kunden ins Kabelnetz zu treiben.
Es half nichts. Der Premiere-Kurs brach annähernd um die Hälfte ein, und Kofler suchte nach einem Dreh, doch noch mit Bundesliga-Fußball im Geschäft zu bleiben. Den dazu benötigten potentiellen Partner fand der gebeutelte Premiere-Boss in der Deutschen Telekom. Die hatte für rund 50 Millionen Euro jährlich ebenfalls ein Paket mit Rechten an Live-Übertragungen von der Bundesliga erworben, das für IPTV, also für das Internet. Um die Interpretation dieser Rechte war zuletzt ein heftiger Streit entbrannt. Ein Streit, der auf die forsche Strategie der Telekom bei der Durchsetzung neuer Business-Modelle zurückgeht.
Längst begreift auch die Telekom ihr Telefonnetz nicht einfach nur als Draht, über den Gespräche laufen. Im Gegenteil: Moderne Telefonnetze (DSL) werden aufgerüstet zu Highspeed-Autobahnen für Datenverkehr mit einer Bandbreite, die sich durchaus mit dem Rundfunkkabelnetz messen kann (Seite 12). Als attraktivster Köder zur Gewinnung neuer Abonnenten gilt der Telekom der Fußball, vor allem die Bundesliga. Daher der Wunsch, mit der DFL ins Geschäft zu kommen. Nach dem Verständnis der DFL ging es bei der Rechtevergabe an die Telekom allerdings immer nur um eine Offerte im Rahmen von „Triple Play“, also Fernsehen, Internet und Telefonie aus einer Hand. Danach habe die Telekom beabsichtigt, über das Glasfasernetz in zehn deutschen Großstädten für eine nicht klar definierte Zahl von Haushalten ab dem zweiten Halbjahr 2006 IPTV anzubieten. Allerdings rechnen Experten im kommenden Jahr mit allenfalls einer Viertelmillion bis 300.000 IPTV-Abonnenten. Die neuerdings ventilierte Idee, das IPTV-Signal in Kooperation mit Premiere über entsprechend mit Satellit und Settopboxen ausgerüstete Haushalte auch in Nicht-Ausbaugebiete der Telekom zu tragen, sorgt bei den Liga-Managern für Irritation. Denn gegen ihren Willen käme Premiere auf diese Weise über die Telekom-Hintertür doch noch an die Bundesliga ran.
Der Plan: Premiere produziert für die Telekom ein Fußballprogramm, im Gegenzug stellt die Telekom dem Pay-TV-Sender Bundesliga-Inhalte zur Verfügung. Durch eine solche Allianz würde das Rechtepaket von Arena beträchtlich entwertet. Zwar ist auch den DFL-Oberen klar, dass klassisches TV und Fernsehen per Internet in wenigen Jahren kaum noch zu trennen sein werden. In der aktuellen Situation betrachtet man die Überlegungen der Telekom indes als „Aufweichung der Vertragssubstanz“. Und die sehe nun mal die Veranstaltung von Bundesliga-Fußball im Pay-TV nur in der Regie eines Veranstalters vor: Arena. Wie der Streit ausging, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Arena-Tarifpolitik mit Haken
Unter welchen Bedingungen Newcomer Arena die Liga übertragen würde, lag lange im Dunkeln. Immerhin: Das Versprechen, ein Abo für unter 20 Euro monatlich anzubieten, soll erfüllt werden. Fußball-Junkies sollen alle 612 Spiele der ersten und zweiten Bundesliga der Saison 2006 / 07 sogar für 14,90 Euro monatlich zu sehen bekommen, im Vergleich zu Premiere-Konditionen – 34,90 Euro pro Monat – ein echtes Schnäppchen. Noch günstiger sind die Kabelkunden der Arena-Gesellschafter Ish und Iesy dran: Sie haben bis Ende Mai die Möglichkeit, ein Abo zum Frühbucherpreis von 9,90 Euro zu buchen. Die diversen Haken der Arena-Tarifpolitik erschließen sich erst beim Studium des Kleingedruckten. So sind etwa Satellitenhaushalte nur mit einem Zuschlag von fünf Euro „Satellitenbereitstellungsgebühr“ nebst einer einmaligen „Aktivierungsgebühr“ von 29,95 Euro dabei. Die Strategie von Arena-Mutter Unity scheint klar: Man will vor allem das digitale Kabel nach vorn bringen.
Wie viele Zuschauer im Endeffekt den Bundesliga-Start live im Pay-TV verfolgen werden, ist nicht absehbar. Die angekündigte „Arena-Set-Top-Box“ samt Smartcard, Dekodermodul und Abo ist im Handel noch nicht verfügbar. Eine Weiternutzung der bisherigen Premiere-Dekoder dürfte sich der ausgebootete Pay-TV-Veranstalter nicht so ohne weiteres abhandeln lassen. Überhaupt können derzeit allenfalls zehn Prozent der über 20 Millionen Kabelkunden das digitale Programmangebot empfangen. Entsprechend bescheiden das geschäftliche Ziel von Arena: In den nächsten drei Jahren, so die Ankündigung, wolle man 3,5 Millionen Kunden gewinnen. Eine Zahl, die der gegenwärtigen Premiere-Klientel entspricht. Schon spottet die Branche, die DFL habe womöglich mit der Rechtevergabe an Arena ein kapitales Eigentor geschossen. Es dräue – zumindest im Pay TV – eine Bundesliga unter weitgehendem Ausschluss der interessierten Öffentlichkeit. Von entscheidender Bedeutung dürfte der Ausgang der Verhandlungen mit Deutschlands größtem TV-Kabelanbieter KDG sein. Ob „Arena-Bundesliga“ auch von den derzeit 500.000 KDG-Abonnenten deren digitaler Pay- TV-Pakete bestellt werden kann, stand Anfang Mai noch in den Sternen.
Im Free TV dagegen sind die Felle längst verteilt. Die ARD-„Sportschau“ bleibt den Fans erhalten, allerdings verschiebt sich der Beginn auf Samstag um 18:30 Uhr. Eine Begegnung wird auf Freitagabend 20:30 Uhr vorverlegt und voraussichtlich nur im Pay TV laufen. Die beiden Sonntagsspiele laufen zunächst ab 17 Uhr im Pay TV, die Zusammenfassung wie bisher im DSF, allerdings erst um 22 Uhr statt um 19 Uhr. Ein Kompromiss, der allen Beteiligten irgendwie nützt und keinen komplett aus dem Geschäft drängt. Dem Pay-TV wird mehr Zulauf verschafft, ohne kapitalschwache Fans vollends zu vergraulen.
Nicht ausgemacht ist allerdings, ob es auch nach 2009 bei der zentralen Vermarktung der Bundesliga durch die DFL bleibt. In diesem Jahr gelang es immerhin, den Geldsegen für die Vereine beachtlich zu steigern: von bislang 300 auf 420 Millionen Euro jährlich. Dabei wird der Rechtehandel immer unübersichtlicher. Vor der jüngsten Vergabe wurden dem Vernehmen nach mehr als 200 einzelne Rechtepakete ausgeschrieben, gesplittet nach Erst- oder Zweitverwertung, Free TV oder Pay TV, nach Spieltagen, Mediengattung, Wettbewerben, Zeiten … Entscheidend für den Preis der Ware Fußball ist die Frage, ob live oder zeitversetzt übertragen wird. In der Ära der Live-Spektakel sinkt der Wert dieser Ware mit dem Schlusspfiff des Schiedsrichters.
Spitzenvereine wie der FC Bayern München nörgeln seit langem über die ihrer Auffassung nach nicht leistungsgerechte Aufteilung der TV-Einnahmen. Gerade erst hat das Aushängeschild der hiesigen Liga durchgesetzt, dass die sportlich Erfolgreichen künftig überproportional an den Fernsehmillionen partizipieren. Neidisch blicken die Münchner aber nach wie vor nach Italien, Spanien oder England, wo das Fernsehen dreistellige Millionensummen an die Spitzenklubs ausschüttet. Da solche Summen hierzulande einstweilen nicht durchsetzbar sind, fahnden die Bayern ständig nach neuen Einnahmequellen.
Bereit zum Downloaden
Fündig geworden sind sie vor allem bei den so genannten „Mehrwertdiensten“, die sie über das Internet und den Mobilfunk immer erfolgreicher anbieten. Nach Informationen des Branchendienstes „Horizont Sport Business“ erwirtschaftet der Klub derzeit bereits eine Million Euro monatlich über den Online-Vertrieb von Eintrittskarten und Fanartikeln. Auch Klingeltöne, Logos und Spiele fürs Handy sind – bei Downloadpreisen zwischen 1,99 und 4,99 Euro – online zu haben. Über das Portal „FCB Champions“ auf der offiziellen Homepage „Fcbayern.t-com.de“ kann sich der Hardcore-Fan bewegte Bilder von Spielen und Interviews auf den Schirm holen. Auch hier gilt es, die Rechtelage zu beachten. Testspiele und Ausschnitte vom Training dürfen unbeschränkt und live übertragen werden. Die Ausschnitte aus den Pflichtspielen in Bundesliga und Bayern-Partien in der Champions League stehen dagegen erst 90 Minuten nach Abpfiff im Internet zum Abspielen bereit.
Wem das alles zu kompliziert erscheint, der verfügt über eine klare Alternative: Einfach mal wieder selbst ins Stadion (wahlweise Arena) zum Bundesliga Live-Event gehen! Denn die Wahrheit liegt bekanntlich auf‘m Platz.