nd: Genossenschaft – eine gute Idee?

„nd bleibt!“ hieß die Losung der Beschäftigten, die am 27. Februar vor der Veranstaltungszentrale des Linken-Parteitages in Berlin protestierten Foto: Ulli Winkler

Das „neue deutschland“, vor Jahren noch stolz als „die Linke unter den Großen“ beworben, wird Ende April 75 Jahre alt. Feierstimmung wird bei den etwa 100 Machern der „Sozialistischen Tageszeitung“ kaum aufkommen. Sie haben andere Sorgen: Am 22. Februar hat die Geschäftsführung informiert, dass die Gesellschafter die ND Druckerei und Verlag GmbH zum Jahresende auflösen wollen. Stattdessen könne eine Genossenschaft gegründet werden. Fragen an Redaktionssprecherin Haidy Damm.

Die Mitteilung der Geschäftsführung per Video-Call glich einem Ultimatum. War so etwas denn abzusehen?

Haidy Damm Foto: privat

Haidy Damm | Nein, wir waren überrascht. Auch wenn wir natürlich wussten, dass die wirtschaftliche Situation nicht gut ist, war die Ansage dennoch ein Schock für uns alle. Und der hat sich auch jetzt, nach vier Wochen, noch nicht richtig gelegt. Es wird viel debattiert und überlegt, aber die Unsicherheit bleibt, was bis zum Ende des Jahres passieren soll und wird.

Ihr nd-Beschäftigten habt kurz danach beim Linken-Parteitag unter der Losung „nd bleibt!“ protestiert. Wisst Ihr denn inzwischen mehr über die Hintergründe der Entscheidung?

Die Gründe liegen offenbar in wirtschaftlichen Überlegungen der Gesellschafter*innen. Die Linke als Gesellschafterin sagt, mit einem Genossenschaftsmodell würde es dem nd wirtschaftlich besser gehen, weil es mehr zum Profil der Zeitung passt. Auch eine Anschubfinanzierung wurde zugesagt. Aber das fußt alles immer noch nicht auf konkreten Zahlenangaben, es sind weiter sehr viele Fragen offen. Wir kennen bis heute noch nicht einmal den Gesellschafterbeschluss, den es zur Auflösung der GmbH geben soll.

Wird denn Gesprächsbereitschaft signalisiert?

Von Seiten der Redaktion und der Belegschaft insgesamt wurde ein Gremium geschaffen, eine Steuerungsgruppe, die mit der Geschäftsführung jetzt aushandelt, wie der weitere Prozess aussehen kann. Darin sind Leute aus dem Betriebsrat vertreten, Leute aus dem Verlag, Vertreter*innen aus dem Redaktionsrat und aus der Chefredaktion. Inzwischen hat es zwei Gespräche mit der Geschäftsführung gegeben…

Auch mit der Linken? Aus der Partei heißt es ja, dass seit Jahren Geld zugeschossen wurde.

Nein, mit der Linken als Gesellschafterin gab es noch keinerlei Gespräche. Die müssen natürlich kommen, schon um klarzumachen, wie die Vorstellungen in der Partei genau aussehen, welche Schritte sie gehen und welche Zusagen sie geben will. Bisher hieß es, der neue Parteivorstand müsse sich erst orientieren.

Was wurde von Seiten der Belegschaft bereits unternommen?

Ein wichtiger erster Schritt: Wir haben eine Belegschaftsversammlung organisiert, zu der jemand vom Genossenschaftsverband eingeladen war. Es gibt ja viele Fragen der Kolleginnen und Kollegen zu klären, niemand von uns hat große Expertise in Sachen Genossenschaftsgründung. Wenn weitere Ergebnisse aus der Steuerungsgruppe vorliegen, soll es dann eine Abstimmung geben, um zu entscheiden, ob die Genossenschaft mehrheitlich gewollt ist. Fällt die positiv aus, sollen Arbeitsgruppen gegründet werden.

Arbeitsgruppen wozu?

Zunächst und am wichtigsten sicher zur wirtschaftlichen Seite. Es hätte schließlich keinen Zweck, eine Genossenschaft zu gründen, die sich nicht trägt und nach kurzer Zeit die Hälfte der Beschäftigten entlassen müsste. Das will niemand. Aber es sollte auch inhaltlich darüber debattiert werden, was vielleicht positiv mit den Veränderungen verbunden ist. Die Frage etwa, welche Zeitung wir künftig machen, wie wir sie füllen wollen. Auch dazu sollten Gruppen arbeiten.

Das Genossenschaftsmodell ist für das „neue deutschland“ ja kein gänzlich neuer Vorschlag?

Tatsächlich gab es 2018 aus der Belegschaft schon einmal die Idee einer Genossenschaftsgründung. Sie wurde an die Geschäftsführung aus der damaligen Tarifkommission heraus herangetragen, in der ich selbst mit gesessen habe. Der Vorschlag ist aber nie aktiv unterstützt, sondern eher blockiert worden. Zu einem fundierten Konzept konnte es nicht kommen, weil dafür schon die nötige Datengrundlage fehlte. Jetzt ist die Lage anders. Und natürlich würden wir auch auf die Expertise anderer Zeitungs-Genossenschaften zurückgreifen, wir müssten das Rad ja nicht völlig neu erfinden.

Der gesetzte Zeitrahmen ist denkbar knapp…

Ja, von den zehn verbleibenden Monaten ist einer schon wieder vergangen. Eine unserer Forderungen ist deshalb auch: Wenn eine Genossenschaftsgründung beschlossen und dieser Weg in Angriff genommen wird, dann darf er nicht an dieses Datum gebunden bleiben.

Es müssten ja sicher auch die Leser eingebunden werden?

Unbedingt, aber da gibt es eher positive Anzeichen. Ganz viele haben uns schon geschrieben. Etliche Leser und Leserinnen begrüßen das Genossenschaftsmodell und sehen es für das nd als durchaus passend an, andere fragen nach, wie sie Genossenschaftsanteile zeichnen können. Soweit ist es noch nicht, aber das motiviert uns natürlich.

Auch ver.di unterstützt Euch. Die Gesellschafter dürften sich nicht kurzfristig aus der Verantwortung stehlen, heißt es. Und von Gewerkschaftsseite kommen vor allem zwei Forderungen – nach Tarifbindung und nach Gehaltserhöhung. Sind beide richtig?

Wir liegen aktuell bei einem Entgeltniveau von etwas weniger als 60 Prozent des Tariflohns. Und das seit zehn Jahren ohne jegliche Steigerungen. 2018 war das auch Bestandteil der Tarifgespräche mit der ver.di-Tarifkommission, bei denen wir aber leider nichts durchsetzen konnten. Ich sehe die Forderungen jetzt auch deshalb als richtig an, da es bei einer Genossenschaftsgründung keinesfalls zu weiterem Gehaltsverlust und mehr Selbstausbeutung kommen dürfte, im Gegenteil.

Was sind aus Eurer Sicht die akut nötigen nächsten Schritte?

Die Steuerungsgruppe braucht so viele Informationen, dass auf ihrer Basis der Belegschaft Vorschläge gemacht und Entscheidungen vorbereitet werden können. Und unter uns muss konstruktiv die Diskussion darüber geführt werden, was wir wollen. Es gibt auf jeden Fall Teile der Belegschaft, die eine Genossenschaft als gute Idee sehen. Aber insgesamt ist die Stimmung schwer einzuschätzen. Wir sind im Homeoffice und es kommt viel zusätzliche Arbeit auf uns zu. Und eigentlich haben wir ja jeden Tag eine Zeitung zu füllen.


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Das Haus der Selbstständigen in Leipzig, das mit Unterstützung von ver.di geführt wird, lädt am Mittwoch, den 31.3.2021, 18 bis 20.30 Uhr, zum zweiten digitalen Forum „Genossenschaften damals und heute – Geschichte und Aktualität von (Produktiv)Genossenschaften“ ein.

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