Vorstand Neef sprach 150 Kündigungen aus und musste dann selbst gehen
Nur die „absoluten Leistungsträger“ dürften im Unternehmen verbleiben, erklärte Paulus Neef, Pixelpark-Gründer und damals noch einziger Vorstand auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz Anfang Dezember. 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen den angeschlagenen Internetdienstleister verlassen. Offenbar gehörte für den Aufsichtsrat wenige Tage vor Weihnachten auch Paulus Neef nicht mehr zur Gruppe „der absoluten Leistungsträger“. Kurzfristig wurde ihm sein Vorstandsstuhl vor die Tür gestellt.
Ebenso überraschend, wie Neef seinen Platz räumen musste, war die Nachfolgeregelung. Neuer Vorstand wurde Jürgen Richter, der bis zu seinem Rücktritt am 30. November Aufsichtsratsvorsitzender von Pixelpark war. In der eilig formulierten Presseerklärung, in der der neueste Dreh des Personalkarussells verkündet wurde, betonte der Aufsichtsrat, dass an dem Sanierungskonzept festgehalten wird.
Noch im November war verkündet worden, dass sich Betriebsrat, Vorstand, Gesellschafter und Vertragspartner auf einen Sanierungsplan verständigt hätten. Die Kündigungen wurden dann am 30. November ausgesprochen. Den Turnaround habe Pixelpark „in letzter Sekunde geschafft“, so Paulus Neef.
Klagen eingereicht
Der Druck der drohenden Insolvenz wurde in den Verhandlungen an den Gesamtbetriebsrat weitergegeben. „Mit diesen Personalkosten hätte Pixelpark auf Dauer nicht weiterleben können“, sagt der Berliner Betriebsratsvorsitzende Uwe Temme. Deshalb habe der Betriebsrat dem Personalabbau zugestimmt. Allerdings werde dies jetzt vom Unternehmen ausgenutzt. „Auch drei Schwerbehinderte wurden entlassen. Wenigstens zwei könnten aber in anderen Bereichen eingesetzt werden“, versichert Uwe Temme. Der Klage der Betroffenen räumt er deshalb gute Chancen ein.
Auf der Kündigungsliste stehen auch sieben der neun Berliner Betriebsratsmitglieder, sechs von ihnen klagen dagegen. Auch Uwe Temme hat seine Kündigung erhalten. Ebenfalls betroffen sind die fünf Ersatzmitglieder, vier wehren sich mit rechtlichen Schritten. Offenbar soll der Betriebsrat in seiner bisherigen Struktur zerschlagen werden. „Ein Betriebsrat kostet nun mal Geld“, so Temme. Großzügiger zeigte sich die Geschäftsleitung bei den Abfindungen.“ Die Kollegen hatten uns aufgefordert, einen guten Sozialplan auszuhandeln. Dies haben wir zum Glück auch durchsetzen können.“ Die jetzige Regelung sei wesentlich günstiger, als die drei Sozialpläne, die bereits in den vergangenen 17 Monaten aufgestellt wurden.
Sanierungsplan gegen den tiefen Fall
Ob mit diesem Sanierungsplan nun der tiefe Fall von Pixelpark gestoppt wurde, bleibt abzuwarten. Dabei begann die Geschichte des Internetdienstleisters und seines Gründers Paulus Neef wie ein modernes Märchen. Ganz bescheiden hatte Neef in einem Moabiter Hinterhof 1991 mit zwei Freunden angefangen, CD-ROMs und Systeme zur elektronischen Kundenberatung zu entwickeln. Innerhalb von wenigen Jahren entstand aus der Mini-Firma einer der ganz Großen der Branche. Bereits 1996 stieg Bertelsmann bei Pixelpark ein, das Unternehmen expandierte im In- und Ausland. Im Oktober 1999 wagten der damalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und Paulus Neef den Börsengang. Doch der Boom endete auch für den einstigen Liebling des neuen Marktes. Die Aktie fiel immer tiefer, Neef musste Filialen wieder schließen oder verkaufen. In Spitzenzeiten beschäftigte Pixelpark rund 1200 Mitarbeiter. Rund 750 Stellen wurden in der Vergangenheit bereits abgebaut.
Das Betriebsklima habe unter dieser unsicheren Situation merklich gelitten, bedauert Uwe Temme. Deshalb seien etliche Kollegen froh, das Unternehmen jetzt mit einer guten Abfindung verlassen zu können. Er wundere sich aber, dass Paulus Neef von so genannten „absoluten Leistungsträgern“, die bleiben dürfen, spricht: „Die Kollegen, die gehen müssen, arbeiteten überwiegend in Abteilungen, die nicht mehr benötigt werden.“
Nur noch 230 Mitarbeiter will der Internetdienstleister in Deutschland, Österreich und der Schweiz im kommenden Jahr beschäftigen. Das Büro in Hamburg wird bis auf drei Vertriebsmitarbeiter geschlossen. Die Zentrale mit fünfzig Angestellten wird in Köln angesiedelt. Von der Schrumpfkur besonders betroffen ist der Standort Berlin. In der Hauptstadt verbleiben nur noch 50 „Pixels“ im IT-Bereich und 35 Beschäftigte beim Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung (ZLU). Das Tochterunternehmen ZLU gilt seit seinem Erwerb als umstritten. Neef habe sich diesen Deal 72 Millionen Mark kosten lassen, heißt es. Das habe fast dem Dreifachen des damaligen Umsatzes der Firma entsprochen. Das Geld soll an den frühen Investor von Pixelpark und Vater der langjährigen Lebensgefährtin von Neef, Prof. Helmut Baumgarten, geflossen sein.
Anteilskäufer gesucht
Da die nunmehr kleinere Pixel-Mannschaft weniger Büroraum benötigt, wurde bereits mit dem Vermieter, der HVB Immobilien AG, eine neue Vereinbarung geschlossen. Erst vor zwei Jahren war Pixelpark mit damals noch 500 Mitarbeitern in ein Quartier der Oberbaum-City gezogen. Noch einmal kräftig zubuttern wird auch Hauptgesellschafter Bertelsmann. „Letztmalig“, heißt es aus Gütersloh, erhält Pixelpark eine Finanzspritze in Höhe von 3,2 Millionen Euro. Gleichzeitig hat der Medienriese aber seinen Anteil an Pixelpark von 60,3 Prozent auf nur noch 20 Prozent reduziert. Das 40,3-Prozent-Anteilspaket ging an zwei neue Investoren, die dem Umfeld von Neef zugerechnet werden.