Radio Darmstadt ist seit 25 Jahren on air

Begeisterte RadaR-Pioniere in der Anfangszeit. Foto: RadaR/Martin Zint

Der 1. Februar 1997 war ein wichtiges Datum für die Darmstädter Medienlandschaft: Von da an sendete „Radio Darmstadt“, das damals erste nichtkommerzielle Lokalradio in Hessen im Dauerbetrieb – täglich, rund um die Uhr. Mittlerweile tönt es auf sechs Sprachen, per Livestream kann sogar weltweit zugehört werden. Zum Silberjubiläum der unabhängigen, werbefreien Station haben die rund 100 Mitstreiter*innen einen Programmmarathon mit vielen neuen Sendungen vorbereitet.

Die Sendergeschichte geht bis Mitte der 1990er Jahre zurück. Das damals neue Hessische Privatfunkgesetz erlaubte nichtkommerziellen Lokalrundfunk im Zusammenhang mit Großveranstaltungen, gestaltet von und für Bürgerinnen und Bürger. Freier Zugang zum Radio für alle! Der gemeinnützige Verein RadaR e.V. war bereits 1994 gegründet worden, nun boten sich den Lokalradio-Pionieren neue Umsetzungschancen. Erste Gelegenheit war 1995 das fünftägige „Heinerfest“, ein traditionsreiches Stadtfest der Begegnung und Lebensfreude, das im Sommer rund um das Darmstädter Residenzschloss gefeiert wird.

Eine Gruppe engagierter Radiofans machte sich an die Arbeit – in einer Hinterhofbaracke als provisorischem Sendestudio. Das Ziel: Darmstadt-Infos im Auto oder beim Bügeln, das „Heinerfest“ in Echtzeit im Äther. Darmstädter Kulturprojekte stellten sich vor – von der Marionettenbühne bis zum Klangcontainer. Rock-Funk, die Frauenredaktion suchte und fand in Darmstadt „Räume für Frauen“. Schülerinnen und Schüler gaben Freizeittipps und spielten ihre Lieblingsmusik. „So etwas Buntes hat die Welt noch nicht gehört, auf Techno folgt Mozart, auf Dancefloor Deutschrock. Alle lüften ihre privaten Plattensammlungen. Hoffentlich fallen niemandem die Ohren ab“, schrieb RadaR-Redakteur Martin Zint damals in der „taz“.  „Toll, dass wir das Radio schon 25 Jahre am Leben erhalten konnten“, sagt er heute. Nach einer längeren Auswärts-Pause ist der seinerzeit erste Medienprofi bei Radio Darmstadt immer noch dabei und hält in der deutsch-französischen Redaktion die Freundschaft zum Nachbarland hoch. „Die Vielfalt“ sei noch immer typisch für den Sender, der sich keinerlei Nachwuchssorgen machen müsse. Ganz jungen Leute, sogar Kinder könnten hier „einfach Radio machen und so fast nebenbei erfahren, wie Medien funktionieren“.

1996 folgte zunächst ein zweites „Heinerfest“-Radio. Die Mitmach-Begeisterung stieg, es bildeten sich redaktionelle Strukturen heraus, so dass am 1. Februar 1997 der Dauersendebetrieb aufgenommen werden konnte. Heute gestalten rund 100 Aktive ehrenamtlich das vielfältige Programm, das über die UKW-Frequenz 103,4 MHz verbreitet wird und mit der digitalen Sendetechnik DAB+ in der zweiten Jahreshälfte 2022 auch in ganz Süd- und Mittelhessen gehört werden kann. Via Livestream ist Radio Darmstadt sogar weltweit präsent.

Angebote aus mehreren Redaktionen

Und was ist zu hören? Die Angebote kommen aus verschiedenen Redaktionen. Die Sendungen von „Blickpunkt VorOrt“ etwa berichten kritisch über Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie über aktuelle Fragen aus Tier- und Umweltschutz. Lokale Themen, wie die Berichte über die Stadtverordneten-Versammlungen, haben ebenfalls einen festen Sendeplatz.

Die Musikredaktion ist ein kreatives Team von Musikbegeisterten, die mit einem breit gefächerten Spektrum – abseits des Mainstreams – die Klangfarben der regionalen bis internationalen Musikszene zu Gehör bringen und Hintergrundinformationen sowie Veranstaltungstipps geben.

Als eine der ersten Sendungen rund um die Kulturwelt hatte sich der „KultTourKalender“ mit Ausgehtipps etabliert, bis heute gibt es ihn jeden Freitag. Darüber hinaus hat sich „Shakespeare & Co.“ aus der Kulturredaktion längst unter Darmstädter Theatermachern und Künstlern einen Namen gemacht. „Mathilde on Air“ ist eine Frauenkultursendung, neu gibt es „Kabarett & Co.“ Seit vielen Jahren sendet „RadaR-Klassik“ auch lokale Konzertaufnahmen, die „JazzScene“ macht mit Jazz in Darmstadt vertraut, für Weltmusik gibt es „MUNDO – musikalische Weltreisen“.

Mehr als 20 Sendungen produziert die Unterhaltungsredaktion. Etwa 30 Aktive – von Jung bis Alt, von Studierenden über Azubis bis zu Angestellten und Bohemiens – gestalten das Programm, das musikalisch von Blues über Country bis hin zu Pop und Rock, Schlagern, lateinamerikanischer und elektronischer Musik reicht. Und thematisch von „YoungPOWER“ bis zu „Ganz schön queer“.

Die Internationale Redaktion gibt Migrantinnen und Migranten – etwa 15 Prozent der Darmstädter Bevölkerung – die Möglichkeit, in ihrer Muttersprache zu senden. Derzeit gibt es Sendungen auf Französisch, Polnisch, Dari (mit Berichten zu Afghanistan), Spanisch und Singhalesisch.

Ein Sendeplatz gehört dem „Offenen Haus“, in dem sich Nichtmitglieder mit Beiträgen oder kompletten Sendungen tummeln können. Auch wer neue Themen mit technischer Unterstützung umsetzen möchte, kann sich melden (Kontakt: mitmachen@radiodarmstadt.de).

Innovationen im Jubiläumsjahr

Petra Schlesinger und Aurel Jahn vom fünfköpfigen aktuellen Vorstand des RadaR e.V. Foto: RadaR/Christian Grau

Mehr als 300 Mitglieder zählt der RadaR-Verein heute. Neben den Mitgliedsbeiträgen erhält der Sender finanzielle Unterstützung für den laufenden Sendebetrieb auch durch die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien. Demnächst muss die im Fünfjahresrhythmus fällige Lizenzverlängerung beantragt werden. Das Bürger*innenradio aus Darmstadt „auf möglichst breite Füße zu stellen, immer aktiv, stets am Puls der Zeit zu bleiben und sich zu vernetzen“, sieht Vorstandsmitglied Petra Schlesinger als Erfolgsrezept des ältesten Verein unter den mittlerweile acht nichtkommerziellen Radiosendern in Hessen. Die Mitarbeit vieler unterschiedlicher Leute, die ihre Ideen und Kompetenzen einbringen, ist für Schlesinger der „Trumpf“ von Radio Darmstadt. Im Jubiläumsjahr 2022 soll auch die Homepage relauncht werden, man denke über die Modernisierung der Mediathek und über Podcasts nach.

Neue Mitglieder im RadaR e.V. seien immer willkommen. Die RadaR-Studios befinden sich heute in einem Nebenhaus vom Steubenplatz 12. Allerdings sind Spontanbesuche wegen der Corona-Situation derzeit nicht möglich. Auch Studiogäste können nicht empfangen werden.

Das Silberjubiläum 25 Jahre unabhängiges, werbefreies Lokalradio will Radio Darmstadt dennoch angemessen feiern: Zunächst mit einem Marathon neuer Sendungen am 1. Februar 2022, dem Jubiläumstag, von null bis 24 Uhr. Los geht es um 6 Uhr morgens mit einer Replik des „Radiowecker“, zwischen 9 und 11 kommen bei „Tatort Darmstadt“ Krimiautor*innen mit Interviews und Lesungen zu Wort; eine Extra-Ausgabe des „KulTourKalender“ folgt. Ab 15 Uhr verbreiten junge Radiomacher*innen mit einer Sonderausgabe „YoungPOWER“, um 20 Uhr wird’s „Ganz schön queer“. In der Stunde vor Mitternacht will die Kulturredaktion schließlich noch einen Querschnitt aller ihrer Sendeformate präsentieren.

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