Schon entdeckt? RUMS

Bild: Screenshot https://www.rums.ms/

Neuer Journalismus für Münster

„Wir wollen wissen, was in der Stadt passiert,“ sagt Christian Humborg, der die Medienvielfalt in Münster gefährdet sieht. Schon im Februar gründete er zusammen mit dem Diplom-Kaufmann Götz Grommek und dem Journalisten Marc-Stefan Andres die „RUMS Medien GmbH – Neuer Journalismus für Münster“. Die drei sind überzeugt, dass die „lokale Öffentlichkeit zentral für die Demokratie“ ist und wollten ihr Projekt unbedingt bis zu den NRW-Kommunalwahlen am 13. September realisieren.

Eigentlich war eine Crowd-Abo-Kampagne geplant, aber nach dem teilweisen Corona-Shutdown im März entschlossen sie sich, sofort einen kostenlosen digitalen Newsletter zu starten, der mehrmals pro Woche erscheint. Die Redaktion, geleitet von Ralf Heimann und Katrin Jäger, schreibt zwei „Briefe“ und am Wochenende gibt es einen von wechselnden Kolumnist*innen – etwa dem Münsteraner Christdemokraten Ruprecht Polenz, der Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma und Grünen-Politikerin Marina Weisband, die beide in Münster studierten, oder dem gebürtigen Münsteraner Klaus Brinkbäumer, der jetzt als „Zeit“-Autor aus New York berichtet. In seiner RUMS-Kolumne vom 1. August heißt es, New York bewege sich „mit einer Kombination aus Hysterie und Götterdämmerungsgewissheit Richtung Wahltag am 3. November. Münster hingegen wird am 13. September seinen Stadtrat wählen: unaufgeregt und skandalfrei, so wirkt es aus der Distanz. Die Demokratie ist hier bedroht, aber nicht in Westfalen.“

„Man schaut auf die Welt, auf andere Städte, und versucht auf diese Weise, Schlüsse für die eigene Umgebung zu ziehen.“ So erläutert Redaktionsleiter Ralf Heimann Anfang Juli in seinem „Brief aus Münster“ das „Nähe“-Konzept von RUMS. Der dynamische Name RUMS sei keine Abkürzung – etwa für „Rund um Münster“. Er stehe für „verlässlichen Journalismus“, der Informationen hinterfragt und dabei die Leserschaft stärker einbezieht als im üblichen Lokaljournalismus. Dieser kranke daran, dass aus Zeitmangel z.B. unüberprüfte Pressemitteilungen veröffentlicht würden und es zunehmend nur noch Ein-Zeitungskreise gebe. In Münster konnten die Menschen bis 2014 zwischen „Westfälischen Nachrichten“ und „Münsterscher Zeitung“ wählen. Jetzt werden beide Titel von der Unternehmensgruppe Aschendorff herausgegeben – unter den alten Namen, aber von derselben Redaktion produziert, sodass die „Inhalte im Lokalteil nahezu identisch“ sind. Die verheerenden Folgen eines schrumpfenden Lokaljournalismus zeigten die „Nachrichtenwüsten“ in den USA: Wahlbeteiligung und zivilgesellschaftliches Engagement gingen zurück, politische Polarisierung nehme zu.

Anfang August hatte RUMS nach Auskunft von Humborg ca 4.000 Abonnent*innen. Der Newsletter diene dazu, „Kontakte einzusammeln“, denn das Angebot wird ab heute kostenpflichtig: Für ein Standard-Abo 8 Euro im Monat. Die Briefe werden jetzt für Pendler*innen auch als Podcast eingelesen. „Guter Journalismus kostet Geld“, erklärt er. Bisher werde nur die Redaktion „ordentlich bezahlt“, andere aus dem mittlerweile 15köpfigen Team des werbefreien, unabhängigen Medienprojekts wie er als Gesellschafter engagierten sich ehrenamtlich.

Nach einer ersten Umfrage sind die RUMS-Leser*innen zwischen 21 und über 70 Jahre alt und zu 60 Prozent Männer. Gut 80 Prozent der Antwortenden fanden den persönlichen Ton der Briefe gut, seine Länge war für 53 Prozent „genau richtig“. Fast Dreiviertel waren mit dem Anteil an Münster- und Münsterland-Themen zufrieden. Humborg ist begeistert, dass das Projekt überall auf positive Resonanz stößt. So betrachte das Stadtarchiv RUMS „als relevant für das Stadtgeschehen“ und wolle die Newsletter archivieren. Auch zu den Entscheidungsträger*innen in Münster habe RUMS „überraschend schnell Zugang“ bekommen.


Aktualisierung am 2. Okotober 2020

900 zahlende Leser*innen gewonnen

„RUMS konnte in seiner Konversionsphase 900 von ursprünglich rund 3.400 Newsletter-Abonnenten vom eigenen digitalen „lokalen Qualitätsjournalismus“ überzeugen“, vermeldete Meedia. Damit erreiche es eine Konversionsrate von 26 Prozent. Die Unterstützer*innen würden für das Medium von nun an zwischen acht und 40 Euro monatlich zahlen, um auch künftig Zugang zum Newsletter, Reportagen und Podcasts zu erhalten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Hommage an die Zeitung

Das Museum für Kommunikation Berlin zeigt die Ausstellung „Zeitungsleser:innen. Fotografien von Eddy Posthuma de Boer“ und erinnert an eine Zeit, in der gedruckte Zeitungen im Straßenraum sehr präsent waren - nicht nur, weil sich Menschen auf diese Weise mit Informationen versorgten. Posthuma de Boer gehört zu den bekanntesten holländischen Fotograf*innen der Nachkriegszeit, viele seiner Reportagen entstanden auf weltweiten Reisen.
mehr »

ver.di fordert Schlichtung bei ARD

Seit Januar 2024 sind die Tarifverhandlungen für die ARD-Rundfunkanstalten NDR, WDR, BR und SWR ohne Ergebnis geblieben. Organisierte Beschäftigte fordern angesichts des Reallohnverlusts der letzten zwei Jahre einen Inflationsausgleich. Nun hat ver.di zusammen mit den Gewerkschaften DJV und unisono dem SWR den Entwurf einer Schlichtungsvereinbarung zukommen lassen. Damit soll endlich Bewegung in die Tarifauseinandersetzung kommen.
mehr »

Neues Urteil gegen Kieler Nachrichten

Schlappe für den Verlag der Kieler Nachrichten: Das Landgericht Flensburg hat untersagt, dass der Verlag in Verträgen mit hauptberuflich freien Journalist*innen unzulässige Klauseln vereinbart. Erneut geklagt hatten der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Zukünftig darf die Kieler Zeitung Verlags- und Druckerei KG-GmbH & Co. die Klauseln nicht mehr nutzen, da sie unklar und unverständlich sind und die freien Mitarbeiter unangemessen benachteiligen.
mehr »

Ein Drittel weniger Aufträge durch KI

Neue Studie zeigt: Generative Künstliche Intelligenz (KI) sorgt für hohe Einbrüche in der Nachfrage freiberuflicher Tätigkeiten wie Lektorat und Schreibarbeiten. Zugleich wächst das Budget für komplexere Arbeiten. Unternehmen und Bildungseinrichtungen müssen demnach Fort- und Weiterbildung zu KI-Tools ermöglichen, um Chancengleichheit auf dem sich dadurch verändernden Arbeitsmarkt zu gewährleisten.
mehr »