Schrumpfmodell

taz-Lokalteile durch Norddeutschland-Seite ersetzt

Nach monatelangem Streit um das Überleben der taz-Lokalteile Hamburg und Bremen ist jetzt ein Kompromiss gefunden worden: Die Lokalseiten wurden eingedampft, aber nicht völlig weggespart.

Die taz-Beilagen an Elbe und Weser sind der Berliner Zentrale schon seit Jahren mehr teuer als lieb. Bereits 2003 mussten die in der Regel vierseitigen Lokalteile auf die Hälfte ihres Umfangs verzichten. Die andere Hälfte wurde mit manchmal eher belanglosen Texten aus dem restlichen Norddeutschland gefüllt – im Irrglauben, dass sich dort neue Leser gewinnen ließen. 2005 heckten Chefredaktion und Vorstand dann das nächste Sparkonzept aus: Die verlustreichen Lokalseiten sollten komplett durch Norddeutschland-Seiten ersetzt werden. Nach örtlichen Proteststürmen wurde schließlich ein Kompromiss ausgehandelt: Seit 18. März erscheint in Hamburg und Bremen nur noch je eine Lokalseite, neuerdings am Ende der jeweiligen Beilage. Dafür wurden die gemeinsamen Nord-Seiten (taz nord) von zwei auf drei aufgestockt. Hier gibt es nicht nur Geschichten aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Westmecklenburg, sondern auch das Wichtigste aus den beiden Hansestädten, soweit es den ganzen Norden interessieren könnte – was eher selten ist, denn die viereinhalb Bundesländer haben keine gemeinsame Nord-Identität.
In Werbebeilagen verkauft die taz-Zentrale das Sparkonzept unlautererweise als Fortschritt. Zwar bemüht sich die Nord-Redaktion unter ihrem neuen Chef Jan Kahlcke mit einigem Erfolg um eine interessante Themenmischung und ermöglicht damit manch aufschlussreichen Blick über ihren Tellerrand. Aber letztlich wird das nordische Allerlei niemandem richtig gerecht. Die Flächenländer können nicht ausführlich genug abgedeckt werden, und die Hanseaten werden schlechter bedient als vorher. Für sie ist Zeitungslesen zum Suchspiel geworden: Mal stehen ihre örtlichen Themen im Lokalen, mal auf den Nord-Seiten, mal zusätzlich im überregionalen Teil – oder auch in allen drei Ressorts zugleich, natürlich unterschiedlich aufbereitet. Zudem fehlt der tägliche Veranstaltungskalender. Auch die Optik hat gelitten: Nach der Hamburger wurde auch die Bremer Fotoredaktion aufgelöst. Das Aufmacherfoto kommt jetzt oft von dpa, und manch Schreiber muss selber auf den Auslöser drücken.
Ansonsten trifft der Stellenabbau vor allem den Verlag. In beiden Städten zusammen schrumpft die gesamte taz-Belegschaft bis Dezember von etwa 40 auf rund 30 Beschäftigte. In Hamburg wurde für die Ausscheidenden ein Sozialtarifvertrag vereinbart: Sie können für ein Jahr bei rund 80 Prozent ihres bisherigen Gehalts in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln; zudem erhalten sie laut dju-Landesgeschäftsführerin Eva Schleifenbaum „eine für derzeitige Verhältnisse im Hamburger Verlagsbereich gute Abfindung“.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »