Wie das viertgrößte deutsche Medienunternehmen Geschichte lehrt und seine braunen Jahre vergisst
Der 70. Jahrestag der Machtübergabe an die Nazis hat auch das viertgrößte deutsche Medienunternehmen, M. DuMont Schauberg (MDS), veranlasst, mehrfach über das historische Ereignis zu berichten. Dabei hat sich MDS auf Köln konzentriert, wo das Familienunternehmen seit über 200 Jahren ansässig ist.
Das Engagement wundert nicht, da MDS ein liberales Image pflegt. Zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den MDS-Chef Alfred Neven DuMont titelte die „Welt“ 2001: “ ‚Sir Alfred‘, die liberale Medienmacht am Rhein“. Drei der vier Kölner Tageszeitungen kommen aus seinem Hause. Das sind das Flaggschiff des Verlags „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „Kölnische Rundschau“ und das Boulevardblatt „Express“. Da der 76jährige Verleger FDP-Mitglied ist, und das Wort „liberal“ zum Selbstverständnis der Kölner gehört, nehmen nur wenige Anstoß an seinem Pressemonopol, mit dem er das Leben der Medienmetropole beeinflusst.
Keine Opferrolle
Der „Express“ hat zuerst in einer Serie, dann in einer Sonderbeilage und zuletzt in Buchform über „Köln unterm Hakenkreuz“ berichtet. Auf den 95 Seiten präsentiert er nichts Neues. Die im Boulevard-Stil geouteten Namen der Kölner Nazis sind schon lange bekannt. Wie gewohnt, meldet sich auch sein Herausgeber zu Wort. Neven DuMont begründet das „Buch gegen das Vergessen und Verdrängen“ damit, dass die Nazis auch seinem Zeitungshaus den „Garaus“ machen wollten.
Bis Ende 1933 hatte die Kölner NSDAP mehrfach versucht, MDS zu übernehmen – und scheiterte an den Verlegern. Aus dieser Tatsache hat MDS in den letzten fünf Jahrzehnten den Mythos entwickelt, ein von den Nazis verfolgtes Unternehmen gewesen zu sein. Diese Opferrolle entspricht nicht der historischen Realität. Das belegen die damaligen MDS-Blätter: das Flaggschiff „Kölnische Zeitung“, „Kölnische Illustrierte Zeitung“ (KIZ), „Stadt-Anzeiger“ und „Sonntag Morgen“. MDS machte den Faschismus über eine Mussolini-Serie in der KIZ 1932 hoffähig und bereitete über die „Kölnische“ die Beteiligung der NSDAP an einer deutschnationalen Koalition in Berlin vor.
In ihrer Neujahrsausgabe 1933 schrieb die „Kölnische“, ein national wie international angesehenes Blatt: „Auf Hitler kommt es an!“ Drei Tage später verhandelte der „Führer“ mit Franz von Papen im Haus des Kölner Bankiers Kurt Freiherr von Schröder über eine Koalition. Schröder gehörte der Handelskammer Köln an, wie Neven DuMonts Großvater Alfred.
Nach der Machtübergabe kam es zu vorgezogenen Neuwahlen. Der Nazi-Terror trieb Tausende ins Exil oder in die KZ. Die „Kölnische“ warb für eine Regierung von NSDAP und Deutschnationalen, die ohne Reichstag regieren sollte, also für eine Diktatur. In der Phase der „Gleichschaltung“ übernahm MDS eine besondere Rolle.
Aktion schön geredet
Parallel zum Boykott-Aufruf der NSDAP gegen jüdische Geschäfte rief die „Kölnische“ am 29. März 1933 eine eigene Aktion ins Leben unter dem Titel „Unser Kampf gegen die Greuelhetze“. Ihren Kampf wollte sie mit den Auslandskorrespondenten und ihren Lesern führen. Bis zum 5. April veröffentlichte das MDS-Blatt vier Listen mit Namen von Personen und Firmen, die seinem Aufruf gefolgt waren, indem sie in Briefen an Ausländer den „Lügen und Verleumdungen“ entgegentraten. Der „Express“ beschreibt zwar den brutalen Verlauf des Boykott-Tages, verschweigt aber den Aufruf der „Kölnischen“ und dass die KIZ am 8. April 1933 den Boykott als ordentlich abgelaufene Aktion schön redete.
Mitte April half der „Sonntag Morgen“ den (noch) Nicht-Nazis bei der Eingliederung ins neue Regime. Unter dem Titel „Was jeder von der NSDAP wissen muß“ informierte er über die Organisation, Uniformen und Abzeichen der Nazis.
Trotz der Übernahmeversuche der NSDAP verkauften die Neven DuMonts ihren Verlag nicht, sondern unterstützten das NS-Regime. Eindeutig belegt das die KIZ. Am 13. Juni 1940 zeigte ihr Titelblatt siegreiche deutsche Soldaten und das Foto eines gefangenen afrikanischen Kolonialsoldaten. Die Bildunterschrift lautete: „Mit diesem Abschaum der Menschheit wollten die Franzosen auch 1940 deutsches Kulturland erobern“ und weiter: „Die erste Antwort gab ihnen der Siegesmarsch unserer Wehrmacht durch Nordfrankreich.“ Zum 10. Jahrestag der „Machtergreifung“ ehrte die KIZ Hitler mit seinem Konterfei auf dem Titel und pries ihn als den „Schöpfer des Großdeutschen Reiches“. Neven DuMonts Vater, Kurt, war NSDAP- Mitglied und erhielt 1944 das „Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern“. Auch das verschweigt MDS bis heute.
Diesen Fakten und der selbst gewählte Anspruch, gegen das Vergessen und Verdrängen antreten zu wollen, verlangen von Alfred Neven DuMont, die braune Vergangenheit seines Hauses endlich von unabhängiger Seite aufarbeiten zu lassen. Ansonsten ist die Geschichtsserie des „Express“ nichts anders als eine verdeckte Marketingoperation für das defizitäre Boulevardblatt.