Stadtmagazin: Coolibri gestutzt oder erledigt?

Aufmacher der Online-Doppelnummer: Schön bunt, aber von Dauer? Screenshot: www.coolibri.de

Mit dem „Coolibri“ steht das letzte Stadtmagazin des Ruhrgebiets vor einer ungewissen Zukunft. 37 Jahre hatte das Heft die Bewohner der Metropolenregion mit Tipps und Terminen sowie Hintergrundstorys versorgt. Zuletzt waren die Werbeanzeigen rückläufig, die Corona-Pandemie sorgte dafür, dass zahlreiche Events ausgefallen sind und dem Magazin somit der Kern der Berichterstattung wegfiel. Mit dem Juli-Heft 2020 erschien die vermeintlich letzte Druckausgabe.

2013 hatte das Dortmunder Zeitungshaus Lensing-Wolff die coolibri media übernommen und das Angebot um die Gastro-Magazine „Ruhrgebiet geht aus“ oder „Ruhrgebeef“ erweitert. Zum Zeitpunkt der Übernahme war „Coolibri“ Deutschlands auflagenstärkstes Kultur-, Veranstaltungs- und Stadtmagazin. Nun wurde die Lensing-Tochter coolibri media GmbH & Co. KG bereits liquidiert. Die Mitarbeiter sind freigestellt. Doch ist Ende Juli für die Monate August und September eine Doppelnummer des Stadtmagazins als 36-seitiges E-Paper erschienen. Ob weitere Ausgaben folgen, ist unklar.

„Die Pandemie hat den Eventsektor in Nordrhein-Westfalen auf unabsehbare Zeit lahmgelegt und damit den Werbeerlösen unserer Magazine die Basis nahezu vollständig entzogen. Diese wirtschaftlichen Gründe haben, zusammen mit einer ungewissen Zukunftsprognose des „Wiederauflebens“ der Kulturbranche, zu unserer Entscheidung geführt“, sagt Ann-Katrin Born, Geschäftsführerin von coolibri media.

Zu den persönliche Vertragssituationen der Angestellten wollte sie keine Angaben machen. Auch wie es mit den übrigen Titeln von coolibri media weitergehen soll, war nicht zu erfahren. Derzeit gibt es zumindest die Hoffnung, dass ein Teil der Titel vom Mutterkonzern übernommen werden könnten – darunter neben dem „Coolibri“ auch „Ruhrgebiet geht aus“.

„Coolibri“ ist kein Einzelfall: Bereits im Juni wurde nach 43 Jahren das Berliner Stadtmagazin „Zitty“ eingestellt. Auch hier wurde Corona als Hauptgrund genannt. Die Pandemie sei allerdings eher als eine Art Brandbeschleuniger und nicht als Ursache anzusehen, sagt Wiebke Möhring, Professorin am Institut für Journalistik der TU Dortmund: „Strategische Entscheidungen, ein Magazin einzustellen, werden in der Regel nicht spontan getroffen, sondern sind gut überlegt.“ Gerade regional ausgerichtete Medien, bei denen Berichte über Kultur- oder Sportveranstaltungen eine wichtige Rolle spielen, hätten es aktuell besonders schwer.

Die meisten Stadtmagazine entstanden in den 1970er und 80er Jahren im Rahmen einer sich schnell entwickelnden Alternativ-, und Subkultur. Politische Debatten hatten dort ebenso ihren Platz wie Plattenkritiken oder Berichte über kulturelle Veranstaltungen. Ein weiteres Standbein waren Terminkalender und Kontaktanzeigen. Zu den bekanntesten Titeln gehören „Zitty“ und „Tip“ in Berlin, der Frankfurter „Pflasterstrand“ (später „Journal Frankfurt“), der Düsseldorfer „Überblick“, die Kölner „StadRevue“ oder die „Szene Hamburg“.

Die erste Ausgabe des „Coolibri“ erschien 1983. Das Magazin lag auch in Kneipen, Cafes, Clubs, Konzerthallen und Kinos aus und diente Generationen von Jugendlichen, Studierenden und Kulturinteressierten als wichtige Quelle. „Coolibri“ hatte dabei im Ruhrgebiet mit „Marabo“ und „Prinz“ große Konkurrenz. „Marabo“ zeichnete sich vor allem durch lange, lebendige Reportagen und politische Debatten aus, während „Prinz“ sich schnell zur Hochglanz- und Lifestyle-Zeitschrift wandelte und später vom „Zeitgeist“-Magazin „Tempo“ übernommen wurde.

Im Zuge der Digitalisierung wurden „Coolibri“ und Co. als Quelle für Anzeigen und Termine allerdings immer unwichtiger. „Medien haben nur dann eine Zukunft, wenn sie herausstellen können, was ihr Alleinstellungsmerkmal ist“, sagt Wiebke Möhring. Terminankündigungen seien eben keine exklusiven Informationen der Medien mehr. „Über die sozialen Netzwerke, Blogs oder Veranstalter-Homepages können sie wesentlich schneller und aktueller verbreitet werden.“

Die Folgen waren auch im Ruhrgebiet zu spüren: „Marabo“ wurde bereits 2005 eingestellt, „Prinz“ existiert seit einigen Jahren nur noch online – ohne Regionalinfos für das Ruhrgebiet. Nur der „Coolibri“ blieb von der Entwicklung lange Zeit verschont. Lensing Media teilte zum 35. Geburtstag des „Coolibri“ vor zwei Jahren noch mit, dass rund 400.000 Leser*innen das Heft regelmäßig in die Hand nehmen würden. Diese Zeiten sind zumindest vorbei.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »