Mit der Jugend haben die Zeitungsverleger ihre liebe Mühe
Die weltweite Erhebung der World Association of Newspapers (WAN) brachte es an den Tag: Rund um den Globus schrumpfen die Auflagen der Tageszeitungen. Bei einer Analyse der Auflagenentwicklung von 1993 bis 1997 in 54 Ländern sanken in zwei Drittel der Fälle die Auflagen und nur in einem Drittel der Länder konnte zumindest ein Absinken der Auflage gestoppt werden. Mit einem Auflagenverlust von 3,3 Prozent lag Deutschland dabei im Mittelfeld.
Ein Blick in die Statistik enttarnt den Leserschwund schnell als Alterskonflikt. Während laut MA 98 immer noch 8 von 10 Deutschen täglich in die Zeitung schauen, glauben die 14- bis 49jährigen immer öfter, auf den Newsflash am Frühstückstisch verzichten zu können. Bei den Jugendlichen ist die Zeitung in der Achtung gesunken. So waren in einer Allensbach-Umfrage über 70 Prozent aller über 45Jährigen der Meinung, daß man regelmäßig eine Tageszeitung lesen sollte. Bei den 16- bis 29jährigen konnten nur 47 Prozent diesen Satz unterschreiben. Umgekehrt glauben fast doppelt soviele Jugendliche, sich ausschließlich aus Fernsehen, Radio und den Anzeigenblättern informieren zu können.
Diese Einstellung schlägt sich auch in konkreten Reichweitendaten nieder: Während 1998 die Reichweite der Tageszeitungen bei den Altersgruppen ab 40 Jahren mindestens 83 Prozent betrug, wurden nur 56,4 Prozent der 14- bis 19jährigen und 68,1 Prozent der 20- bis 29jährigen von dem Medium Zeitung erreicht. Diese beiden Altersgruppen verzeichneten in den letzten Jahren auch die stärksten Reichweiteverluste als Zeitungleser.
Zeitung in der Schule
Das trifft die Zeitungen doppelt schwer, denn die Erosion der jugendlichen Leserschaft verringert nicht nur die Attraktivität des Werbemediums Zeitung, sondern gefährdet auch die künftige Abonnentenbasis der Verlage. Die Befürchtung der Zeitungsverleger: Wer in seiner Jugend nicht mit der Zeitung vertraut gemacht wurde, ist später möglicherweise nur noch schwer als Kunde zu gewinnen. Um hier eine Gewöhnung zu erreichen, setzen die Verlage auf die verstärkte Kooperation mit den Schulen. Die Investition „Zeitung in der Schule“ zahlt sich langfristig aus, wie das Allensbach-Institut ermittelte: In Gruppen, die an dem Schulprojekt teilgenommen hatten, war die Abonnentenquote um 25 Prozent höher, als bei Schülern, die nicht systematisch an das Zeitungslesen gewöhnt wurden.
Wesentlich schwieriger ist es dagegen, den jungen Zeitunglesern täglich eine interessante Themenmischung zu bieten. Das früher als „Wunderwaffe“ geschätzte Jugendsupplement gilt bei einer steigenden Zahl von Zeitungsverlagen nicht mehr als ausreichende Lösung. So integrierte der „Südkurier“ aus Konstanz mit seinem Punkt-Konzept die Jugendthemen in die Zeitung, statt sie in einem „Jugend-Ghetto“ zu bündeln. Chefredakteur Werner Schwarzwälder: .“Wir wollen bewußt nicht das Supplement, wir wollen mit den Inhalten in die Zeitung.“ Seit dem vergangenen Jahr erscheint das Blatt jeden Freitag mit drei Punktseiten und werden in den Ressorts jugendaffine Artikel mit dem Punkt-Logo gekennzeichnet. Den jungen Lesern will Schwarzwälder so unter einem Markenlabel präsentieren, wieviel der „Südkurier“ für sie bietet: „Ich habe die Erfahrung gemacht, daß wir sehr viel für Jugendliche machen, ohne daß es wahrgenommen wird.“
Supplement – oder Jugendseite?
Diese mangelnde Wahrnehmung des Nutzwerts ist auch für andere Zeitungen ein Problem. Der Komunikationswissenschaftler Klaus Schönbach kommt in seiner Studie „Zeitungen in den Neunzigern. Faktoren ihres Erfolges“ zu dem Ergebnis, daß weder eigene Jugendseiten eine besonders fetzige Aufmachung oder spezielle Abos das Erfolgsrezept sind. Sicher sei nur, daß Jugendliche im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung Inhalt und Gestaltung fast gleichberechtigt nebeneinander sehen. Daraus folgert Schönbach, daß die Jugendlichen erst dann als Nachwuchsleser zu gewinnen sind, „wenn diese für sie grundsätzliche Defizite im Angebot beseitigt und nützliche Inhalte bereithält.“
Das hat das „Mindener Tageblatt“ am eigenen Produkt erfahren müssen: Obwohl das westfälische Traditionsblatt bereits seit 1967 eine Seite für Jugendliche hat, sank auch hier die Zahl der jugendlichen Zeitungsleser. Umfragen des „Tageblatts“ brachten schließlich an den Tag, daß die Jugendseite den Teenagern schlichtweg unbekannt war. Chefredakteur Christoph Pepper beschloß deswegen 1997 eine komplette Überarbeitung und Neustart der Jugendseite. Neben einer zweiten Jugendseite und einer Grußrubrik im Printprodukt selbst, versuchen alle Ressorts verstärkt jugendspezifische Themen aufzugreifen, außerdem verfügt das „Mindener Tageblatt“ über ein Internetforum für Jugendliche.
Imagebildung
Den Erfolg des Relaunchs bekamen die Macher der Jugendseiten in einer hauseigenen Untersuchung unter Teilnehmern des Projekt Zeitung in der Schule bestätigt. Zufriedenheitswerte zwischen 40 und 80 Prozent konnten die einzelnen Jugendrubriken für sich verbuchen. Pepper macht sich allerdings keine große Hoffnung auf steigende Auflagen: „Wir betreiben das zur langfristigen Imagebildung.“ Beim Relaunch hat sich auch die Komplexität der jugendlichen Zielgruppe gezeigt: „Das ist keine homogene Gruppe. In den unterschiedlichen Altersbereichen haben sie ganz unterschiedliche Interessen.“
Auch zwischen den Geschlechtern gibt es erhebliche Unterschiede. So machen in Minden vor allem die Mädchen die „Grußbox“ zu einem Erfolg. Während 62 Prozent von ihnen schon mal eine Botschaft in dieser Rubrik veröffentlicht hatten, waren es bei den Jungen nur 38 Prozent. Bei den Themen, die die Schüler besonders in ihrer Zeitung vermißten waren die Interessen ebenfalls gespalten: Nur bei Unterhaltung, Sucht, Nebenjobs, Gewalt unter Jugendlichen, fanden mehr als 40 Prozent aller Schüler, daß das „Mindener Tageblatt“ zu selten darüber berichtet. Ansonsten nannten die Mädchen noch Menschenrechte, Umwelt, Mode, Kino und Freizeit, während bei den Jungen das Thema Computer auf der Dringlichkeitsliste stand.