Yep! Zum Pixelpark-Betriebsrat

Initiative zur Gründung eines Betriebsrates beim Flaggschiff der „neuen Wirtschaft“

Veranlasst durch eine E-Mail von connex.av an die Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Pixelpark, hat dort eine Diskussion über das Für und Wider eines Betriebsrates begonnen. Paulus Neef, Chef der am neuen Markt gehandelten Multimedia-Aktiengesellschaft, reagierte pikiert.

„Klasse!!“ antwortete umgehend einer der „Pixels“ – wie sich die Beschäftigten des Unternehmens untereinander anmailen – auf die Nachricht von connex.av. Dieses gemeinsame Projekt von IG Medien und DAG hatte die Mitarbeiter unter anderem gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, dass es künftig „demokratischere Strukturen gibt als bisher, dass der Informationsfluss transparenter“ ist, dass „mit Konflikten offener umgegangen“ werde und „Probleme für alle Beteiligten konstruktiv gelöst werden“. Wer diese Ziele teile, für den sei „ein Betriebsrat das Richtige“, zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Zur Antwort meldete sich per E-Mail auch „Paulus“ zu Wort. Wer sich hier so kollegial mit der in der New Economy beliebten Duz-Form mitteilte, war Paulus Neef. Offiziell firmiert er als „Chairman and CEO“: (Vorstands-)Vorsitzender (der Aktiengesellschaft) und „Chefausführungsoffizier“. „Paulus“ nun lastete der Gewerkschafts-Mail an, ihre „Tonalität“ sei „oft polemisch“ und „der Inhalt an einigen Stellen einfach falsch“. Einen Beleg für diese Behauptung ersparte Paulus den Pixels. Neef scheint pikiert, weil die Gewerkschaftspost großen Zuspruch fand. Bereits in den ersten Stunden nach Versand an die elektronischen Postfächer verzeichnete eine zusätzlich eingerichtete Seite im Internet knapp 4000 Zugriffe, konnte Olaf Hofmann von connex.av berichten.

Lebhaft ist bislang auch die Diskussion in einem eigenen offenen Internet-Forum. „Guido“ von Pixelpark Stuttgart beschwört zwar Fürchterliches als Folge einer Betriebsratsgründung: „Gewerkschaften machen Betriebe kaputt“, weshalb diese ins Ausland abwanderten. Doch dafür erhält „Guido“ als Antwort kräftig Zunder: „Das klingt doch wirklich wie ein auswendig gelernter Powerpoint-Chart mit den Kernelementen der Ideologie des Old-Economy-Unternehmers.“

Die schimmert auch bei Neef durch. Als seine Alternative zum Betriebsrat bietet er die Mitarbeit im „corporate development programm“ (CDP – Unternehmens-Entwicklungs-Programm) an: „Dies ist das geeignetste Forum für einen konstruktiven Gedankenaustausch.“ Ein CDP-Team werde „euren Input“ sammeln – so Paulus -, um ein „gemeinsames Konzept“ zu entwickeln. Doch solches Vorgehen kennt man bei connex.av schon und sieht darin ein „unverbindliches Gerede ohne Konsequenzen“.

Ernüchterte Pixels sehen das ähnlich: über „hohles Geplapper“ ärgert sich einer im Internet-Forum. „Viele Pixel sehen sich nicht mehr ernst genommen“, beklagt ein anderer. Ein Dritter bekundet deshalb „Yep!“ – seinen „Respekt für die Leute, die ihren Arsch hoch bekommen haben und was bewegen wollen“. Und Neefs CDP wird so kommentiert: Zu spät, viele Forderungen und Probleme wurden „nicht beachtet,“ der „Spirit“ des Unternehmens gehe gerade „systematisch flöten“, beklagen andere. Schließlich weiß jemand Remedur: Ein Betriebsrat sei für ihn wie eine „Füllung beim Zahnarzt“, schlägt schließlich im Internet-Forum ein Pixel vor. Und findet Zustimmung: „Und es könnte sein, dass wir alle uns hinterher einig sind: Hat ja gar nicht weh getan.“

Für Olaf Hofmann von connex.av zeigt der „immense Diskussionsbedarf“, wie er sich jetzt bei Pixelpark gezeigt hat, „dass die Unternehmen der New Economy ihre Versprechen von gleichberechtigter Teilhabe an Unternehmensprozessen, Demokratie und transparenten Entscheidungsstrukturen nur eingeschränkt eingelöst haben“. Wenn man dann noch einbeziehe, dass Unternehmen wie Pixelpark bislang immer die Notwendigkeit eines Betriebsrates bestritten haben, so sei jetzt jede zustimmende Reaktion seitens der Beschäftigten „ein klares Signal, dass die Initiative auch im Informationszeitalter ihre Berechtigung hat“. Als nächstes wollen die Initiatoren – neben dem virtuellen – zu einem realen Diskussionsforum einladen. Hofmann zeigt sich zuversichtlich, schon bald wenigstens drei Pixels für einen Wahlvorstand zu finden. Dann könnte die Betriebsratswahl schon bald vonstatten gehen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »

Ver.di fordert Big-Tech-Regulierung

Durch die problematische Verquickung von politischer, medialer und ökonomischer Macht sind die dominierenden Online-Plattformen längst nicht mehr neutrale Mittler diverser Inhalte, sondern werden selbst zum kuratierenden Medium. Der Raum für Machtmissbrauch in Form politischer Einflussnahme oder Desinformation ist immens. Um die Resilienz unserer Demokratie vor einer autoritären Übernahme zu stärken, besteht akuter Handlungsbedarf.
mehr »

Landtage beschließen Rundfunkreform 

Der Sächsische Landtag hat heute positiv über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgestimmt. Wegen der Minderheitsregierung im Landtag Sachsen war die Mehrheitsfindung bis zuletzt ungewiss. Durch die Zustimmung aus Sachsen gilt es nun als unstrittig, dass der Reform-Staatsvertrag (7. Medienänderungsstaatsvertrag) in Kraft treten kann. Ver.di kritisiert die "Einigkeit in der falschen Sache".
mehr »

Nachrichtenkonsum fördert die Demokratie

Immer mehr Menschen konsumieren selten oder gar keine Nachrichten oder nehmen diese nur noch indirekt über soziale Medien wahr. Eine Schweizer Studie kommt nun zu dem Schluss, dass die Nachrichtennutzung direkt mit dem Wissen über aktuelle Geschehnisse zusammenhängt. Jene, die selten oder kaum journalistische Medien konsumieren, wissen deutlich weniger über politische und gesellschaftliche Themen. Das wirkt sich demokratische Prozesse aus.
mehr »