„ze.tt“ und „bento“ krisengeschüttelt

Bild: 123rf

Schlechte Zeiten für journalistische Jugendportale: Das bisher eigenständige Online-Magazin „ze.tt“ der „Zeit“-Verlagsgruppe büßt seine Selbstständigkeit ein und wird ab Herbst als Ressort bei „Zeit Online“ eingegliedert. Gleichzeitig wird „bento“, die junge Marke des „Spiegel“, mangels wirtschaftlicher Perspektive komplett vom Markt genommen. Ist die Zeit der Verlagsexperimente vorbei?

Gerade mal fünf Jahre ist es her, dass die „Zeit“ und der „Spiegel“ mit eigenständigen Jugendportalen ins Netz gingen. „ze.tt“ und „bento“ richteten sich vor allem an die Zielgruppe der so genannten Millennials, also der Altersgruppe der 16- bis 30-jährigen. Ein Experimentierfeld für junge Themen, sicher auch mit dem Hintergedanken, die nachwachsende Generation an die eigenen etablierten Marken zu binden. Spätestens mit Beginn der Pandemie zeichnete sich ab, dass dieses Geschäftsmodell nicht funktioniert.

„ze.tt“: anderer Ort, gleicher Inhalt

„Nach durch Corona deutlich verschärften Ausfällen war „ze.tt“ als eigenständige GmbH in 2020 nicht mehr rentabel“, räumt die noch amtierende „ze.tt“-Chefredakteurin Marieke Reimann ein. Als Abwertung mag sie den Vorgang gleichwohl nicht werten. Damit die Marke weiter existieren und so erfolgreich bleiben kann wie sie ist, werde „ze.tt“ jetzt eben zum Ressort von „Zeit Online“. „Ich finde das gar nicht so eine große Degradierung.“

An mangelnder Resonanz der „ze.tt“-Community liegt es tatsächlich nicht. Nach Reimanns Angaben verzeichnete die Seite zuletzt monatlich fünf Millionen Besuche, 27 Millionen Page Impressions und zählte drei Millionen Unique User*innen. Ein mitgliederbasiertes Bezahlmodell habe sich auf einem guten Weg befunden. Demgegenüber habe sich die Monetarisierung über Werbung und Sponsored Posts eher schwierig gestaltet. Dazu sei eine eigenständige GmbH für den Mutterverlag „Zeit“ viel zu kostspielig: Mit eigener Infrastruktur, eigenen Räumen, externen Web-Entwicklern usw.

An der inhaltlichen Ausrichtung von „ze.tt“ werde aber nach der Integration bei „Zeit Online“ nicht gerüttelt. Der bewährte Themenkanon bleibe bestehen, versichert Reimann: „Liebe, Arbeitswelt, Alltag, Reisen, Glück im Leben – was ist das? Oder Themen wie Mental Health, Diversity, LGBTQ.“ „ze.tt“ stehe für eine sehr klare Haltung: für Gleichberechtigung, Diversität, Feminismus und Inklusion.

„bento“ verschwindet komplett

Schlimmer getroffen hat es „Bento“, das Jugendportal des „Spiegel“. Durch die Pandemie sei das Magazin „nachhaltig in die Krise geraten“, sagt Stefan Ottlitz, einer der beiden „Spiegel“-Geschäftsführer. Mangels ausreichender wirtschaftlicher Perspektive wird „bento“ im Herbst vom Markt genommen. Dabei hatten die Macher das Portal erst im vergangenen Oktober einem gründlichen Facelifting unterzogen. Darin wurde „bento“ „viel stärker auf Geschichten, weniger auf Nachrichten, weniger auf kurze Snippets aus dem Internet, mehr auf längere Stories fokussiert“, blickt Ottlitz zurück. Das sei dann zwar journalistisch ein besseres Produkt geworden, habe aber längst nicht mehr so viele Klicks erzielt wie die vorherige Version.

Die Community, eher gewöhnt an schnelle und knackige Nachrichten, konnte sich offenbar nicht so recht mit dem neuen Angebot anfreunden. Dabei profitierte „bento“ maßgeblich von der Verlinkung mit „Spiegel Online“. Bis zu 80 Prozent der Reichweite sei auf diese interne Kooperation zurückgegangen. Aus Vermarktungssicht habe sich die Frage gestellt, ob es gelingen könne, bei „bento“ ein Pay-Modell, so etwas wie Spiegel+ zu integrieren. Ottlitz: „Die Marktforschung zeigte uns dann: Nein, das wird nicht funktionieren, die Leute assoziieren die Marke „bento“ komplett anders.“

Jetzt zog der „Spiegel“-Verlag die Notbremse. Betroffen sind 16 Redakteur*innen. Betriebsbedingte Kündigungen will der Verlag vermeiden. Unter dem Arbeitstitel „Spiegel Start“ wird an einem neuen Angebot für die junge Zielgruppe gearbeitet. Nicht in Form eines eigenständigen Online-Magazins, sondern angedockt an das Ressort „Job & Karriere“. Auf diese Weise, so Geschäftsführer Stefan Ottlitz, könne eine Lücke im publizistischen Angebot des „Spiegel“ geschlossen werden. Denn „alles, was um die Themen Studium, Job, Ankommen im Erwachsenenleben kreist, findet in den klassischen Spiegel-Ressorts nicht statt“. Nicht einmal in einem eher auf Ältere fokussierten klassischen Karriere-Ressort. Mit Geschichten über die Aufstiegs- und Gehaltwünsche von Uni-Absolvent*innen oder Stücken à la „Wie ein 24jähriger mit Mundschutzmasken Millionen Umsatz machte“ versucht „bento“ schon jetzt, die bisherige Stammleserschaft in die Ära „Spiegel Start“ hinüberzuziehen.

Fazit: Corona beschleunigt, was sich vorher schon abzeichnete. Krisen sind keine guten Zeiten für Experimente wie „ze.tt“ oder „bento“. In der Not konzentrieren sich selbst Großverlage auf ihr Kerngeschäft.

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