„Zuerst“ am rechten Rand

Neue rechtslastige Hochglanzpostille vertrieben vom Bauer Verlag

Mit einer neuen Zeitschrift, dem Deutschen Nachrichtenmagazin Zuerst, versucht der rechtsradikale Verlag „Lesen & Schenken GMBH“ aus dem schleswig-holsteinischen Martensrade nicht nur am rechten Rand Leser zu gewinnen, sondern will auch ein publizistisches Sammelbecken sein für alle Rechten, denen die CDU zu „links“ geworden sei. Startauflage: 86.000 Exemplare. Herausgeber, Redaktion und freie Mitarbeiter lesen sich wie ein „Who is who“ der rechten Szene. Vertrieben wird das neue, rechtsradikale Magazin von der „Verlagsunion“, einer 100-prozentigen Tochter des Hamburger Heinrich Bauer Verlages, der „Bauer-Media-Group“.

Die Szene für das Kamerateam der NDR-Zapp-Redaktion soll einen ganz normalen Redaktionsalltag darstellen: Ein junger Kollege bastelt am Computer vor dem souverän hinter ihm stehenden Chefredakteur am Layout der Titelseite „Der dumme Deutsche“. Das wahrlich Dumme an dieser Einstellung aber: Der junge Mann mit der Maus in der Hand ist kein unbekannter Redakteur, sondern Jens Lütke (31), der NPD-Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen Landtagswahl vom vergangenen September. Und am 28.Februar wurde er zum NPD-Landesvorsitzenden gewählt. Unvergessen seine markante Wahlkampfaussage: „Seit Uwe Barschel tot in der Badewanne lag, hat sich nichts geändert.“
Und auch der nette Herr im Hintergrund der Zuerst-Redaktion ist kein unbeschriebenes Blatt am konservativen, reaktionären und rechten Rand der deutschsprachigen Publizistik. Günther Deschner ist Autor so bedeutender Bücher wie „Unternehmen Barbarossa“, „Reinhard Heydrich“ oder „Der Zweite Weltkrieg“. Er war langjähriger redaktioneller Mitarbeiter der rechtslastigen Wochenzeitschrift Junge Freiheit und auch Kulturchef bei der Tageszeitung Die Welt.
Beide passen ausgezeichnet in das redaktionelle Umfeld von Zuerst, dieser neuen rechtslastigen Hochglanz-Postille, die sich selbst „Deutsches Nachrichtenmagazin“ nennt. Die deutschen Themen: Überfremdung, verfehlte Asylpolitik, Multikulti bei der ARD oder das 60jährige Jubiläum der Landsmannschaft Schlesien. Seit vergangenem Dezember ist das Blatt auf dem Markt, scheut sich nicht, jedes rechtspopulistische Thema aufzugreifen und soll nach dem Willen ihres Chefredakteurs Deschner etwa der „Kulturvernichtung durch die 68er“ entgegenwirken und Politik und Kultur „unter dem klaren Blickwinkel unserer eigenen deutschen Interessen betrachten, berichten und kommentieren“. Zuerst sei, in Anlehnung an den Augstein-Spiegel-Spruch, „im Zweifel jedenfalls nicht links“. Da passt es gut zusammen, dass die älteste Zeitschrift des deutschen Rechtsextremismus, „Nation&Europa“, Ende 2009 nach 59 Jahren das eigenständige Erscheinen aufgab und jetzt in der Zuerst-Redaktion aufging.
Es ist eine Reichsschrifttumskammer, in der sich auch Journalisten wie Manuel Ochsenreiter wohlig tummeln. Ochsenreiter schrieb den Aufmacher der März-Ausgabe „Linke Gewalt – Angriff auf den Rechtsstaat“, in dem er gradlinig den Bogen von Anti-NPD-Demonstranten in Dresden zur RAF schlägt. Oder über CDU-Genralsekretär Hermann Gröhe, der ein „Steuermann mit Linksdrall“ sei. Und in der Szene ist Ochsenreiter – natürlich – kein Unbekannter: Er war federführend bei der Jungen Freiheit dabei und tat sich als Chefredakteur der rechtsextremen Deutschen Militärzeitschrift hervor.
Oder auch der Journalist Harald Neubauer mit seiner monatlichen Kolumne in den Farben schwarz-rot-gold. Neubauer saß für die Republikaner im EU-Parlament in Brüssel und tritt seit Jahren für eine vereinigte Rechte ein. Seine erklärten Feinde, die Christdemokraten: „Für die CDU/CSU läuft Merkels Kurs auf geistige Überfremdung raus.“ Und: „Aus der Union wird die beste SPD, die es je gab. Zudem grüner als die Grünen.“ Und dann und sowieso: „Eine solche Christenunion rollt natürlich auch dem Islam den Gebetsteppich aus und freut sich über jedes neue Minarett im ‘Integrationsland’.“ Graue Eminenz bei Zuerst ist Verleger und Herausgeber Dietmar Munier, ein Mann mit einer rechten Bilderbuch-Vita: Seit 1970 tummelt sich Munier auf dem rechten Buchmarkt. Begonnen hat es mit dem Kieler Buchladen „Sturmwind“. Zu seiner Verlagsgruppe gehören neben „Lesen & Schenken“ (Zuerst) revisionistische Verlage wie der „Arndt-Verlag“, „Bonus-Verlag“, „Pour le Merite“ und „Orion-Heimreiter“.
Rechtes Verlags-Network zeigt sich auch bei den Anzeigenkunden. Es inserieren: Der Eckart – Die Monatszeitung für Politik, Volkstum und Kultur aus Wien; der „Arndt-Verlag“ aus Kiel, Inhaber Dietmar Munier; der „Pour le Mérit-Verlag“ aus Selent, Inhaber Dietmar Munier; zur Zeit – die patriotische, politisch unangepasste Wochenzeitung aus Wien für unsere deutsche Kultur, Heimat und historische Wahrheit gegen Multikulti, Gutmenschentum und linken Tugendterror; die rechtsradikale Schüler- und Jugendzeitung Die Aula aus Graz und die Deutsche Militärzeitschrift – siehe Ochsenreiter.
Rechter Sumpf, so sollte man meinen, könnte getrost unter sich bleiben, würde, trotz solch gewaltiger Startauflage, keine große Verbreitung finden. Wäre da nicht eine bundesweite Vertriebsfirma, die „Verlagsunion“, Tochter der „Bauer-Media-Group“. Der Bauer-Konzernbetriebsrat hat gegen die Geschäftsverbindung protestiert und die Geschäftsleitung aufgefordert, die Zusammenarbeit zu beenden. KBR-Vorsitzende Kersten Artus: „Eine rechtsradikale Postille sollte im Bauer-Portfolio nichts zu suchen haben. Wir unterstützen die Proteste aus der Öffentlichkeit, wie von ver.di-Betriebsgruppe oder dem ‘Hamburger Bündnis gegen rechts’ und hoffen sehr, dass Bauer sein Gewissen dem Profit überordnet.“

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »