Kirch ringt weiter um Springer-Aktien-Paket
Nach der Zahlungsunfähigkeit von KirchMedia und KirchPay-TV meldeten Mitte Juni auch die Dachgesellschaft Taurus Holding und ihre Tochter KirchBeteiligungen Konkurs an. Damit ist der Zusammenbruch des einst zweitgrößten Medienimperiums Deutschlands besiegelt.
Die Taurus Holding galt als die Schaltzentrale in Leo Kirchs verzweigter Firmengruppe. Sie hält fast drei Viertel an KirchMedia, rund 70 Prozent an KirchPayTV und 100 Prozent an KirchBeteiligungen. Die zu KirchBeteiligungen gehörende Tochter Print Beteiligungen ist von der Insolvenzwelle nicht betroffen. Sie hält das 40prozentige Paket am Axel Springer Verlag, auf das Leo Kirch weiterhin Zugriff hat. Der weitgehend entmachtete Medienmogul hatte sich die Verfügung über dieses Aktienpaket Anfang Juni gerichtlich zurückerstritten. Falls er bis Ende August keinen Käufer für das Paket findet, fällt das Verkaufsrecht an die Deutsche Bank. Der Springer Verlag besteht auf einer Vinkulierung der Aktien, die einen Verkauf nur mit Zustimmung der Verlagsführung erlaubt.
Auf der Springer-Hauptversammlung Ende Juni in Berlin war es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen der Kirch-Gruppe und dem seit Jahresbeginn amtierenden Springer-Vorstand gekommen. Der Vorstand habe „massiv gegen die Grundsätze des Aktienrechts und des Anstands verstoßen“, wetterte Kirch-Anwalt Ronald Frohne. Kern des Konflikts ist die Put-Option, mit der der Springer Verlag Ende Januar dieses Jahres die Kirch-Gruppe zum Rückkauf seines 11,5prozentigen Anteils an der ProSiebenSat.1 Media AG aufgefordert hatte. Der Kirch-Vertreter machte indirekt diesen Vorgang für die kurz darauf erklärte Insolvenz der KirchMedia verantwortlich. Der neue Springer-Vorstand, so Frohnes Vorwurf, habe „trotz der erkennbar angespannten Lage der Kirch-Gruppe und trotz der Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Put-Option alle Lösungen zurückgewiesen, die geeignet waren, den Axel Springer Verlag und damit auch die Aktionäre vor Schaden zu bewahren“. Strategisches Hauptziel sei es gewesen, „den störenden Minderheitsaktionär Leo Kirch loszuwerden“. Dafür habe das Springer-Management sowohl eine Schädigung Kirchs als auch Springers in Kauf genommen.
Sonderprüfung wegen Schadenersatz beantragt
Frohne warf dem Springer-Vorstand vor, ein Angebot Kirchs zum Erwerb weiterer 16,5 Prozent an der ProSiebenSat.1 Media AG bei gleichzeitiger Beibehaltung der Verkaufsoption ausgeschlagen zu haben. Wäre dieser Vorschlag akzeptiert worden, hätte sich der aktuelle Streit vermeiden lassen, argumentierte Frohne. Statt dessen drohe nun ein Totalausfall, denn die Verkaufsoption für das ProSieben-Sat.1-Paket gelte mittlerweile als „wertlos, die Forderung von 767 Millionen Euro als nicht eintreibbar“.
Springer-Vorstandschef Döpfner wies die Vorwürfe zurück. „Wir hatten kein Interesse an einer Schwächung der Kirch-Gruppe“, sagte Döpfner. Im Lichte der wirtschaftlichen Interessen des Verlages habe es Ende Januar „keine Alternative zur Put-Option“ gegeben. Gleichwohl beantragte Kirch-Anwalt Frohne eine Sonderprüfung, um gegen den Vorstand und Mehrheitseignerin Friede Springer mögliche Schadenersatzansprüche wegen Pflichtverletzung zu untersuchen. Der Antrag wurde zwar abgeschmettert – aus formalen Gründen. Voraussichtlich im August wird jedoch eine außerordentliche Hauptversammlung die Berechtigung entsprechender Schadensersatzansprüche zu prüfen haben.
Während Kirch auf Revanche sinnt, hofft Springer, durch eine Übernahme der Reste von KirchMedia doch noch zum großen Player im deutschen Fernsehgeschäft aufzusteigen. Der Verlag zählt zu einer Gruppe von rund zehn verbliebenen ernsthaften Bewerbern, die sich möglichst günstig aus der Konkursmasse bedienen wollen. Zusätzlich zu seinem 11,5-Prozent-Anteil an der ProSiebenSat.1 Media AG will Springer im Konsortium mit dem Heinrich Bauer Verlag gern ein weiteres Paket erwerben – möglichst die Mehrheit, mindestens aber die Sperrminorität von 25 Prozent. Die Konkurrenz ist beachtlich. In die Endausscheidung gelangten dem Vernehmen nach eine Reihe namhafter Medienakteure: darunter neben dem Tandem Springer / Bauer der US-Medienkonzern Viacom, der US-Milliardär und -Filmproduzent Haim Saban, ein Konsortium aus Commerzbank und dem Hollywood-Major Columbia Tristar sowie Mediaset, der Konzern des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Genannt werden ferner der französische Sender TF1 und der US-Sender NBC. Dagegen hat sich der Essener WAZ-Konzern im Juni aus dem Commerzbank-Konsortium zurückgezogen. Das Hauptziel der Konkurs-Geschäftsführung unter Wolfgang von Betteray, Hans-Joachim Ziems und Insolvenzverwalter Michael Jaffé ist, die komplette Zerschlagung der KirchMedia zu verhindern. Dies würde den potentiellen Verkaufspreis noch weiter fallen lassen als sich bereits andeutet. Commerzbank-Vorstand Wolfgang Hartmann taxierte Mitte Juni den Wert von Kirch Media auf 1,8 bis 2,5 Milliarden Euro. Noch im letzten Jahr war von einer Erlösschätzung in Höhe von rund sechs Milliarden Euro die Rede gewesen. Dies wird mittlerweile branchenintern als unrealistisch angesehen. Immerhin: Die Entscheidung der Deutschen Fußball-Liga, KirchMedia trotz Zahlungsrückständen und ungeklärter Perspektive den Zuschlag für die Bundesliga-TV-Rechte zu erteilen, verschafft dem insolventen Medienunternehmen etwas Luft. (vgl. „Sport ist Mord“). Auch die Beschäftigten der KirchMedia haben neuerdings wieder Anlass zu gedämpftem Optimismus. Erstmals in der Existenz des Kern-Unternehmens der Kirch-Gruppe werden die Belange der gebeutelten Belegschaft von einem Betriebsrat vertreten. Die Wahl geht maßgeblich auf die beharrliche Aufklärungs- und Mobilisierungsarbeit von connexx-av der letzten Monate zurück. Eine 13köpfige Betriebsratscrew wacht seit Anfang Juli darüber, dass die Interessen der 731 Beschäftigten nicht unter die Räder geraten.
Neben KirchMedia wählten kürzlich auch die Belegschaften von Premiere München, Sport1, Beta Digital, Beta Research und Kirch Intermedia Betriebsräte. Was in wirtschaftlich sorgloseren Zeiten nicht gelang, wurde durch den Zusammenbruch des Kirch-Imperiums beschleunigt: die Förderung gewerkschaftlichen Bewusstseins. Mittlerweile vertreten die Betriebsräte in den diversen Kirch-Unternehmen fast 7.000 Beschäftigte. Angepeilt wird die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft aller Betriebsräte der Kirch-Gruppe. Diese soll mit der Konzernspitze ein Abkommen zur Beschäftigungssicherung aushandeln – für alle Kirch-Mitarbeiter.