Meinung
„Wir wollen die politische Berichterstattung im Ersten ausbauen und einen neuen Schwerpunkt ‚investigativen Journalismus‘ schaffen“, verkündet der erst im Mai inthronisierte neue ARD-Chefredakteur Oliver Köhr. Die durchgesickerten Pläne sprechen indes eine andere Sprache.
Oder was bedeutet es, wenn die sechs Politmagazine im Ersten – Panorama, Monitor, Kontraste, Fakt, Report Main und Report München künftig 24 ihrer bislang 90 Sendeplätze verlieren sollen? Was würde passieren, wenn der Weltspiegel, wie offenbar beabsichtigt, Montagnacht erst im Anschluss an die Tagesthemen liefe? Nach Lage der Dinge würde er mehr als ein Drittel der bisherigen Zuschauer*innen verlieren. Das riecht weniger nach Ausbau als nach Eindampfen politischer Berichterstattung.
Natürlich fehlt es nicht an wortreichen Begründungen der Geschäftsleitung für diese Pläne. Es gehe darum, das Erste auf eine Zukunft vorzubereiten, in der die Mediatheken das lineare Fernsehen ablösen. Klassische Magazine funktionierten in der digitalen Welt einfach nicht. Daran ist allenfalls wahr, dass längere Dokumentationen in der Mediathek höhere Abrufzahlen aufweisen als kurze Magazinbeiträge. Andererseits tragen einige Politmagazine dem in jüngster Zeit durch monothematische Sendungen bereits immer häufiger Rechnung.
Doch der Verweis der Programmdirektion auf veränderte Sehgewohnheiten zieht auch aus anderen Gründen nicht. Sollte etwa der Weltspiegel auf Montag 22:50 Uhr gelegt werden, würde er Die Story im Ersten verdrängen, ausgerechnet eine Dokureihe. Also genau einen Sendeplatz des ohnehin nicht üppig vertretenen Genres Dokumentation, das angeblich durch die Reform aufgewertet und gestärkt werden soll. Der bisherige Sendeplatz soll, das nur am Rande, ausgerechnet an die Sportschau gehen.
So drängt sich der Eindruck auf, es könne möglicherweise auch darum gehen, missliebige, unbequeme Redaktionen zu stutzen. Schließlich kämpfen profilierte Investigativjournalist*innen wie Monitor-Leiter Georg Restle seit Jahren um mehr Relevanz für kritische Information in der ARD. Erst 2005 war die Sendezeit aller sechs Magazine nach heftigen Protesten von jeweils 45 Minuten auf je 30 Minuten eingedampft worden. Ob es um Steuertricks großer Immobilienkonzerne geht, um kriminelle Machenschaften im Kontext der Corona-Pandemie oder um Spendenskandale der AfD –solche aktuellen Recherche-Stücke finden sich nahezu exklusiv nur in den jetzt von Kürzung bedrohten Politmagazinen. Für die Tagesthemen sind sie zu lang, für langfristige Dokus zu aktuell. Die drastische Verminderung der Magazin-Sendeplätze, moniert Restle zu Recht, wäre ein „Angriff auf regelmäßige regierungskritische investigative Berichterstattung“.
Eine Position, die auch von ver.di geteilt wird. „Die journalistischen Formate und damit die Informations- und Diskurs-Angebote im ARD-Hauptprogramm müssen erhalten bleiben und in der ARD-Mediathek ergänzend ausgebaut werden“, fordert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Die Mediathek dürfe nicht als Begründung zum Streichen der Programmplätze und zum Honorardumping herhalten.