Aufgespießt! Fake News durch Stille Post

Innehalten und sich fragen: Was leite ich da eigentlich weiter? Illustration: 123rf

Meinung

Falschnachrichten basieren nicht immer nur auf absichtlich in die Welt gesetzten Unwahrheiten, sondern manchmal auch auf Missverständnissen. Besonders anfällig dafür scheinen Menschen zu sein, die die Wirklichkeit nur noch verzerrt wahrnehmen. Das zeigt ein kleines Alltagsbeispiel aus Bremen: Stille Post unter Verquerdenkern.

„Eine schwangere Frau wurde im Krankenhaus zwangsgeimpft, ihr Neugeborenes gleich mit. Gegen ihren Willen. Alternative: Sie verlässt das Krankenhaus in ihrer Notsituation.“ Wenn ein guter Bekannter so etwas aus seinem Umfeld erzählt (er ist immerhin studierter Philosoph und Buchautor, bisher stets nachdenklich und abwägend), dann tut man das nicht gleich als Hirngespinst ab – auch wenn der Mittfünfziger inzwischen in der „Querdenker“-Partei „Die Basis“ gelandet ist und die Beschränkungen für Ungeimpfte als „Apartheid“ empfindet.

Eigentlich hält er nichts mehr von etablierten Medien, sondern vertraut nur noch auf eigene Wahrnehmungen. Aber freundlicherweise vermittelt er den Kontakt zu seiner angeblich zwangsgeimpften Bekannten.

Also Nachfrage bei der jungen Mutter: Wurde sie wirklich zwangsgeimpft, als sie wegen Schwangerschaftsproblemen in ein Bremer Krankenhaus musste? Die Antwort war kaum anders zu erwarten: „Das ist so nicht richtig.“ Sie sei während ihrer 23 Tage im Krankenhaus zwar täglich getestet worden, und nach der Geburt sogar ihr Baby. Unnötig und übergriffig sei das gewesen – aber keine Zwangsimpfung.

Was der Stille-Post-Meister dazu sagt? Er habe seine Bekannte schlicht falsch verstanden. Vielleicht, weil er sie unbewusst so verstehen wollte? Auf jeden Fall ein Lehrstück über die Geburt von Fake News. Und über die Frage, welche Vorgehensweise wohl stärker der Wahrheitsfindung dient: persönliches Erzählen und Weitererzählen – oder professionelles Recherchieren?

Mal sehen, was als nächstes Gerücht auftaucht. Vielleicht, dass sich Pflegekräfte vor dem Betreten von Intensivstationen sterilisieren lassen müssen? 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Mit Perspektiven gegen soziale Spaltung

Die Berichterstattung über den Nahostkrieg zwischen Staatsräson und Menschenrechten ist heikel, denn die Verengung des Diskurses begünstigt einen Vertrauensverlust der Medien und die soziale Spaltung in Deutschland. Beides wird durch den politischen Rechtsruck befeuert. Grund genug, den medialen Diskurs genauer unter die Lupe zu nehmen.
mehr »

Das „Compact“-Verbot wurde ausgesetzt

Das rechte Magazin „Compact“ darf vorerst weiter erscheinen. Nachdem das Bundesinnenministerium im Juni ein Verbot verfügt hatte, gab das Bundesverwaltungsgericht zwei Monate später einem Eilantrag des Unternehmens statt, das das Magazin herausgibt (BVerwG, Beschluss vom 14. August 2024 – BVerwG 6 VR 1.24). Dennoch ist der Beschluss kein Freifahrschein, denn das Gericht hat einem Verbot rechter Medien nicht grundsätzlich eine Absage erteilt.
mehr »

Pressefreiheit gegen rechts verteidigen

Die Wahlergebnisse der AfD in Brandenburg, Sachsen und vor allem in Thüringen sind für unsere offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft eine Katastrophe. Noch ist unklar, wie sich das parlamentarische Erstarken der Rechtsextremisten und Faschisten konkret auf unser Zusammenleben auswirken wird. Absehbar ist aber schon jetzt, dass Medienschaffende und das Mediensystem insgesamt noch stärker unter Druck geraten werden.
mehr »