Das Manifest für die Schublade

Manfred Kloiber, Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes Deutschlandradio Köln und freier Mitarbeiter des DLR
Foto: Murat Türemis

Meinung

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.

Eine wirklich kritisch-konstruktive Diskussion über die Zukunft des ÖRR bringt man nicht in Gang, in dem man die verbale Abrissbirne schwingt und suggeriert, als geschehe dies im Namen der Mitarbeiter*innen in den Funkhäusern und Studios. Frustrationsgeladene General-Behauptungen, die innere Pressefreiheit sei futsch, Berichterstattung und Meinungsmache verschwömmen, äußere Einflußnahme erschwere den Qualitätjournalismus, Minderheiten würden abqualifiziert und mundtot gemacht oder Freie Mitarbeiter*innen hätten zwangsläufig Existenzängste.

Sie stimmen so in ihrer Allgemeinheit einfach nicht. Ja: An der Kritik ist überall ein bisschen was dran. Aber eben nur ein bisschen. Und nein. Es hilft nichts, die tatsächlich von Sender zu Sender, sogar von Redaktion zu Redaktion unterschiedlichen Verhältnisse über einen Kamm zu scheren.

Plumpe Pauschalkritik

Plattitüden jedenfalls sind nur Wasser auf die Mühlen jener Zeitgenossen aus Politik und Wirtschaft, die den ÖRR auf einen kleinen, aber willfährigen Staatsfunk zurückstutzen wollen. Die plumpe Pauschalkritik des Manifestes ist ein Schlag für all die vielen Kolleg*innen in den Redaktionen, in der Produktion und der Verwaltung, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass der ÖRR trotz aller Probleme ein Garant für guten Journalismus ist und bleibt.

Richtig ist also der umgekehrte Weg: Wir müssen von innen heraus den positiven Diskurs ankurbeln, der die Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervorhebt und endlich zur Geltung bringt. Wir dürfen uns auch nicht weismachen lassen, die grassierende Vertrauenskrise in die politische Elite des Landes sei vor allem das Problem des ÖRR. Sondern wir müssen die Intendant*innen, die Verwaltungs- und Programmhierarchen dazu bewegen, sich endlich tapfer vor ihre Leute zu stellen und engagiert für eine digitale Rundfunk-Zukunft zu kämpfen. Notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Und wir müssen uns für transparente und ehrliche Strukturen in den Sendern engagieren. Faire und angemessene Bezahlung auf allen Ebenen, maßvolle Vergütungen für die Leitungsebenen und sichere Arbeitsplätze mit echter Perspektive, vor allem für die vielen freien Mitarbeitenden – das ist mir wichtig. Aber wir müssen uns nicht verstecken und auch nicht selbst abschaffen. Lasst uns lieber mit offenem Visier für einen zukunftsfesten Rundfunk kämpfen!

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