Der Eimsbüttler

Ein eher ungewöhnlicher Fall: Einem Journalisten wird gekündigt und die Leser sind nicht nur sauer, sondern empören sich lautstark, sammeln Unterschriften für die Rücknahme der Kündigung, bekommen Unterstützung von potentiellen Anzeigenkunden und wohlwollende Berichte in den örtlichen Medien.

Und noch ungewöhnlicher an diesem Fall: Es handelt sich nicht um einen Kollegen eines der großen Leitmedien, sondern um einen Redakteur eines kostenlosen Anzeigenblattes, um Arndt Prenzel vom Eimsbüttler Wochenblatt aus Hamburg.
Anzeigenblätter gelten gemeinhin als die Schmuddelkinder der Branche. Zu offensichtlich verwischen sich hier die Grenzen von Information und Werbung, wird „auf die strikte Trennung von PR-Tätigkeit und journalistischer Arbeit“ (dju-Charta zur Sicherung von Qualität im Journalismus) oftmals nicht geachtet.
Und dennoch: Gerade in Großstädten und Ballungsgebieten können sie eine wichtige journalistische Aufgabe haben und erfüllen. Sie stoßen in den Bereich, der von den großen Lokalzeitungen nicht abgedeckt werden kann. Sie berichten von der kleinsten Ebene der Lokalpolitik, stellen in den Bezirksversammlungen die Öffentlichkeit dar, informieren über örtliche Bürgerinitiativen. Wenn sie denn wollen. Arndt Prenzel war so einer, der wollte, seit 15 Jahren, kontinuierlich Berichterstattung von unten. Prenzel: „Was mich überrascht, ist das breite Spektrum der Unterschreibenden. Das geht quer durch alle Parteien, von der FDP bis zur Linken. Ganz offensichtlich liegt den Bürgern an einer kenntnisreichen Vor-Ort-Berichterstattung. Sie möchten wissen, was im Stadtteil vor sich geht.“
Doch auch hier im Stadtteil sei, so Wochenblatt-Geschäftsführer Ralf Exner, die Wirtschaftskrise angekommen und das gehe „auch am Wochenblatt nicht spurlos vorbei“. Und um die üblichen Synergien der Branche zu nutzen, wurde dem Redakteur gekündigt und einer Gemeinschaftsredaktion, der „Elbe-Wochenblatt-Redaktion“ beigetreten. „Bundesweit sind viele, meist große Verlage mit der Maßnahme, Redaktionen zusammenzulegen oder Gemeinschaftsredaktionen zu gründen, erfolgreich vorangegangen.“
Seit Jahrzehnten versucht die dju, mit den Verlegern der Anzeigenblätter ins Gespräch zu kommen. Auf der letzten dju-Bundeskonferenz wurde ein Antrag zur „Verbesserung der Arbeits-, Gehalts- und Honorarbedingungen“ bei Anzeigenblättern beschlossen. Die Zeit ist reif, damit auch in dieser Branche klare Regeln gelten und ein Vorwurf der „Schmuddelecke“ der Vergangenheit angehören kann.

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »