Schmerz und Glück beim Teilen

Tina Groll, Vorsitzende des dju-Bundesvorstandes in ver.di
Foto: Kay Herschelmann

Meinung

Die Verlagsbeteiligung in der VG Wort ist wieder da. Das tut vielen Urhebern weh – ist aber nötig. 2019 und 2021 waren für viele Wahrnehmungsberechtigte in der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) gute Jahre: Millionenrückstellungen konnten aufgelöst werden. Vor allem aufgrund gerichtlich durchgesetzter Forderungen erfolgten hohe Nachzahlungen. So manche Kollegin und so mancher Kollege bekam sogar ein ganzes Jahresbruttogehalt überwiesen.

Es waren goldene Zeiten – aber die sind hoffentlich nicht vorbei. Zwar wurde auf der vergangenen Mitgliederversammlung die Verlagsbeteiligung erneut beschlossen. Künftig wird also wieder ein nicht unerheblicher Teil der Ausschüttung an die Verlage gehen: Wo es schon vorher eine Ausschüttungsquote von 70 Prozent für Urheberinnen und Urheber zu 30 Prozent für die Verlage gab, bleiben diese Quoten. In allen anderen Bereichen ändern sich die Quoten ab 7. Juni 2021 – meist vorher bei 50 zu 50 Prozent –  auf 66,7 Prozent zugunsten der Urheberinnen und Urheber, 33,3 Prozent sollen die Verlage bekommen. Doch einerseits haben alle Berufsgruppen zugestimmt, dass sowohl die 70/30-Aufteilung der Einnahmen aus Presserepro wie alle Zweidrittel-Eindrittel-Aufteilungen in den nächsten Monaten nachverhandelt werden. Und andererseits könnten womöglich noch goldigere Zeiten für die Urheber anbrechen: Da sind künftig Einnahmen aus Verträgen mit Internetkonzernen zu erwarten. Und auch aus dem gesetzlich verbrieften Verlegerleistungsschutzrecht stehen uns Urhebenden 50 Prozent zu. Zwei Gründe mehr, dass auch wir Autor*innen an einer starken, gemeinsamen VG Wort festhalten sollten.

Im Vorfeld der Mitgliederversammlung hatten einige Journalistenorganisationen viele Kolleginnen und Kollegen der Branche aufgeschreckt. So hatten etwa netzwerk recherche oder auch die Freischreiber erklärt, sie seien nicht mit den neuen Quoten einverstanden. Fakt ist jedoch: Mit den neuen Beschlüssen setzt die VG Wort nur die neuen gesetzlichen Regelung in § 27b Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) um, wonach den Urhebern zwei Drittel zustehen. Man darf auch nicht vergessen: Es handelt sich hierbei um eine Übergangsregelung für zunächst zwei Jahre, über die im Vorwege hart zwischen den Urhebern und Verlegern gestritten wurde. Schließlich muss jede Änderung von Quoten im Verteilungsplan mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in jeder der sechs Berufsgruppen beschlossen werden. Und: Ohne diesen Kompromiss wäre im kommenden Jahr gar keine Ausschüttung möglich gewesen.

Manchem wird erst jetzt bewusst, dass sie in der Verwertungsgesellschaft auch stimmberechtigtes Mitglied werden können, andere erkennen, wie wichtig die VG Wort generell ist. Lieber spät als nie, möchte man diesen Kolleginnen und Kollegen sagen. Beteiligt Euch, nutzt Euer Stimmrecht – aber verkennt nicht, dass es ohne die breit aufgestellte Verlagslandschaft von Buch- bis zu Zeitungsverlagen nicht geht. Auch wenn es viele Journalistinnen und Journalisten unfair finden, dass ein einzelner Verlag ein Drittel der Ansprüche an jedem Text erhält und sich die Jahreseinnahmen damit schnell auf Millionen aufsummieren, während es für die einzelnen Autorinnen und Autoren um ein paar hundert, vielleicht tausend Euro geht, die sie bitter nötig haben angesichts von Nullrunden selbst bei tariflicher Bezahlung und seit Jahrzehnten nicht erhöhten Honoraren bei den Freien. In den allermeisten Verlagen werden ja nicht einmal Urheberrechtspauschalen für die festangestellten Redakteurinnen und Redakteure angewandt – oder sie sind so niedrig, dass es ein Hohn ist. Die Verlage erwirtschaften derweil seit einigen Jahren auch über digitale Abo-Modelle wieder auskömmliche Erträge.

Und dennoch sollten die Urheberinnen und Urheber nicht vergessen, dass die Verleger und sie im gleichen Boot sitzen, dass man auch ein gleiches Interesse hat: sehr viele Einnahmen für die VG zu bekommen, die man unter allen fair verteilen kann. Die Zukunft und Leistungsfähigkeit der VG Wort ist insofern von der Kooperation aller Gruppen abhängig. Wenn Urheber und Verlage – darunter sehr viele kleine Buchverlage – zusammen an einem Strang ziehen, kann das gelingen.

Denn nur in der gemeinsamen Zusammenarbeit haben Verlage und Urheberinnen in der VG Wort Schlagkraft gegenüber denjenigen, die Zahlungen für individuell nicht kontrollierbare Nutzungen leisten müssen; seien es die Hersteller von Multifunktionsgeräten, Smartphones, Tablets, Computern, Druckern, Kopierern, seien es Onlineportale, Bibliotheken oder Lesezirkel. Und es gibt also auch in der Zukunft große Herausforderungen: Denn sowohl die Urheber als auch Verlage wollen dafür kämpfen, ihre Ansprüche gegenüber den Onlinegiganten wie Google oder Facebook durchzusetzen – das kann nur gemeinsam gelingen,

Aus diesem Grund ist der neue Verteilungsplan richtig, auch wenn er schmerzt. In Zukunft wird es darauf ankommen, dass noch mehr Journalist*innen und Buchautor*innen berechtigte Mitglieder in der VG Wort werden und dass sie sich gewerkschaftlich zusammenschließen, um Urheberrechtsfragen auch tariflich zu klären, aber zugleich um die konsequente Anwendung angemessener Vergütungsregeln für Freie zu erwirken. Und sollte die Vision von der gemeinsamen Schlagkraft gegenüber den Internetgiganten wahr werden, wird es künftig noch viel mehr Millionen zum Verteilen geben – und dann könnten erst die richtig goldenen Zeiten anbrechen.

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