Seehofer bringt die Trojaner in Stellung

Foto: Jana Wraneschitz

Mit seinem „Entwurf eines Gesetzes zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ plant Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einen klaren Verfassungsbruch. Deutsche Geheimdienste dürften Medien und Journalist*innen im In- und Ausland künftig digital ausspionieren. Eine Säule der Pressefreiheit in Deutschland, das Redaktionsgeheimnis, würde fallen.

Damit sind Grenzen des Hinnehmbaren erreicht: Wir Journalist*innen können keine weitere Erosion des Redaktionsgeheimnisses dulden.„Reporter ohne Grenzen“ kritisieren überdies das in Seehofers Papier konkret aufgeführte Aufweichen des „Trennungsgebots zwischen Geheimdiensten und Polizei, sodass die Strafverfolgung von Medienschaffenden erleichtert würde“.

Verfassungsschutz und Nachrichtendienst würden „Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung“ erlaubt. Darin sieht Sven Herpig von der Stiftung Neue Verantwortung laut netzpolitik.org die Gefahr, dass durch Sprach-Sammel-Automaten wie Alexa „eine massive Ausweitung invasiver Überwachungsmaßnahmen“ stattfinden kann. Dass dabei nicht differenziert werden wird, wer genau ins Visier der smarten Lauscher gerät, dürfte jedermensch einsichtig sein. Heißt also im Klartext: Wir Journalist*innen wären vor dem Mithören durch „Staatstrojaner“ und damit vor BND und Verfassungsschutz nirgends mehr sicher.

„Alternativen: Keine“ hat Bayerns geschasster Ministerpräsident und Grenzkontrollen-Wiedereinführer Horst Seehofer unter „C“ in die Präambel schreiben lassen. Gottseidank steht er mit dieser Einschätzung seines Gesetzentwurfs ziemlich alleine. Seine Noch-Kabinettskollegin Katarina Barley (SPD) urteilt völlig anders: Das Justizministerium habe eine wesentliche Überarbeitung verlangt, berichten Medien übereinstimmend.

Noch ist es weiterhin sprichwörtlich Fünf vor Zwölf. Noch ist dieser Seehofersche Angriff auf die Freiheit der Presse, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Auskunftsverweigerungsrecht von Journalist*innen nur ein Referentenentwurf. Noch können wir uns alle wehren und deutlich Stopp sagen. Und zwar jetzt!

Sonst wird der Minister die Erosion in kleinen Schritten immer weiter vorantreiben. Bis am Ende nichts mehr übrig ist vom durch das Grundgesetz verbürgten Schutz unserer Arbeit. Denn auch wenn das Durchsuchen von Redaktionsräumen weiterhin nicht erlaubt ist: Mit Seehofers Staatstrojaner würde das formale Verbot künftig ganz einfach digital umgangen.

 

 

 

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