Meinung
Einer der wohl wichtigsten Sätze im Koalitionsvertrag – gerade in Zeiten der Pandemie und gesellschaftlichen Spaltung, in der die klassischen Medien Zustimmung verlieren – ist das starke Bekenntnis der künftigen drei Regierungsparteien zu freien und unabhängigen Medien als unverzichtbarer Bestandteil für die Demokratie. SPD, Grüne und FDP bekennen sich sowohl zu Öffentlich-Rechtlichen als auch zu den Privaten. Klingt nach Lippenbekenntnis? Nicht unbedingt. Schon das Ringen um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags hatte gezeigt: Eine breite gesellschaftliche Debatte über den Wert von freien Medien für die Demokratie ist überfällig – und die wollen die Ampelparteien nun vorantreiben.
Gut ist auch, dass sie die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten wollen und prüfen, wie man diese besser fördern kann. Auch von einer Regulierung der Plattformen könnte der Printjournalismus profitieren.
Am wichtigsten ist für die Journalistinnen und Journalisten hierzulande aber, dass die künftige Regierung sich für ihre Sicherheit und ihren Schutz einsetzen will – ein solches Bekenntnis ist nach unzähligen Angriffen auf Medienschaffende etwa bei Querdenker-Demonstrationen überfällig. Dass so ein Satz im Regierungsvertrag steht, lässt hoffen. Glaubwürdig wird das Bemühen für bessere Bedingungen im Journalismus auch durch das Vorhaben der Ampel, ein Bundespresseauskunftsrecht einzuführen, das die CDU-geführte Bundesregierungen viele Jahre lang abgelehnt hatten. Damit werden Recherchen einfacher, die Presse wird in ihrer Wächter- und Kontrollfunktion gestärkt. Endlich bewegt sich etwas, möchte man ausrufen. Dass die Ampel zudem vorhat, Maßnahmen gegen missbräuchliche Klagen (und zwar europaweit) zu unterstützen, ist zusätzlich hilfreich.
Aber nicht nur die Vorhaben zur Medienpolitik sind gut. Auch von vielen wichtigen Regelungen aus dem Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik werden Journalistinnen und Journalisten profitieren. So plant die neue Regierung etwa, „Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht” zu verhindern – bei solchen Ausgründungen sollen die geltenden Tarifverträge fortwirken. Man stelle sich vor, diese Regelung hätte es schon vor zehn, 15 oder 20 Jahren gegeben – viele ausgegründete Online-GmbHs traditioneller Zeitungstitel oder outgesourcte Töchter von Redaktionen wären gar nicht erst möglich gewesen. Immerhin dürften künftige Ausgründungen so erschwert werden.
Auch von den Regelungen für die Abschaffung von Befristung werden einige Medienschaffende profitieren. Vor allem sachgrundlose Befristungen sind in Redaktionen nach wie vor üblich – eine Belastung insbesondere für viele jüngere Kolleginnen und Kollegen. Mit dem Vorhaben, solche Beschäftigungsformen ganz abzuschaffen, konnten sich die Sozialdemokraten zwar nicht durchsetzen. Dafür werden wenigstens Kettenbefristungen mit Sachgrund begrenzt, spätestens nach sechs Jahren soll damit Schluss sein. Immer noch lange – aber besser als gar nichts.
Freien Journalistinnen und Journalisten kommt das Bekenntnis der Ampel zur Bedeutung der Künstlersozialkasse (KSK) zugute. Die neue Regierung will diese sichern. Und von einer starken KSK profitieren vor allem Medienschaffende. Aber auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro dürfte sich indirekt auf die Vergütung von Freelancern auswirken. Ein deutlich erhöhter Mindestlohn liefert wenigstens ein Argument, bessere Honorare verhandeln zu können. Mehr Absicherung werden viele Freie auch durch einen erleichterten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung haben, den die neue Regierung schaffen möchte. *
Auch festangestellte Redakteurinnen und Redakteure können auf eine kleine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen hoffen: Die Ampel will nämlich die Arbeit im Homeoffice auf arbeitschutzrechtlich sichere Füße stellen. Klar ist für SPD, Grüne und FDP auch: “Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen.” Das ist nicht nur für viele Betriebsräte in Medienhäusern wichtig, wenn sie einen besseren Gesundheits- und Arbeitsschutz für die Redaktion im Dauer-Homeoffice fordern.
Insgesamt darf man also hoffen, dass mit der neuen Regierung auch einige Probleme im Journalismus angegangen werden. Eines hat die Verkündung des Regierungsvertrags akut schon gebracht: Bei den meisten Online-Medien gingen umgehend die Klickzahlen durch die Decke. Dass damit dann auch noch Geld verdient wird, das müssen die Medien hingegen alleine schaffen.
* Aktualisierung am 26. November: Ein ursprünglich an dieser Stelle folgender Absatz zur Rente wurde gestrichen, da er missverstanden werden könnte. Genauere Informationen zur Altersvorsorge siehe auch hier.