Worte wie Hohn

Als „Affront“ bezeichnete die Redaktion der Berliner Zeitung die Berufung von Josef Depenbrock zum neuen Chefredakteur. Ihre Reaktion folgte prompt: Vormittags verkündete Geschäftsführer Peter Skulimma den neuesten Schachzug der Chefetage, im Anschluss zog sich die Redaktion zur internen Beratung zurück und beschloss daraufhin an diesem Tag keine Zeitung zu produzieren.

Gemeinsam mit Depenbrock handelte Skulimma aus, dass wenigstens eine Notausgabe mit Agenturmeldungen erschien, nachdem er zugesagt hatte, dass die Redaktion auf Seite 1 eine Erklärung veröffentlichen darf. Auf Seite 2 teilte Depenbrock seine Sicht mit. Die Redakteure waren vor allem aufgebracht, weil an diesem Tag eigentlich abschließend über ein Redaktionsstatut verhandelt werden sollte. Zentraler Punkt sollte ein Mitspracherecht bei der Be- bzw. Abberufung des Chefredakteurs sein. Stattdessen wurde Depenbrock präsentiert, der nicht nur Chefredakteur ist, sondern auch Mitglied der Geschäftsleitung und Anteile am Verlag hält. Und Depenbrock tat an seinem ersten Arbeitstag nichts, was die Bedenken der Redakteure zerstreuen könnte. Die Antwort auf die Frage, welche Artikel ihm in den vergangenen Tagen besonders gut gefallen haben, ließ tief blicken. Er lese immer gern die Reportagen von Alexander Osang. Der geschätzte Kollege arbeitet aber bereits seit sieben Jahren für den Spiegel. Inhaltlich hatte er sich ganz offensichtlich noch nicht mit dem Blatt beschäftigt, dafür aber umso mehr mit dem Stellenplan. So bemerkte er, dass zwölf Redakteure im Feuilleton arbeiten, es aber nur 1,6 Stellen im Vermischten gibt. Zwanzig Prozent Rendite sollten mit ihm machbar sein, teilte er mit. Die Zeile „Qualität bleibt unser Gütesiegel“ über der Stellungnahme von Depenbrock in der Notausgabe wirkt angesichts seiner Bemerkungen wie Hohn. 20 Prozent Rendite? Eine massive Steigerung der Einnahmen durch mehr Zeitungsverkäufe und explodierende Anzeigenbuchungen ist unrealistisch. Was bleibt, ist ein beinharter Sparkurs. Von der Geschäftsleitung wurde bereits angekündigt, dass betriebsbedingte Kündigungen konzernweit nicht ausgeschlossen und den Betriebsräten der Einzelbetriebe bis Ende Juni die Pläne zur Umstrukturierung und zum Personalabbau bekannt gegeben werden. Zu einem Moratorium während der laufenden Verhandlungen war die Chefetage nicht bereit. Deshalb geht es im Kampf der Beschäftigten nicht um die Frage, wer die Macht im Haus hat, sondern ob das Blatt gegen die Wand gefahren wird. Die Berliner Zeitung kann ihre Marktposition nur mit der viel beschworenen Qualität halten – aber diese kostet. Wer ohne großen Einsatz schnell Rendite erwirtschaften will, sollte nicht ins Zeitungsgeschäft einsteigen. Dafür würden sich aus unternehmerischer Sicht andere Branchen anbieten – die notfalls auch in einem Billiglohnland produzieren können. Tageszeitungen zählen eindeutig nicht dazu.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Schon entdeckt: Das Wetter

5000 verkaufte Exemplare alle Vierteljahr, Titelseiten, die ausschließlich auf Ästhetik setzen, noch dazu mit inzwischen auf 12 angewachsenen unterschiedlichen Coverstories - zumindest bei der letzten, der immerhin schon 35. Ausgabe. „Das Wetter“-Magazin weiß sich zu präsentieren. Seit über zehn Jahren zähle es, so heißt es, zu „den schillerndsten Printmagazinen des Landes“.
mehr »

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »