Dass der NSU nie wieder möglich wird

In der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin wird gegenwärtig eine Ausstellung gezeigt, die nach Hintergründen und Schlüssen im Zusammenhang mit den Verbrechen des NSU fragt. Bei einer ausstellungsbegleitenden Debatte am 8. Mai wurde die gewerkschaftliche Verantwortung für eine lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes betont und nach den gesellschaftlichen Konsequenzen gefragt.

Wieso wurden die NSU-Morde erst diskutiert, als die Täter und nicht als die Opfer starben? Das ist eine von zahlreichen Fragen, die in der ersten Etage der ver.di-Bundesverwaltung auf Tafeln zu lesen sind. Sie sind Teil der Ausstellung „Im Kontext NSU – Welche Fragen stellen Sie?“ von Beate Maria Wörz. Sie hat Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen befragt und dabei oft erhellende Antworten erhalten. Fragen zum NSU-Komplex hatten auch die rund 50 BesucherInnen, die am Montagabend die an einer Veranstaltung unter dem Motto „….dass der NSU nie wieder möglich ist“ teilgenommen haben. Vorbreitet wurde sie vom ver.di-Referat für Migration. Referent Romin Khan betonte die Verantwortung der Gewerkschaften, den Opfern des ausländerfeindlichen Terrors eine Stimme zu geben. Das sei umso notwendiger, da der NSU-Prozess die Erwartungen und Hoffnungen vieler Angehörigen enttäuscht hat, wie Rechtsanwältin Antonia von der Behrens auf der Veranstaltung erläuterte. Sie vertritt Angehörige von NSU-Opfern als Nebenklägerin. Die anfängliche Hoffnung, dass der Prozess die Aufklärung der vielen offenen Fragen rund um den NSU voranbringen könnte, seien enttäuscht worden. Angehörige der Opfer würden den Prozess kaum noch besuchen, erklärte die engagierte Juristin. Einen Grund sieht sie in der Lesart der Anklagebehörde, die sich früh darauf festgelegt haben, dass der NSU lediglich aus drei Personen bestanden habe. Alle Fragen nach einem rechten Netzwerk, das an der Vorbereitung der Verbrechen mitgewirkt habe, seien abgeblockt worden, berichtete Antonia von Behrens. Auch die gesellschaftlichen Wurzeln des NSU in den rassistischen Aufmärschen der 1990er Jahre würden vom Gericht nicht untersucht. Zudem litten viele Angehörige noch immer darunter, dass ihnen lange nicht geglaubt wurde, als sie Neonazis für die Morde verantwortlich gemacht haben. Stattdessen hätten die Ermittlungsbehörden die Täter im Umfeld der Opfer und ihrer Angehörigen gesucht. Diese Beschuldigungen nannten Betroffene die Bombe nach der Bombe. Bis heute habe sich keiner der Polizisten oder Justizbeamten dafür entschuldigt.

Monika Roloff vom Arbeitskreis Antirassismus bei ver.di Hamburg berichtete über die vergeblichen Bemühungen, in Hamburg einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU einzurichten, obwohl dort am 27.Juni 2001 Süleyman Taşköprü vom NSU erschossen worden ist. Mangelndes gesellschaftliches Interesse sieht Roloff als einen Grund dafür, das es nicht gelang, – wie in vielen anderen Ländern – auch in der Hansestadt ein solches Untersuchungsgremium einzurichten. Es habe nach der Aufdeckung des NSU-Terrors der große gesellschaftliche Aufschrei gefehlt, beklagte sie. Von der Kritik wollte sie auch die Gewerkschaften nicht ausschließen. Sie sieht eine wichtige Aufgabe des AK Antirassismus gerade darin, die Debatte immer wieder auch in die Gremien von ver.di zu tragen. Am Ende wies Birgit zur Nieden, Soziologin und Moderatorin der Veranstaltung, auf das NSU-Tribunal hin, dass vom 17. bis 21. Mai in Köln unter dem Motto „NSU-Komplex auflösen“ die Perspektive der Opfer einnehmen wird.

Die Ausstellung „Im Kontext NSU…“ ist noch bis 17. Juni 2017 montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr im Galerie-Foyer der ver.di-Bundesverwaltung, Paula-Thiede-Ufer 10 in Berlin zu sehen.

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »

Eine Medienplattform für Europa

Für ARD und ZDF war es eine richtungsweisende Entscheidung, als sie vor einem Jahr mitteilten, ihre Mediathek-Software gemeinsam entwickeln zu wollen. Mit im Boot ist inzwischen auch das Deutschlandradio. Unter dem Projektnamen „Streaming OS“ laufen die Arbeiten. OS steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen wichtige technische Bausteine für ihre Streaming-Aktivitäten auch anderen Anbietern und Organisationen frei zugänglich machen. Eine europäische Ausrichtung haben sie ebenso im Blick.
mehr »