IG Medien: Für jede Nutzung eine angemessene Vergütung
Freie Journalistinnen und Fotografen, Autoren und Übersetzerinnen, Filmemacher und Künstlerinnen sehen sich heute mit Verträgen konfrontiert, nach denen sie alle Verwertungsmöglichkeiten für wenig Honorar oder gar umsonst übertragen sollen. Zum Schutz ist eine Reform des Urhebervertragsrechts dringend notwendig. Die IG Medien hat dem Gesetzgeber ihre Vorschläge übermittelt.
Eigentum – auch geistiges – ist in Deutschland gesetzlich gut geschützt. Urheberrechte können nicht übertragen werden. So steht es seit 1965 in § 29 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Doch jeder Urheber lebt von der Verwertung seiner Werke, von – so heißt das rechtlich – der Einräumung von Nutzungsrechten. Beispiel: der einmalige Abdruck in einer Zeitung. Aus dem folgt heute oft gleich eine Verwertung auf den Internet-Seiten der Zeitung.
Gibt es keine Vereinbarung über diese Online-Nutzung, ist sie rechtswidrig. Der Autor ist in diesem Fall durch § 31 Abs. 5 UrhG geschützt. Er kann sich darauf berufen, dass der Zweck seines Artikel-Verkaufs an die Zeitung nur der einmalige Abdruck gewesen ist. Doch diese „Zweckübertragungsregel“ bietet immer weniger Schutz, je mehr sie durch Gewohnheitsrecht systematisch ausgehöhlt wird. Und die Zeitungshäuser sind dabei, ihren Geschäftszweck auf die Veröffentlichung von Online-Ausgaben im Internet auszuweiten.
Schutzregelungen werden wirkungslos
Auch die wenigen anderen urhebervertraglichen Schutzparagrafen erweisen sich heute immer mehr als wirkungslos. So ist zwar nach § 31 Abs. 4 UrhG die „Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten … unwirksam.“ In der Praxis führt dies aber oft zu jahrelangen Auseinandersetzungen darüber, seit wann beispielsweise eine Verwertung auf CD-ROM eine bekannte Nutzungsart ist.
Bei Verträgen mit Urhebern (das gilt genauso für die Leistungsschutzrechte der Künstler) handeln Medienkonzerne, Zeitungshäuser, Zeitschriften- und Buchverlage, Radio- und Fernsehsendern nach dem Motto „Alles, aber günstig“. In seitenlangen, juristisch ausgefeilten Formularverträge sollen sämtliche Nutzungsrechte eingeräumt werden – von der Online-Verwertung und Veröffentlichung auf CD-ROM bis hin zur Übersetzung in sämtliche Sprachen und Vertonung als Oper: der „Total Buy-out“. Folge: Den schöpferisch Tätigen bleibt von ihrem „geistigen Eigentum“ faktisch nur noch die leere Hülse. Die Chance, durch mehrfache Verwertung mit unterschiedlichen Vertragspartnern Einkommen zu erzielen, ist ihnen genommen.
Natürlich können und sollten Urheber solche Verträge zurückweisen, aber oft sind sie dann auch den Auftrag los oder erhalten keine Folgeaufträge. Zur Vertragsfreiheit, von der auch das deutsche Urheberrecht ausgeht, gehören annähernd gleichberechtigte Partner. Wo eine Seite so übermächtig ist, dass sie Vertragsbedingungen diktieren kann, muss der Gesetzgeber für rechtliche Schutzvorschriften sorgen. Das ist heute im Miet-, Verbraucherschutz- und Arbeitsrecht selbstverständlich, fehlt aber bisher im Urheberrecht.
Urhebervertragsrecht: Reform ist notwendig
Die IG Medien und andere Interessenvertreter von Urhebern fordern deshalb seit langem eine Reform des Urhebervertragsrechts. Sie wurde auf der Tagung „Kreativität ist nicht umsonst“ am 6. März 1999 in Berlin von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin für diese Legislaturperiode fest zugesagt (siehe M 4/1999). Mittlerweile erhielten alle Interessenverbände die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu den Inhalten dieser Reform an das Ministerium.
Erwartet werden darf – zunächst – nicht ein eigenes Urhebervertragsgesetz. Das wäre zwar wünschenswert und notwendig, würde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. Zu viel Zeit. Es „besteht akuter Regelungsbedarf, der nicht zurückgestellt werden kann“, betont Wolfgang Schimmel aus der Rechtsabteilung der IG Medien in der Stellungnahme zur Reform. „Die IG Medien fordert deshalb eine zügige Ergänzung des Urheberrechtsgesetzes um urhebervertragliche Regelungen, die zwingenden Charakter haben müssen.“
Regelungen gegen „Buy-out“-Verträge
Ein zentraler Punkt sind Regelungen gegen „Buy-out“-Verträge. Die IG Medien schlägt vor, Verträge gesetzlich zu verbieten, mit denen sämtliche Nutzungsrechte gegen eine einmalige Vergütung auf Dauer eingeräumt werden sollen. Dies sollte ergänzt werden durch eine strengere Fassung der „Zweckübertragungsregel“. Nicht jeder „Zweck“ darf die Einräumung von Nutzungsrechten zur Folge haben, sondern nur konkrete im Vertrag vorgesehene Werknutzungen, zu denen der Verwerter sich auch verpflichtet.
Im Hinblick auf die schleichende Rechtsaufweichung durch die rechtswidrige Praxis bei der Verwertung von Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen im Internet sollte in § 31 Abs. 5 UrhG außerdem klargestellt werden, dass der „Geschäftszweck“ des Verwertungsunternehmens nicht zum Maßstab für den Umfang der Rechtseinräumung gemacht werden kann. Ergänzt werden sollte weiterhin eine Vorschrift, nach der Nutzungsrechte nur dann eingeräumt sind, wenn dafür vertraglich auch eine angemessene Vergütung vorgesehen ist.
Für jede Nutzung eine angemessene Vergütung
Ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Vergütung für jede Nutzung eines Werkes ist ein weiterer zentraler Punkt. Diese einfache und dennoch Erfolg versprechende Regelung hatte Professor Dr. Wilhelm Nordemann, einer der renommiertesten deutschen Urheberrechtler, bereits 1991 vorgeschlagen. Die IG Medien hält eine solche Gesetzesergänzung für dringend geboten.
Verändert werden sollte nach Auffassung der Mediengewerkschaft auch der „Bestseller-Paragraf“, der einen gesetzlichen Anspruch auf Vertragsanpassung zu Gunsten des Urhebers bisher nur vorsieht, wenn ein Missverhältnis „unerwartet“ eingetreten ist. Dies hat zu einer Rechtsprechung geführt, nach der nur die unbeabsichtigte Übervorteilung des Urhebers durch den Verwerter zu einer Korrektur führt, nicht jedoch die Ausnutzung von Marktmacht bei Vertragsabschluss. Die IG Medien schlägt vor, dass jedes „grobe“ Missverhältnis im Leistungsaustausch erfasst wird und außerdem die Verjährungsfrist von zehn auf 30 Jahre erhöht wird.
Abtretung nur an eine Verwertungsgesellschaft
Die Erfahrung mit der gesetzlichen Regelung für die Kabelweitersendung haben nach Auffassung der Mediengewerkschaft einen richtigen Weg aufgezeigt. Hier (§ 20b UrhG) gilt, dass Urheber einen unverzichtbaren Vergütungsanspruch haben, der im Vornhinein nur an Verwertungsgesellschaften abgetreten werden darf. Solche Regelungen sind auch in anderen Bereichen notwendig, wo Urheber auf Grund der Kräfteverhältnisse auf dem Markt einen Vergütungsanspruch nicht alleine durchsetzen und eine Weiterverwertung ihrer Werke auch gar nicht mehr übersehen können, also beispielsweise bei den immer vielfältigeren Nutzungsmöglichkeiten in elektronischen Medien, insbesondere im Internet.
Diese Klarstellung fordert die IG Medien auch für elektronische Pressespiegel. Sie sollen wie bisher die Pressespiegel auf Papier unter § 49 UrhG fallen. Der Vergütungsanspruch der Journalisten soll unverzichtbar und nicht abtretbar sein.
Wo die Höhe von Urheberabgaben im Gesetz festgeschrieben ist (so für Kopien, Kopiergeräte oder Tonträger), sind sie seit mehr als einem Jahrzehnt unverändert und damit massiv entwertet worden. Sie müssen nach Ansicht der IG Medien unverzüglich erhöht werden. Außerdem sollte die Vergütungshöhe künftig nicht mehr im Gesetz geregelt werden.
Zeitliche Befristung für Urheberverträge
Notwendig ist auch eine zeitliche Befristung und Kündigungsmöglichkeit für Urheberverträge. Die Rechte für Bücher werden heute für über 100 Jahren übertragen und danach gemeinfrei. Die IG Medien hält eine grundsätzliche Laufzeitbegrenzung von fünf Jahren für realistisch. Werden die Werke danach weiter genutzt und erhalten Urheber dafür eine Vergütung, würde sich der Vertrag jeweils um ein Jahr verlängern.
Weiter fordert die Mediengewerkschaft ein Ausstellungsrecht für bildende Künstler als Grundlage für eine Ausstellungsvergütung, eine Klarstellung, dass Urheberpersönlichkeitsrechte nicht zur „Wahrnehmung“ per Vertrag abgetreten werden können und eine gesetzliche Vergütungsregelung für nach DDR-Recht abgeschlossene Urheberverträge für Werknutzungen, die bei Vertragsabschluss nicht absehbar waren.
Eine Reihe von Forderungen der IG Medien zur Reform des Urhebervertragsrechts hatte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin bereits im März vorigen Jahres selbst als notwendig bezeichnet. Trotz zwischenzeitlich negativen Erfahrungen mit anderen Gesetzesvorhaben (Scheinselbstständigkeit und Künstlersozialkasse) besteht deshalb Grund zum Optimismus, dass die Novellierung zügig erfolgt und tatsächlich der grundsätzliche und unverzichtbare Anspruch der Urheber auf eine angemessene Vergütung für jede Nutzung ihrer Werke festgeschrieben wird. Dies wäre für die Verbesserung der Rechtsstellung und der Einkommenssituation aller selbstständig tätigen Urheber dringend erforderlich.